OGH 11Os83/25b

OGH11Os83/25b3.10.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der RechtspraktikantinSchurich LL.M., LL.M. als Schriftführerin in der Strafsache gegen * R* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 315 Hv 56/24v des Landesgerichts Korneuburg, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts als Schöffengericht vom 13. Juni 2024 (ON 169.4) und mehrere Beschlüsse erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Schneider LL.M., zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0110OS00083.25B.1003.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

Im Verfahren AZ 315 Hv 56/24v des Landesgerichts Korneuburg verletzen

1) das Urteil dieses Gerichts als Schöffengericht vom 13. Juni 2024 (ON 169.4)

- im Schuldspruch A § 28a Abs 1 erster und dritter Fall SMG sowie

- im Verfallserkenntnis § 20 Abs 3 StGB und § 270 Abs 4 Z 2 StPO;

2) die Beschlüsse vom 21. März 2025 (ON 190.1) und vom 7. April 2025 (ON 198.1) jeweils § 115f Abs 1 StPO iVm § 210 Abs 3 StPO sowie § 115 Abs 1 Z 3 StPO iVm § 210 Abs 3 StPO.

Das angeführte Urteil, das sonst unberührt bleibt, wird im Verfallserkenntnis aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Die bezeichneten Beschlüsse werden (ersatzlos) aufgehoben.

 

Gründe:

[1] Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem, in gekürzter Form ausgefertigtem (§ 270 Abs 4 StPO) Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 13. Juni 2024 (ON 169.4) wurde * R*„des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG“ (A), des Verbrechens des unerlaubten Umgangs mit Drogenausgangsstoffen nach § 32 Abs 3 zweiter Fall SMG (B) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (C) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

[2] Zudem wurde „[g]emäß § 20 Abs 1 und Abs 3 StGB“ ein Geldbetrag von 33.317,91 Euro für verfallen erklärt (US 3).

[3] Nach dem Referat der entscheidenden Tatsachen und der Darstellung der als erwiesen angenommenen Tatsachen zum Schuldspruch A hat * R* von Anfang 2020 bis zum 31. März 2021 in W* und Wa* vorschriftswidrig 2.345 Gramm 4‑Methyl‑Methcathinon („Mephedron“) erzeugt und zumindest 1.170 Gramm 4‑Methyl‑Methcathinon („Mephedron“) nach Neuseeland ausgeführt.

[4] Dass er einen Vermögenswert durch oder für eine mit Strafe bedrohte Handlung erlangte, ist der Urteilsausfertigung nicht zu entnehmen.

[5] Mit Beschlüssen vom 21. März 2025 (ON 190.1) und vom 7. April 2025 (ON 198.1) ordnete die Vorsitzende (jeweils zu I) gemäß „§ 109 Z 2a StPO, § 115f Abs 1 und Abs 2 StPO“ die Beschlagnahme mehrerer USB‑Sticks und eines „Bitcoin‑Tresor‑Stick[s]“ (gemeint: eines Hardware‑Wallet der Marke Ledger „Trezor“ [vgl ON 192.1 und ON 212 S 4]) und der darauf gespeicherten Daten zum Zweck der Auswertung der Daten sowie (jeweils zu II [zusätzlich]) „gem. § 110 Abs 1, Abs 2 StPO die Sicherstellung“ der Datenträger an.

[6] Begründend führte sie aus, dass bislang lediglich 475 Euro des für verfallen erklärten Betrags von 33.317,91 Euro hätten hereingebracht werden können. „Auf dem Bitcoin‑Tresor‑Stick“ befänden sich nach der Verdachtslage 750.000 Euro (ON 190.1 S 2 f; ON 198.1 S 2 f). Die Beschlagnahme sei „zur Aufklärung der Straftat“ erforderlich und diene „der Sicherung des rechtskräftig ausgesprochenen Verfalls“, wobei als Dateninhalte (vgl § 115f Abs 3 StPO) in den Beschlüssen „Zugangs‑ und Verfügungsdaten über Kryptovermögen“ (ON 190.1 S 2; ON 198.1 S 2) angeführt werden.

[7] Die gesondert angeordnete „Sicherstellung“ der Gegenstände sei zur Sicherung des Verfalls von 33.317,91 Euro (§ 110 Abs 1 Z 3 StPO) erforderlich und verhältnismäßig.

Rechtliche Beurteilung

[8] Das Urteil sowie die beiden Beschlüsse stehen, wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

[9] 1) § 28a Abs 1 SMG stellt in den in Rede stehenden Begehungsweisen ein kumulatives Mischdelikt dar, sodass Erzeugen und Ausführen von Suchtgift verschiedene strafbare Handlungen begründen, die miteinander echt konkurrieren (RIS‑Justiz RS0116676 [T7]). Die zusammenfassende Unterstellung der Taten zum Schuldspruch A unter ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach „§ 28a Abs 1 erster und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG“ – anstelle der Subsumtion als (jeweils) ein Verbrechen nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und nach § 28a Abs 1 dritter Fall, Abs 2 Z 3 SMG – ist daher verfehlt.

