European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0140OS00075.25Y.1007.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Graz zu.
Den Angeklagten * B*, G* H* und S* H* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – * B* und G* H* jeweils eines Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (II/1/), Letzterer (vgl zu diesem allerdings RIS‑Justiz RS0133490) und S* H* jeweils eines Vergehens der Bestechung nach § 307 Abs 1 StGB (II/2/) schuldig erkannt.
[2] Danach haben in R* und an anderen Orten
II/1/ B* und G* H* jeweils mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an dessen Recht auf Zulassung nur ausreichend gesunder und fahrtüchtiger Personen zum Straßenverkehr zu schädigen, den Sachbearbeiter bei der Bezirkshauptmannschaft G* * F*, mithin einen Beamten, (zu ergänzen [vgl US 7]: wissentlich) dazu bestimmt, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch zu missbrauchen, dass er „entgegen seiner Verpflichtungen nach § 31 L-DBR seine Aufgaben treu, gewissenhaft und unparteiisch zu besorgen“ die am 8. Mai 2023 bei dieser Behörde per Fax eingelangte ärztliche Stellungnahme betreffend Einschränkungen der gesundheitlichen Eignung von B* zum Lenken von Kraftfahrzeugen (§ 8 FSG) löschte, indem dieser zunächst G* H* um Hilfe bat, das ihn betreffende Gutachten „verschwinden zu lassen“, und dieser in weiterer Folge F* um Löschung desselben ersuchte;
2/ G* H* und seine Tochter S* H* einem Amtsträger für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts einen Vorteil für ihn angeboten, indem G* H* seine Tochter anwies, F* für die zu Punkt 1/ beschriebene Handlung zum Essen einzuladen und ihr dafür 100 Euro zur Verfügung stellte, und S* H* diese Essenseinladung F* gegenüber (der sie allerdings zurückwies) tatsächlich aussprach.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richten sich von B* aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a sowie (gemeinsam ausgeführt) von G* H* und S* H* aus Z 5, 5a, und 10, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, ergriffene Nichtigkeitsbeschwerden, die nicht berechtigt sind.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B*:
[4] Die Kritik der Mängelrüge (nominell Z 5 erster, zweiter und dritter Fall) an der Feststellung zur Initiative des Beschwerdeführers für die weitere Kontaktaufnahme mit F* durch G* H* (US 5) zeigt mit der bloßen Behauptung, dem Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 37.1) seien keine in diese Richtung weisenden Beweisergebnisse zu entnehmen, keinen Mangel im Sinn der Z 5 auf. Sie vernachlässigt zudem die gebotene (RIS-Justiz RS0119370) Bezugnahme auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl US 10). Dass diese Erwägungen gegen die Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze verstießen (vgl RIS‑Justiz RS0118317), vermag das weitere Vorbringen (der Sache nach Z 5 vierter Fall) nicht aufzuzeigen.
[5] Urteilsannahmen zum von der Rüge angesprochenen Tatmotiv sind weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage von Bedeutung und bilden daher keinen zulässigen Bezugspunkt der Mängelrüge (RIS‑Justiz RS0117499).
[6] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht mit ihrem Argument, die Bezirkshauptmannschaft G* sei (örtlich) für die Bearbeitung des vom Beschwerdeführer gestellten Antrags auf „Führerscheinerweiterung ('E' zu 'B')“ (gemeint: Ausdehnung einer Lenkerberechtigung auf andere Klassen) örtlich nicht zuständig gewesen (vgl § 5 Abs 1 FSG) nicht vom Urteilssachverhalt aus (vgl aber RIS‑Justiz RS0099810). Einen Feststellungsmangel macht sie in diesem Zusammenhang nicht prozessordnungsgemäß geltend (vgl zu den Voraussetzungen RIS‑Justiz RS0118580).
[7] Im Übrigen legt sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz (§ 6 Abs 1 AVG; näher dazu Hengstschläger/Leeb, AVG § 6 Rz 10 ff) abgeleitet dar (vgl aber RIS‑Justiz RS0116565), weshalb die Einbringung des ärztlichen Gutachtens bei einer (örtlich) unzuständigen Behörde für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung sei.
[8] Davon abgesehen erschöpft sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) in einer Bekämpfung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (vgl § 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.
Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten G* H* und S* H*:
[9] Soweit auch G* H* zu II/1/ die Feststellung zur Initiative des Mitangeklagten B* mit dem Ziel, „dieses Gutachten verschwinden zu lassen“ (US 5), kritisiert, spricht er keine für ihn entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0117264 [T5]), die aber den gesetzlichen Bezugspunkt der in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgründe (Z 5 und 5a) bildet (RIS‑Justiz RS0117499, RS0118780; vgl im Übrigen [zum Erfordernis gesonderter Darstellung von Nichtigkeitsgründen] RIS‑Justiz RS0115902).
