European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0120OS00062.25X.0701.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Linz vom 17. Jänner 2024, GZ 34 Hv 156/23d‑13, verletzt
1./ im Schuldspruch B./I./ in Ansehung der von der „Sparkasse“ ausgestellten Bankomatkarte der * B* sowie im Schuldspruch B./II./ § 241e Abs 1 StGB;
2./ in den Schuldsprüchen D./ § 241e Abs 3 StGB.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch B./I./ im Umfang der von der „Sparkasse“ ausgestellten Bankomatkarte der * B*, im Schuldspruch B./II./ sowie in den Schuldsprüchen D./, demzufolge auch im Strafausspruch, ebenso aufgehoben wie der zugleich gefasste Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO.
* A* wird von der wider ihn erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, er habe unbare Zahlungsmittel, über die er nicht oder nicht allein verfügen darf,
B./ sich mit dem Vorsatz verschafft, dass er oder ein Dritter durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde, und zwar
I./ am 16. August 2023 eine Bankomatkarte („Sparkasse“) der * B*,
II./ am 23. September 2023 die Bankomatkarte des G* M* O*;
D./ mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt, indem er sich
I./ zwei Bankomatkarten der * B* („Sparkasse“ und „Raiffeisenbank“) nach der letzten „Zahlung“ am 16. August 2023 um 10:00 Uhr behielt, bis er sie später am selben Tag in einen Postkasten warf,
II./ die zu B./II./ genannte Bankomatkarte nach der letzten Zahlung am 23. September 2023 um 12:53 Uhr behielt und am 26. September 2023 in einen Postkasten warf.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Linz verwiesen.
Gründe:
[1] Mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Linz vom 17. Jänner 2024, GZ 34 Hv 156/23d‑13, wurde * A* des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 3 StGB (A./), der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 (zu ergänzen:) erster Satz StGB (B./), des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 StGB (C./), der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (D./) und der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (E./) schuldig erkannt und hierfür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
[2] Danach hat er in L*
A./ anderen fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, und zwar
I./ am 16. August 2023 * B* eine Geldbörse samt dem darin befindlichen Bargeld in Höhe von 120 Euro;
II./ am 23. September 2023 H* M* O* eine Geldbörse;
III./ durch Einbruch, indem er eine Sperrvorrichtung mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel aufbrach, nämlich
1./ am 16. August 2023 dem Gewahrsamsträger der Trafik S* Zigaretten, indem er diese mit einer der zuvor im Zuge des Faktums B./I./ entfremdeten Bankomatkarten („Sparkasse“) bezahlte;
2./ am 23. September 2023 dem Gewahrsamsträger der Trafik M* Zigaretten, indem er diese mit der zuvor im Zuge des Faktums B./II./ entfremdeten Bankomatkarte bezahlte;
B./ sich nachfolgende unbare Zahlungsmittel, über die er nicht oder nicht allein verfügen darf, mit dem Vorsatz verschafft, dass er oder ein Dritter durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde, indem er
I./ am 16. August 2023 zwei Bankomatkarten („Sparkasse“ und „Raiffeisenbank“) der * B* wegnahm;
II./ am 23. September 2023 die Bankomatkarte („Sparkasse“) des G* M* O*;
C./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Täuschung über Tatsachen unter Benutzung entfremdeter unbarer Zahlungsmittel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diese am Vermögen schädigten, und zwar