[10] 2) (Auch) Ein Verfallsausspruch nach § 20 Abs 3 StGB setzt voraus, dass durch oder für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung ein Vermögenswert erlangt wurde (vgl Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20 Rz 48). In einer gekürzten Urteilsausfertigung sind die die Erfüllung dieser Voraussetzung zum Ausdruck bringenden, für die Befugnis zur Anordnung des Verfalls solcherart maßgebenden Umstände gemäß § 270 Abs 4 Z 2 StPO (iVm § 443 Abs 3 StPO) zumindest schlagwortartig festzuhalten (vgl 13 Os 17/25m [Rz 9] mwN; siehe auch 13 Os 49/21m, 50/21h [Rz 15]).

[11] Da dies unterblieb, verletzt das Urteil in seinem (trotz fehlender Nennung im Verfallsausspruch [vgl dazu RIS‑Justiz RS0134391 {T4}] erkennbar) gegen den Angeklagten * R* ergangenen Verfallserkenntnis sowohl § 20 Abs 3 StGB als auch § 270 Abs 4 Z 2 StPO.

[12] 3) Die Vollstreckung eines Ausspruchs über den Verfall eines Geldbetrags nach § 20 Abs 3 StGB richtet sich nach den Bestimmungen des § 409 StPO (und in weiterer Folge nach den Regelungen des GEG). In § 409 Abs 2 zweiter Satz StPO sind als (im kollegialgerichtlichen Verfahren vom Vorsitzenden [§ 32 Abs 3 StPO] anzuordnende) Zwangsmaßnahmen zum Auffinden von Vermögenswerten zur Vollstreckung eines Verfallsausspruchs – somit nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils (vgl Lässig, WK‑StPO § 409 Rz 3/1) – einzig die Auskunft aus dem Kontenregister und die Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte (§§ 116, 210 Abs 3 StPO) angeführt.

[13] Davon abgesehen ist die Beschlagnahme (§ 109 Z 2a StPO) von Datenträgern und Daten gemäß § 115f Abs 1 StPO selbst im Ermittlungs‑ und (§ 210 Abs 3 StPO) im Hauptverfahren (nur) zulässig, wenn sie aus Beweisgründen erforderlich scheint und aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dadurch Informationen ermittelt werden können, die für die Aufklärung einer Straftat wesentlich sind. Dementsprechend sind in der Anordnung der Beschlagnahme (unter anderem) auch die Tatsachen anzuführen, aus denen sich ergibt, dass diese Zwangsmaßnahme zur Aufklärung der Tat voraussichtlich erforderlich und verhältnismäßig ist (§ 115f Abs 3 StPO).

[14] Vorliegend ordnete die Vorsitzende (jeweils zu I) die Beschlagnahme (§ 109 Z 2a StPO) von Datenträgern und Daten an, obwohl das Verfahren bereits durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossen war und die Aufklärung einer Straftat – der substanzlosen Verwendung der verba legalia in den Beschlüssen zuwider (ON 190.1 S 3; ON 198.1 S 3) – nicht (mehr) in Rede stand.

[15] Eine (hier der Sache nach zufolge gerichtlicher Entscheidung auf Begründung einer Sicherstellung angeordnete) Beschlagnahme nach § 109 Z 2 lit a StPO (jeweils zu II) kommt nach Rechtskraft des Verfallsausspruchs ebenfalls nicht (mehr) in Betracht, weil diese Zwangsmaßnahme nur (soweit hier relevant) zwecks Sicherung eines hinkünftigen Verfallsausspruchs (§ 115 Abs 1 Z 3 StPO; „[…] voraussichtlich dazu dienen werden, eine gerichtliche Entscheidung […] auf Verfall […] zu sichern“) statthaft ist. Eine § 409 Abs 2 zweiter Satz iVm §§ 116, 210 Abs 3 StPO entsprechende (Ausnahme‑)Regelung hat der Gesetzgeber nicht normiert.

[16] Der zu 1) aufgezeigte Fehler wirkt sich nicht zum Nachteil des Verurteilten aus, sodass es insoweit mit der Feststellung der Gesetzesverletzung sein Bewenden hat (§ 292 vorletzter Satz StPO).

[17] Bezüglich der zu 2) und 3) aufgezeigten Gesetzesverletzungen ist hingegen nicht auszuschließen, dass diese zum Nachteil des Verurteilten wirken. Daher sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung wie aus dem Spruch ersichtlich mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

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