[10] Mit dem bloßen Einwand fehlender Beweisergebnisse für die Konstatierungen zum Inhalt des zwischen F* und dem Beschwerdeführer geführten Gesprächs (also zu dessen Bestimmungshandlung) verfehlt die Tatsachenrüge (Z 5a) die prozessförmige Darstellung (RIS‑Justiz RS0128874). Gleiches gilt für das weitere, in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen, das die beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung bekämpft.
[11] Die Subsumtionsrüge (Z 10, der Sache nach Z 9 lit a) entfernt sich mit ihrem Argument, die Löschung einer irrtümlich einer unzuständigen Behörde übermittelten Eingabe stelle weder Befugnisfehlgebrauch noch überhaupt ein „Amtsgeschäft in Vollziehung der Gesetze“ dar, vom Urteilssachverhalt (vgl aber RIS‑Justiz RS0099810; zu den verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorgaben vgl im Übrigen den obigen Hinweis zur Nichtigkeitsbeschwerde des Mitangeklagten sowie RIS-Justiz RS0095963).
[12] Indem G* H* und S* H* zu II/2/ (nominell im Rahmen der Mängelrüge) kritisieren, Letztere hätte an der Bestimmung von F* zum Missbrauch der Amtsgewalt nicht mitgewirkt, weshalb es „umso unlogischer“ sei, dass sie von ihrem Vater dafür eine Belohnung „erhalten haben soll“, nehmen sie nicht Bezug auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl aber RIS-Justiz RS0119370), welchen unmissverständlich zu entnehmen ist, dass die gegenständlichen 100 Euro nicht als Vorteil für die Beschwerdeführerin (insbesondere im Zusammenhang mit einem von dieser vorgenommenen Amtsgeschäft), sondern für F* gedacht gewesen seien (US 6 f, 11 f und 18). Sollte dieses (unklare) Vorbringen als Hinweis darauf gemeint sein, dass S* H* das ihr angelastete Verhalten erst nach Löschung der Eingabe durch F* gesetzt habe, ist darauf zu verweisen, dass § 307 Abs 1 StGB (wie hier) auch das Anbieten (Versprechen oder Gewähren) eines Vorteils für die bereits (in der Vergangenheit) erfolgte Vornahme oder Unterlassung eines pflichtwidrigen Amtsgeschäfts erfasst (vgl [zu §§ 304 und 307a StGB] RIS‑Justiz RS0095972).
[13] Die zu diesem Punkt ausgeführte Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich – wie bereits oben (zu Punkt II/1/) ausgeführt, unzulässig – einerseits im Verweis auf das Vorbringen der Mängelrüge und andererseits in der Behauptung fehlender Beweisergebnisse für die kritisierte Feststellung.
[14] Die Subsumtionsrüge (Z 10, der Sache nach Z 9 lit a) leitet die Behauptung, der Tatbestand der Bestechung setze eine Verknüpfung des Vorteils mit einem „Handeln des Beamten innerhalb der Hoheitsverwaltung“ voraus, nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl aber RIS‑Justiz RS0116565 und im Übrigen [zu § 304 StGB] RS0095954).
[15] Gleiches gilt für den Einwand, „eine einmalige Einladung zu einem Mittagessen“ sei „kein geldwerter Vorteil im Sinne der Bestechung“, der übergeht, dass § 307 (anders als §§ 307a und 307b) StGB keine Einschränkung des Vorteilsbegriffs (etwa nach Geringwertigkeit) enthält (vgl im Übrigen Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 307 Rz 18 iVm § 304 Rz 34 f; Hauss/Komenda, SbgK § 307 Rz 31).
[16] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[17] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
[18] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
[19] Bleibt anzumerken, dass die vom Erstgericht ins Spiel gebrachte Verletzung von § 31 Abs 1 Stmk L-DBR (US 2 und 7) ohne Aussagekraft für die Annahme im Sinn des § 302 Abs 1 StGB tatbildlichen Befugnisfehlgebrauchs ist. Dieser kann sich vorliegend nur aus der Verletzung verwaltungsverfahrensrechtlicher Handlungspflichten (vgl etwa §§ 13 und 39 Abs 2, allenfalls auch § 6 Abs 1 AVG), nicht aber der genannten dienstrechtlichen Vorschrift allein ergeben, weil diese ihrerseits auf die „Beachtung der geltenden Rechtsordnung“ allgemein abstellt und über (fehlerhaften) Gebrauch einer Befugnis zu hoheitlichem Verwaltungshandeln nichts aussagt.
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