I./ am 16. August 2023, indem er Verfügungsberechtigte der Trafik S* durch Verwendung der entfremdeten Bankomatkarte („Sparkasse“) der * B* (B./I./) und damit durch die konkludente Behauptung, über diese Bankomatkarte verfügungsberechtigt zu sein, dazu verleitete, bei insgesamt drei Zahlungen die NFC (Near Field Communication) – Bezahlfunktion zu aktivieren und Waren im Wert von 109,50 Euro auszufolgen;
II./ am 23. September 2023, indem er Verfügungsberechtigte der J* Tankstelle durch Verwendung der entfremdeten Bankomatkarte des G* M* O* (B./II./) und damit durch die konkludente Behauptung, über diese Bankomatkarte verfügungsberechtigt zu sein, dazu verleitete, bei insgesamt zwei Zahlungen die NFC (Near Field Communication) – Bezahlfunktion zu aktivieren und Waren im Wert von 79,50 Euro auszufolgen;
D./ sich nachfolgende unbare Zahlungsmittel, über die er nicht oder nicht allein verfügen darf, mit dem Vorsatz, dessen Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, „vernichtet, beschädigt oder“ unterdrückt, indem er
I./ die weggenommenen Bankomatkarten der * B* (B./I./) „nach der letzten Zahlung am 16. August 2023 um 10:00 Uhr“ behielt, bis er sie später am selben Tag in einen Postkasten warf;
II./ die weggenommene Bankomatkarte des G* M* O* (B./II./) „nach der letzten Zahlung am 23. September 2023 um 12:53 Uhr“ behielt und anschließend am 26. September 2023 in einen Postkasten warf;
E./ Urkunden, über die er nicht oder nicht allein verfügen darf, mit dem Vorsatz, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, „vernichtet, beschädigt oder“ unterdrückt, und zwar
I./ die E‑Card der * B*, die sich in der weggenommenen Geldbörse (A./I./) befand, indem er sie am 16. August 2023 an sich nahm und bis er sie später am selben Tag in einen Postkasten warf, behielt;
II./ jeweils die Aufenthaltstitel und die E‑Cards des E* M* O*, des M* M* O*, des A* M* O* sowie der H* M* O*, die sich in der weggenommenen Geldbörse (A./II./) befanden, indem er sie am 23. September 2023 an sich nahm und bis 26. September 2023 behielt.
[3] Zugleich mit diesem Urteil fasste das Landesgericht Linz den Beschluss, gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die * A* zu AZ 27 Hv 99/18p des Landesgerichts Linz gewährte bedingte Nachsicht zu widerrufen und vom Widerruf der zu AZ 20 Hv 21/22x des Landesgerichts Linz gewährten bedingten Nachsicht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO abzusehen.
Rechtliche Beurteilung
[4] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde im Ergebnis zutreffend aufzeigt, steht das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Linz vom 17. Jänner 2024, GZ 34 Hv 156/23d‑13, mit dem Gesetz nicht im Einklang:
[5] Vorauszuschicken ist, dass bei tateinheitlicher Entfremdung mehrerer unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Fall und Abs 3 StGB von gleichartiger Idealkonkurrenz auszugehen ist (vgl 13 Os 145/04; 13 Os 53/06b; RIS‑Justiz RS0118718 [T1, T2]).
[6] Die Tatbestände nach § 241e Abs 1 erster Fall StGB und nach Abs 3 leg cit stehen grundsätzlich zueinander im Verhältnis der Exklusivität, weil ein auf Verwendung im Rechtsverkehr (Abs 1 erster Fall) und ein auf Verhinderung einer solchen (Abs 3) gerichteter Vorsatz (zur selben Zeit und in Bezug auf dasselbe Tatobjekt) begrifflich ausgeschlossen ist (13 Os 145/04 = RIS‑Justiz RS0119778; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 241e Rz 8; Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB15 § 241e Rz 12; aA Mitgutsch, Entscheidungsanmerkung, JSt 2005/42, 201). Ändert aber der Täter nach Abs 1 erster Fall später seinen Vorsatz dahin, dass er in weiterer Folge unterdrückt (Abs 3), treten diese Tatbestände zueinander in scheinbare Realkonkurrenz: Abs 3 wird in diesem Fall von Abs 1 als straflose „Nachtat“ konsumiert (13 Os 145/04 = RIS‑Justiz RS0119779; Oshidari, SbgK § 241e Rz 65).
