European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0150OS00102.25A.1015.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung des Ausspruchs der Einziehung eines „Crashers“ aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * I* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (1./) und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG (2./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in G* und an anderen Orten des Bundesgebiets vorschriftswidrig Suchtgift
1./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er von Ende Juni 2023 bis 29. November 2024 Kokain enthaltend 403,5 Gramm Kokainbase in Reinsubstanz an * R*, * A*, * S*, * Re*, * V* und weitere unbekannte Abnehmer veräußerte, weiteres Kokain enthaltend 75 Gramm Kokainbase in Reinsubstanz, das er für * W* von einem Lieferanten in W* erworben hatte, an einen Mittelsmann sowie 30 Gramm Cannabiskraut an * J* übergab;
2./ besessen, indem er am 29. November 2024 2,83 Gramm brutto Cannabiskraut innehatte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Die Beschwerde behauptet einen Verstoß gegen das Gebot des fair trial, ohne auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag oder einen gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefassten Beschluss Bezug zu nehmen, weshalb die Verfahrensrüge (Z 4) ins Leere geht (RIS-Justiz RS0099244).
[5] Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583).
[6] Indem die Tatsachenrüge ausführt, die Aussage eines Zeugen betreffend eine als „Bunker“ benutzte Wohnung wäre bloße Spekulation, und auf die (überwiegend) leugnende Verantwortung des Angeklagten sowie die Aussagen der Zeugen W*, S* und Re* hinweist, gelingt es ihr nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen zu wecken (vgl im Übrigen US 6 ff zu den auf dem Mobiltelefon des Angeklagten gesicherten Chats und Notizen).
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[8] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem Urteil eine sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkende Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO anhaftet, auf welche auch die Generalprokuratur hinweist.
[9] Das Erstgericht ordnete – neben der Einziehung des sichergestellten Suchtgifts auch – gemäß „§ 34 Abs 1 SMG“ die Einziehung eines „Crashers“ mit „Anhaftungen von Marihuana“ an.
[10] § 34 SMG erlaubt bloß die Einziehung von Suchtmitteln (§ 1 Abs 2 SMG). Für eine Einziehung eines – nicht näher konkretisierten – „Crashers“ nach § 26 Abs 1 StGB fehlt es an Feststellungen zur Deliktstauglichkeit („besonderen Beschaffenheit“; RIS‑Justiz RS0121298). Anhaftungen von Marihuana wiederum sind in der Regel leicht zu entfernen, wozu dem Berechtigten (auf dessen Kosten) vor Einziehung der betroffenen Gegenstände Gelegenheit zu geben ist (§ 26 Abs 2 StGB; RIS‑Justiz RS0121299 [T4]). Mangels diesbezüglicher Feststellungen ist der Ausspruch der Einziehung im genannten Umfang mit Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO belastet, die sich mit Blick auf das lediglich die „Vernichtung des sichergestellten Suchtgiftes“ betreffende Einverständnis des Angeklagten (ON 41, 7) auch zu dessen Nachteil auswirkt.
[11] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in Ansehung des Ausspruchs der Einziehung eines „Crashers“ aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu verweisen (§ 285e StPO; zur Zuständigkeit des Vorsitzenden des Schöffengerichts als Einzelrichter siehe § 445 Abs 2 letzter Satz StPO sowie RIS‑Justiz RS0117920 [T1] und RS0100271 [T13]).
[12] Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 vierter Satz StPO).
[13] Bleibt – neuerlich in Übereinstimmung mit dem Croquis – anzumerken, dass dem Schuldspruch 2./ ein Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) anhaftet.
[14] Tatbestandsmäßig nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG handelt, wer vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besitzt, dass es in Verkehr gesetzt wird.
[15] Nach den Feststellungen zu 2./ des Schuldspruchs wurden bei der Festnahme am 29. November 2024 beim Angeklagten 2,83 Gramm brutto (nach dem klaren Feststellungswillen [vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19] „Delta‑9‑THC‑hältiges“ [vgl US 4]) Cannabiskraut sichergestellt, wobei der Angeklagte wusste, dass er „vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich 2,83 Gramm Cannabiskraut, ausschließlich zum persönlichen Gebrauch besaß und konsumierte“ und er dies auch wollte (US 5).
[16] Diese Konstatierung trägt den Schuldspruch wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall SMG weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht (vgl den Anhang zur Suchtgift-Grenzmengenverordnung iVm § 28b SMG betreffend die Grenzmenge der Substanz Delta-9-Tetrahydrocannabinol und dessen stereochemischer Varianten von 20 Gramm). Die Feststellungen im Ersturteil ermöglichen jedoch die Subsumtion unter § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG.
[17] Dieser Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) belastet 2./ des Schuldspruchs mit Nichtigkeit, die sich mangels Einflusses auf den Strafrahmen jedoch nicht konkret zum Nachteil des Angeklagten auswirkte und demnach nicht von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) aufzugreifen war (RIS‑Justiz RS0099767 [T4]).
[18] Angesichts der Klarstellung besteht für das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung wegen des Strafausspruchs keine Bindung an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch (RIS‑Justiz RS0118870).
[19] Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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