European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0100OB00046.25Z.1118.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Nr 23, der Nebenintervenient ist Eigentümer der Grundstücke Nr 24 und 25 (jeweils KG G*). Der Beklagten ist die Dienstbarkeit des Gebrauchs der lebenslangen und unentgeltlichen Wohnung in dem auf dem Grundstück Nr 24 bestehenden Haus eingeräumt.
[2] Für das Grundstück Nr 23 und das nördlich davon gelegene Grundstück Nr 24 wurde im Jahr 1938 das Recht eines Gehwegs über das südlich davon gelegene Grundstück Nr 19 im Grundbuch eingetragen. Der Gehweg führt vom Grundstück Nr 24 über das Grundstück Nr 25 und sodann über das Grundstück Nr 19. Seit ca 1984 stand an der Grenze der Grundstücke Nr 25 und 19 ein Maschendrahtzaun, wobei im Bereich des Gehwegs ein Tor errichtet war, das mit einem Riegel aufgemacht und wieder eingehängt werden konnte. Die Einfriedung wurde im Oktober 2023 von den Eigentümern dieser Grundstücke erneuert. Sie wollten einen Durchgang von rund einem Meter wegen des Gehwegs freilassen. Die Beklagte wollte jedoch keinen offenen Durchgang und stellte ein Tor zur Verfügung. Dieses befindet sich auf dem Grundstück Nr 25. Seit der Erneuerung der Zaunanlage hält die Beklagte das Tor versperrt.
[3] Die Kläger begehrten, soweit im Revisionsverfahren noch relevant (Eventualbegehren), die Beklagte schuldig zu erkennen, das von der Beklagten bei dem auf dem Grundstück Nr 25 befindlichen Tor angebrachte und versperrte Schloss aufzusperren und aufgesperrt zu halten sowie die von der Beklagten angebrachte Kette samt Vorhangschloss zu entfernen, um den Klägern als Eigentümern des Grundstücks Nr 23 die Ausübung ihres Gehrechts zu ermöglichen und hinkünftig derartige oder ähnliche Störungen, insbesondere das Versperren des Tores sowie die Anbringung einer Kette samt versperrtem Vorhangschloss, zu unterlassen.
[4] Die Beklagte und der auf ihrer Seite beigetretene Nebenintervenient beantragten die Abweisung des Haupt- und Eventualbegehrens und wendeten ua ihre mangelnde Passivlegitimation ein, weil das Klagebegehren eine einheitliche Entscheidung unter Einbeziehung der Eigentümer des Grundstücks Nr 19 erfordere.
[5] Die Vorinstanzen gaben dem Eventualklagebegehren statt. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nachträglich zu, weil der Umstand, dass gleichartige Benützungshandlungen über mehrere nebeneinander liegende Grundstücke vorlägen, nicht ausreichend Beachtung gefunden hätte.
[6] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten sowie des Nebenintervenienten, mit der sie die vollständige Klagsabweisung begehren; in eventu wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag an das Berufungsgericht gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung der Revision nicht Folge zu geben.
[8] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
[9] 2. Den behaupteten Verstoß des Erstgerichts gegen den Mündlichkeitsgrundsatz hat bereits das Berufungsgericht verneint. Nach ständiger Rechtsprechung können vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963; RS0106371).
[10] 3. Mit ihren Ausführungen zur mangelnden passiven Klagslegitimation zeigt die Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
[11] 3.1. Nach § 14 ZPO bilden, wenn die Wirkung des zu fällenden Urteils sich kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen erstreckt, diese eine einheitliche Streitpartei. Die einheitliche Streitpartei ist nicht immer eine notwendige Streitgenossenschaft, sondern dann, wenn kraft Gesetzes die Klage nur von oder gegen alle Rechtsgenossen gemeinsam eingebracht werden kann. Ansonsten ist die Frage nach einer notwendigen Streitgenossenschaft nach dem materiellen Recht zu entscheiden (1 Ob 191/09h mwN = EvBl 2010/59, 411 [Parapatits]). Es handelt sich um eine Frage der Sachlegitimation (RS0035479 [T11]). Eine notwendige Streitgenossenschaft wird angenommen, wenn wegen Nichterfassung aller Teilhaber die Gefahr unlösbarer Verwirklichungen durch verschiedene Entscheidungen entsteht (RS0035479).
[12] 3.2. Nach der Rechtsprechung sind bei Klagen auf Feststellung einer Servitut nur alle Miteigentümer gemeinsam passiv klagslegitimiert; sie bilden eine notwendige Streitgenossenschaft (RS0012106; RS0101793). Wird allerdings nur gegen einen Miteigentümer als Störer wegen Beeinträchtigung des Eigentumsrechts mit Unterlassungsklage vorgegangen, liegt kein Fall notwendiger Streitgenossenschaft vor. Die Frage des Bestehens einer Servitut ist dann als grundsätzlich nicht bindende Vorfrage im Unterlassungsprozess zu überprüfen (RS0114280; RS0012106 [T20]). Beklagter ist bei der konfessorischen Klage daher nicht nur der Eigentümer der dienstbaren Sache, sondern auch jeder Dritte, der sich der Ausübung der Dienstbarkeit widersetzt (RS0012115). Die konfessorische Klage kann somit als Feststellungsklage sowie als Klage auf Einverleibung nur gegen alle Eigentümer des angeblich dienstbaren Grundstücks erhoben werden, als Leistungsklage hingegen (mit den – wahlweise oder kumulativ gestellten – Begehren auf Beseitigung der Beeinträchtigung, Unterlassung künftiger Störungen und Ersatz des verursachten Schadens) auch – wie hier – gegen dritte Störer oder, wenn die Beeinträchtigung nur von diesem ausgeht, gegen einen einzelnen Miteigentümer der dienenden Liegenschaft (RS0012094 [T4]; vgl auch RS0012115 [T4]).
[13] 3.3. Auch bei Feststellung des Bestehens einer Grunddienstbarkeit ist eine unmittelbare Nachbarschaft des dienenden und herrschenden Grundstücks nicht erforderlich. Daher ist nach der Rechtsprechung auch die Einbeziehung der Eigentümer der zwischen dem herrschenden und dienenden Grundstück liegenden Grundstücke in das Prozessrechtsverhältnis nicht notwendig (RS0012106 [T33]). Daher ist auch im vorliegenden Fall die Einbeziehung der Miteigentümer des an das Grundstück Nr 25 anschließenden Grundstücks Nr 19, auf dem die Servitut grundbücherlich eingetragen ist, als Beklagte nicht erforderlich.
[14] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
[15] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50 und 40 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen, sodass ihnen mangels zweckentsprechender Rechtsverteidigung kein Kostenersatz zusteht (RS0035962; RS0035979).
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