[7] Beide Fälle einer Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB stellen selbständig vertypte Vorbereitungshandlungen dar, deren eigenständiger Deliktsunwert (grundsätzlich) im Allgemeinen auch im Fall einer der Entfremdung zeitlich nachfolgenden Begehung eines Vermögensdeliktes unter Benützung des unbaren Zahlungsmittels fortbesteht (keine stillschweigende Subsidiarität). Diese Annahme echter (ungleichartiger) Konkurrenz des Vergehens nach § 241e Abs 1 StGB zu später begangenen Vermögensdelikten liegt auch in der Unterschiedlichkeit der geschützten Rechtsgüter begründet, weil die Entfremdung eines unbaren Zahlungsmittels einen Angriff auf die Sicherheit des Rechts- und Zahlungsverkehrs mit unbaren Zahlungsmitteln darstellt, während die spätere missbräuchliche Verwendung dieses Zahlungsmittels gegen fremdes Vermögen gerichtet ist (RIS‑Justiz RS0119780).
[8] Bei nachfolgend betrügerischer Benützung des entfremdeten unbaren Zahlungsmittels wird § 241e Abs 1 erster Fall StGB durch §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB im Wege stillschweigender Subsidiarität verdrängt (RIS‑Justiz RS0119780 [ab T1], RS0120530; Oshidari, SbgK § 241e Rz 53).
[9] Daraus ergibt sich zusammengefasst, dass § 241e Abs 3 StGB (soweit nicht von Exklusivität auszugehen ist) von § 241e Abs 1 erster Fall StGB konsumiert wird, während diese Bestimmung ihrerseits wieder zu §§ 146, 147 Abs 1 zweiter Fall StGB subsidiär ist. Dass die verdrängende strafbare Handlung (§ 241 Abs 1 erster Fall StGB) hinter eine andere (§§ 146, 147 Abs 1 zweiter Fall StGB) zurücktritt, bildet im Übrigen keinen Grund für ein „Wiederaufleben“ der verdrängten Norm (hier: § 241e Abs 3 StGB; vgl dazu Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 70 ff).
[10] Nach dem – bei gekürzter Urteilsausfertigung insoweit maßgeblichen (RIS‑Justiz RS0125764 [T4]) – Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) hat der Verurteilte eine der beiden laut den Schuldsprüchen B./I./ verschafften sowie die laut Schuldspruch B./II./ entfremdete Bankomatkarte im unbaren Zahlungsverkehr betrügerisch verwendet (C./) und sodann sämtliche Zahlungskarten ([erkennbar] nach Änderung des vorerst auf § 241e Abs 1 erster Fall StGB ausgerichteten Vorsatzes in Richtung eines solchen im Sinne des Abs 3 leg cit) „nach der letzten Zahlung“ behalten und anschließend in Postkästen geworfen (D./).
[11] Indem das Erstgericht entgegen dem Vorgesagten von echter Konkurrenz ausgegangen ist, verletzen der Schuldspruch B./I./ in Ansehung der von der „Sparkasse“ ausgestellten Bankomatkarte der * B* und der Schuldspruch B./II./ § 241e Abs 1 erster Fall StGB sowie die Schuldsprüche D./ § 241e Abs 3 StGB.
[12] Die aufgezeigten Gesetzesverletzungen gereichten dem Verurteilten zum Nachteil, weshalb mit darauf bezogener Urteilskassation vorzugehen und die im Spruch ersichtlichen (entgegen der Ansicht der Generalprokuratur sich auch auf B./I./ und B./II./ beziehenden) Freisprüche zu fällen waren (§ 292 letzter Satz StPO). Die von der Urteilsaufhebung rechtslogisch abhängigen Entscheidungen und Verfügungen gelten gleichermaßen als beseitigt (RIS‑Justiz RS0100444).
[13] Da der Verurteilte zum Gerichtstag nicht erschienen ist, war wie im Spruch ersichtlich vorzugehen.
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