OGH 13Os41/24i

OGH13Os41/24i9.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Faulhammer LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * A* und andere Angeklagte wegen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * N* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 7. März 2024, GZ 24 Hv 124/23a‑496, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00041.24I.1009.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Schlepperei/FPG

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten * N* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * N* des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPG (20 und 22) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 23. und am 25. Juni 2022 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen (teils mitangeklagten) Mitgliedern einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise und Durchreise von Fremden in und durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem er zunächst 17 Drittstaatenangehörige und danach 34 Drittstaatenangehörige mit verschiedenen Schlepperfahrzeugen, begleitet von weiteren durch andere Mitglieder der kriminellen Vereinigung gelenkten Fahrzeugen, von der Slowakei über Österreich nach Italien verbrachte, wobei er diese Taten (unter Erfüllung der Kriterien der Z 1 des § 70 Abs 1 StGB) gewerbsmäßig, in Bezug auf mindestens drei Fremde, als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und auf eine Art und Weise beging, durch die die Fremden längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden, weil sie in Laderäumen von Kastenwägen oder Klein-LKW im Dunkeln, ohne Sitze sowie Sicherheitseinrichtungen und bei fehlender Versorgung mit ausreichend Luft und Wasser über mehrere Stunden ausharren mussten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * N*.

[4] Soweit die Mängelrüge (Z 5) Begründungsmängel behauptet, aber nicht die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt, verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Darstellung (RIS‑Justiz RS0119370).

[5] Die Urteilsaussage, dass der Beschwerdeführer die im Urteil beschriebenen Schleppereien im Rahmen der Ausrichtung der kriminellen Vereinigung begangen habe (US 7 und 10 f), und die Konstatierung des Erstgerichts, wonach er genau dadurch die zum Zweck der Schlepperei gegründete kriminelle Vereinigung weiter fördern wollte (US 7), können sehr wohl ohne Verstoß gegen Denkgesetze und grundlegende Erfahrungssätze nebeneinander bestehen, ein Widerspruch im Sinn der Z 5 dritter Fall liegt somit nicht vor (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 438 f).

[6] Undeutlich im Sinn der Z 5 erster Fall (dazu RIS‑Justiz RS0117995) sind diese Feststellungen ebenso wenig.

[7] Die Angaben des Beschwerdeführers zum Ablauf der (von ihm zugestandenen) Schlepperfahrten sowie zu seinen Kontakten zu den weiteren Beteiligten (ON 494 S 12 ff) blieben vom Schöffengericht keineswegs unberücksichtigt im Sinn der Z 5 zweiter Fall (US 16 f).

[8] Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (insbesondere auch zur gewerbsmäßigen Intention, US 11) aus dem (zugestandenen) objektiven Tatgeschehen (US 18 iVm 16 f) nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671 und RS0116882).

[9] Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) aus Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse ableitet als das Erstgericht, wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[10] Welche über die getroffenen Feststellungen zur Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung hinausgehenden Konstatierungen (US 7 und 10 f) die Rüge (Z 10) zur Subsumtion nach § 114 Abs 4 erster Fall FPG vermisst, macht sie nicht deutlich. Solcherart entzieht sich das Vorbringen einer inhaltlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0116565).

 

[11] Der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider verstößt die Berücksichtigung, dass der Beschwerdeführer „der unmittelbare Lenker“ der Schlepperfahrzeuge und damit „direkt verantwortlich für das Leben der Fremden war“, als erschwerend (US 19), nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 erster Satz StGB, weil der angesprochene Umstand nicht den anzuwendenden Strafsatz bestimmt (RIS‑Justiz RS0130193).

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[13] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei hinzugefügt, dass die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zu Recht aufzeigt, dass dem unangefochten gebliebenen Schuldspruch des Mitangeklagten A* (13, 14 und 17) zwar Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) anhaften, diese aber mit keinem Nachteil für den Mitangeklagten verbunden sind, weil sie die Strafdrohung unberührt lassen und sich auch bei der Strafbemessung (US 19) nicht nachteilig auswirkten.

[14] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[15] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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