European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:010OBS00103.24F.1008.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sozialrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Verfahrens ist der Anspruch des Klägers auf einen Frühstarterbonus gemäß § 262a ASVG.
[2] Der im Dezember 1957 geborene Kläger erwarb bis zum Stichtag 1. Jänner 2023 387 Versicherungsmonate in Österreich und insgesamt 194 Beitragsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit in Polen.
[3] Vor dem Ende des 20. Lebensjahres arbeitete der Kläger in Polen mindestens 60 Monate und war dabei auch pensionsversichert. Inländische Versicherungsmonate vor dem Monatsersten nach Vollendung des 20. Lebensjahres liegen nicht vor.
[4] Mit Bescheid vom 5. April 2023 anerkannte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch des Klägers auf Alterspension und sprach aus, dass die Pension ab 1. Jänner 2023 2.026,49 EUR betrage. Ein Frühstarterbonus wurde dabei nicht berücksichtigt.
[5] Mit seiner Klage begehrt der Kläger, ihm ab 1. Jänner 2023 einen Frühstarterbonus und damit eine über 2.026,49 EUR hinausgehende Pension (im gesetzlichen Ausmaß) zu gewähren.
[6] Die Beklagte hielt dem entgegen, dass sich eine Zusammenrechnung von in unterschiedlichen Mitgliedstaaten erworbenen Versicherungszeiten nach der VO (EG) 883/2004 darauf beschränke, ob ein Rentenanspruch bestehe. Für die Bestimmung der Leistungshöhe habe eine Zusammenrechnung dagegen nicht zu erfolgen. Darauf aufbauend gebühre dem Kläger kein Frühstarterbonus, weil er im Zeitraum des § 262a Abs 1 ASVG in Österreich keine Beitragsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben habe.
[7] Das Erstgericht schloss sich der Ansicht der Beklagten an und wies die Klage ab.
[8] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Beim Frühstarterbonus handle es sich um eine Regelung über die Pensionshöhe, sodass der Pro-Rata-Temporis-Grundsatz zur Anwendung gelange. Nach diesem seien für die Berechnung des tatsächlichen Betrags der anteiligen Leistung (Art 52 Abs 1 lit b sublit ii VO [EG] 883/2004) ausschließlich Versicherungszeiten heranzuziehen, die nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden seien. Im Fall des Klägers seien für die Berechnung des Frühstarterbonus daher nur die im relevanten Zeitraum in Österreich erworbenen Beitragsmonate aus einer Erwerbstätigkeit relevant. Da solche nicht vorlägen, bestehe auch kein Anspruch auf einen Frühstarterbonus.
[9] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil zur Frage, ob ein Frühstarterbonus auch für ausschließlich in einem anderen Mitgliedsstaat erworbene Beitragsmonate aus einer Erwerbstätigkeit gebühre, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
[10] Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers mit dem Antrag, der Klage stattzugeben; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[11] Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[12] 1. Das Vorliegen einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RS0112769; RS0112921). Eine bei Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO verliert daher ihre Erheblichkeit, wenn sie durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zwischenzeitig geklärt wurde (RS0112769 [T12]; RS0112921 [T5]). Das ist hier der Fall.
[13] 2. Der Oberste Gerichtshof hat sich erst jüngst in der Entscheidung 10 ObS 83/23p ausführlich mit der Frage befasst, ob in anderen Mitgliedstaaten erworbene Versicherungszeiten Anspruch auf einen Frühstarterbonus vermitteln können, und kam dabei zu folgendem Ergebnis:
[14] Die Berechnung des Leistungsbetrags erfolgt nach Art 52 VO (EG) 883/2004 , was im Ergebnis dazu führt, dass der Frühstarterbonus stets in dem Betrag gebührt, der den in Österreich vor dem Monatsersten nach Vollendung des 20. Lebensjahres erworbenen Beitragsmonaten aufgrund einer Erwerbstätigkeit entspricht.
[15] 3. Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen damit im Einklang.
[16] Der im Anlassfall nach Art 52 Abs 1 lit b sublit i VO (EG) 883/2004 zunächst zu berechnende „theoretische Betrag“ entspricht dem Frühstarterbonus, auf den der Kläger Anspruch hätte, wenn alle von ihm im relevanten Zeitraum des § 262a Abs 1 ASVG zurückgelegten Beitragsmonate aufgrund einer Erwerbstätigkeit nach den österreichischen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären. Daraus würde sich zum Stichtag 1. Jänner 2023 (vgl BGBl II 2022/459) ein Frühstarterbonus im Maximalbetrag von 61,86 EUR ergeben.
[17] Im nächsten Schritt ist der „tatsächliche Betrag“ der anteiligen Leistung auf Grundlage des theoretischen Betrags nach der Pro-Rata-Temporis-Methode zu ermitteln (Art 52 Abs 1 lit b sublit ii VO [EG] 883/2004), wofür die in Österreich im Zeitraum des § 262a Abs 1 ASVG erworbenen Beitragsmonate zu den in diesem Zeitraum insgesamt erworbenen Beitragsmonaten in Relation zu setzen sind. Da der Kläger in der Zeit vor dem Monatsersten nach Vollendung des 20. Lebensjahres keine Beitragsmonate in Österreich erworben hat, beträgt die nach Art 52 VO (EG) 883/2004 ermittelte anteilige Leistung null. Er hat daher keinen Anspruch auf einen Frühstarterbonus.
[18] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)