OGH 12Os138/24x

OGH12Os138/24x9.1.2025

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Jänner 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Haslwanter LL.M., Dr. Sadoghi und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Prieth in der Strafsache gegen * K* und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 (iVm Abs 1 Z 1), 130 Abs 1 erster Fall und Abs 2 zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall), 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 38 Hv 34/24a des Landesgerichts Krems an der Donau, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 20. Juni 2024, GZ 38 Hv 34/24a‑94.7, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Schreiber LL.M., zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0120OS00138.24X.0109.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Im Verfahren AZ 38 Hv 34/24a des Landesgerichts Krems an der Donau verletzt das Urteil des genannten Gerichts vom 20. Juni 2024

1) im Schuldspruch der beiden Angeklagten zu I und II § 29 StGB und

2) im Verfallserkenntnis § 20 Abs 3 StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Verfallserkenntnis (zur Gänze) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 20. Juni 2024, GZ 38 Hv 34/24a‑94.7, wurden * K* und * Kr* jeweils des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach „§§ 127, 129 Abs 1 Z 1 und Abs 1 Z 1 StGB“ [wohl gemeint: §§ 127, 129 Abs 2 Z 1 iVm Abs 1 Z 1 StGB] (I/B), des Verbrechens des [schweren] gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 erster Fall, Abs 2 zweiter Fall, 15 StGB (II/A), des „Verbrechens“ (richtig: Vergehens) des [schweren] gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 130 Abs 1 erster Fall, 15 StGB (II/B bis II/F und I/A), der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (III) sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (IV) schuldig erkannt.

[2] „Gemäß § 20 Abs 3 StGB“ erklärte das Gericht einen „Wertersatz in Höhe von 18.000 Euro für verfallen“ und verpflichtete „die beiden Angeklagten zur Zahlung dieses Geldbetrags zur ungeteilten Hand“ (US 6 f).

[3] Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben die Genannten – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes von Bedeutung – (zu I und II) zwischen 15. Jänner und 8. Februar 2024 in G* und an anderen Orten Österreichs in 28 (auf US 1 bis 5 im Einzelnen dargestellten) Angriffen fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert den im Urteil genannten Personen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen oder wegzunehmen versucht (US 8), wobei sie die Diebstähle und die Diebstähle nach § 129 Abs 1 Z 1 StGB in der Absicht begingen, sich durch ihre wiederkehrende Begehung über einen Zeitraum von mehreren Wochen ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen, das nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro übersteigt, zu verschaffen (US 8 ff).

Rechtliche Beurteilung

[4] Dieses Urteil verletzt – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt – in mehrfacher Hinsicht das Gesetz:

[5] 1) Nach dem Zusammenrechnungsprinzip des § 29 StGB sind alle demselben Täter in einem Verfahren zur Last liegenden Diebstähle, mögen sie auch weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen oder jeder für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung zu einer Subsumtionseinheit zusammenzufassen (RIS‑Justiz RS0114927; Ratz in WK² StGB § 29 Rz 6).

[6] Indem das Schöffengericht die den Angeklagten (jeweils) zu I und II des Schuldspruchs angelasteten Diebstähle im Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO nicht nach § 29 StGB zu einer Subsumtionseinheit zusammenfasste, verletzte es das Gesetz in § 29 StGB.

[7] Dieser Rechtsfehler hat die Angeklagten über die unrichtige Lösung der Rechtsfrage hinaus in concreto nicht benachteiligt. Denn auch bei rechtsrichtiger Subsumtion liegt der angenommene Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB vor und wertete das Schöffengericht nicht die mehrfache Tatbegehung schlechthin, sondern die „über die Gewerbsmäßigkeit hinausgehende“ (US 10 f) Tatwiederholung zu I und II als erschwerend, sohin Umstände, die weiterhin aggravierend ins Gewicht fallen (vgl RIS‑Justiz RS0091375 [T6], RS0114927; Ratz in WK‑StPO § 290 Rz 24). Insoweit bestand kein Anlass für ein Vorgehen nach § 292 letzter Satz StPO.

[8] 2) Zudem steht auch der Verfallsausspruch mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[9] Nach § 20 Abs 1 StGB hat das Gericht alle Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären. Dieser Verfall erstreckt sich nach § 20 Abs 2 StGB auch auf Nutzungen und Ersatzwerte der unter Abs 1 beschriebenen Vermögenswerte, so etwa auf den aus dem Verkauf des erbeuteten Diebesgutes lukrierten Erlös (Fuchs/Tipold in WK² StGB § 20 Rz 40 f).

[10] Nach § 20 Abs 3 StGB ist ein Geldbetrag für verfallen zu erklären, der den nach Abs 1 und Abs 2 erlangten Vermögenswerten entspricht, wenn die dem Verfall nach Abs 1 oder 2 unterliegenden Vermögenswerte nicht sichergestellt oder beschlagnahmt sind.

[11] Vorliegend erklärte das Schöffengericht (im Übrigen trotz tatsächlich erfolgter und aus dem Akt ersichtlicher [vgl ON 46.10, ON 46.19, 2 und ON 64 iVm ON 94.6, 21] Sicherstellung auch von Bargeld) nach § 20 Abs 3StGB einen „Wertersatz“ in Höhe von 18.000 Euro für verfallen und verpflichtete die beiden Angeklagten zur Zahlung dieses Geldbetrags zur ungeteilten Hand (US 6 f).

[12] Sind Vermögenswerte – wie hier – zwei Personen zugekommen (US 10), so ist bei jedem Empfänger aber nur der dem jeweils tatsächlich rechtswidrig erlangten Vermögenswert entsprechende Betrag für verfallen zu erklären. Die vom Schöffengericht ausgesprochene Solidarhaftung ist hingegen nicht vorgesehen (RIS‑Justiz RS0129964; vgl Fuchs/Tipold in WK² StGB § 20 Rz 35 mwN). Vielmehr wäre (jeweils) dem einzelnen Empfänger ein entsprechender, betraglich bestimmter (Teil des) Wertersatz(es) zuzuordnen gewesen (11 Os 43/23t [Rz 13]). Tatsachenfeststellungen, die eine solche Zuordnung ermöglichen würden, enthält das angefochtene Urteil ebenso wenig. Damit wurde insoweit keine ausreichende Entscheidungsbasis für einen Ausspruch des Verfalls nach § 20 Abs 3 StGB geschaffen.

[13] Aufgrund nachteiliger Auswirkungen dieser Gesetzesverletzung für die Angeklagten sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

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