European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00120.24A.0920.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.261,40 EUR (darin enthalten 376,90 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger ist Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft. Diese wurde im Jahr 2013 als „GmbH light“ mit einem Stammkapital von 10.000 EUR und „einer zur Hälfte bezahlten Stammeinlage“ gegründet. Das Stammkapital wurde mit Gesellschafterbeschluss vom 3. 12. 2020 auf 35.000 EUR erhöht.
[2] Eine Person, die zwar weder Gesellschafter noch Geschäftsführer, aber „Bevollmächtigter“ der schuldnerischen Gesellschaft war, hatte am 2. 12. 2020 von dem bei der beklagten Bank geführten Geschäftskonto der Schuldnerin am (selben) Schalter 30.000 EUR in bar abgehoben und diesen Betrag etwa drei Minuten später als Stammkapital in bar wieder auf das Geschäftskonto eingezahlt. Am selben Tag hatte die Beklagte unter dem Titel „Kapitalerhöhung – Bestätigung gemäß § 10 Ges.m.b.H.-Gesetz“ „zum Zweck der Vorlage beim Firmenbuchgericht“ eine Bestätigung darüber ausgestellt, dass auf diesem Konto ein Betrag in Höhe von 30.000 EUR „zum Zweck der Übernahme von Stammeinlagen“ einbezahlt worden sei, dieser Betrag endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführung der Schuldnerin stehe und die Geschäftsführung in der Verfügung über diesen Betrag nicht, namentlich nicht durch Gegenforderungen, beschränkt sei.
[3] Der Kläger begehrt von der Beklagten wegen fahrlässig unrichtig erteilter Bestätigung nach § 10 Abs 3 GmbHG aus dem Titel des Schadenersatzes 30.000 EUR.
[4] Das Berufungsgericht gabder Klage zur Gänze statt.Die Beklagte hafte für die gesamte Differenz zwischen bestätigter und tatsächlich erbrachter Leistung, also mit 30.000 EUR, zumal sie wegen der unmittelbar davor erfolgten Abhebung desselben Betrags Bedenken gegen die Richtigkeit ihrer Bestätigung hätte haben müssen.
Rechtliche Beurteilung
[5] Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Darstellung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO):
[6] 1. Die Bank haftet für die (Un‑)Richtigkeit (6 Ob 76/00w; 1 Ob 128/07s) ihrer Bestätigung nach § 10 Abs 3 GmbHG, wenn die Bestätigung schon im Zeitpunkt ihrer Ausstellung bedenklich war (siehe die Darstellung der Rechtsprechung in 3 Ob 99/08t GesRZ 2009, 35 [Lukas]; RS0059584; vgl auch van Husen in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG [127. Lfg 2021] § 10 Rz 473 ff [dieser sogar für verschuldensunabhängige Haftung eintretend in Rz 475]; Koppensteiner/Rüffler, GmbH-Gesetz3 § 10 Rz 29 [ebenso für verschuldensunabhängige Garantiehaftung]; A. Winkler/M. Winkler in Foglar-Deinhardstein/Aburumieh/Hoffenscher-Summer, GmbHG² [2024] § 10 Rz 25; Zollner in Gruber/Harrich, GmbHG² § 10 Rz 49 ff).
[7] 2. Der Umstand, dass ein völlig gleichartiger Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht entschieden wurde, begründet nicht das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (RS0107773). Gerade zur hier angesprochenen Haftung eines Kreditinstituts nach § 10 Abs 3 GmbHG wegen Unrichtigkeit seiner Bestätigung hat der Oberste Gerichtshof zu 3 Ob 99/08t bereits erläutert, dass eine erhebliche Rechtsfrage nicht vorliegt, wenn die für vergleichbare Sachverhalte entwickelten Grundsätze auf den konkreten Sachverhalt anwendbar sind und ohne groben Subsumtionsfehler angewendet wurden, wie dies auch hier der Fall ist.
[8] 3.1. Die Beklagte geht davon aus, dass die Bestätigung „nicht wahrheitswidrig“ erteilt worden sei. Dabei verkennt sie, dass es nicht darauf ankommt, ob formal vom Bevollmächtigten 30.000 EUR (tituliert) „als Stammeinlage“ bezahlt wurden, weil darin bloß der „formelle“ Zahlungszweck wiedergegeben wird. Maßgeblich ist, ob der Gesellschaft in dem Sinne Geldmittel als Stammeinlage „frei zur Vergügung“ standen, als ihr neue Mittel namens der Gesellschafter zugeführt wurden (vgl zum Fehlen „freier Verfügbarkeit“, wenn die Gesellschaft selbst für diesen Betrag haftet oder es sich um Umbuchungsvorgänge ohne tatsächlichen Geldfluss handelt, 6 Ob 76/00w). Dies war nach dem vom Berufungsgericht zugrundegelegten Sachverhalt, wonach die 30.000 EUR zuvor das Vermögen der Gesellschaft schmälernd abgehoben worden waren, die Einzahlung also aus dem Vermögen der Gesellschaft stammte, tatsächlich nicht der Fall.
[9] Bei (Bar‑)Abhebung und (Bar‑)Einzahlung desselben Betrags innerhalb von nicht einmal drei Minuten mussten sich der Bank (ihren Mitarbeitern) Bedenken, dass es sich um die selben Mittel handelte, also um Gelder, die aus dem Vermögen der Gesellschaft stammten, geradezu aufdrängen.
[10] 3.2. Ausgehend von dem hier konkret zu beurteilenden Sachverhalt liegt ganz klar ein fahrlässiger Sorgfaltsverstoß der Bank bei Ausstellung der unrichtigen Bestätigung vor. Der von der Beklagten angestrebten Untersuchung dahin, dass die Beklagte – wie von ihr eingefordert – „demselben Haftungsmaßstab“ zu unterliegen hätte wie dem an Notare anzulegenden, bedarf es nicht. Sie unterstellt damit implizit, aber unrichtig, dass das Berufungsgericht von unterschiedlichen Sorgfaltsmaßstäben bei Notaren im Vergleich zu Kreditinstituten ausgegangen wäre. Nach der Argumentation der Beklagten soll ihre Haftung deshalb nicht gegeben sein, weil bei hypothetischer Beteiligung eines Notars als Treuhänder dieser gar nicht die Möglichkeit gehabt hätte, anlässlich der Bestätigung zu überprüfen, ob der Betrag von 30.000 EUR nicht zuvor von einem Geschäftskonto der GmbH abgehoben worden war. Gleiches soll nach der Revision dann gelten, wenn mehrere Geschäftskonten – wiederum hier nicht vorliegend und rein hypothetisch – bei verschiedenen Kreditinstituten geführt worden wären. In Wahrheit geht es damit aber nicht um unterschiedliche Sorgfaltsmaßstäbe, sondern allenfalls um unterschiedliche Wissensstände der Aussteller der Bestätigung. Die Argumentation der Beklagten liefe darauf hinaus, dass eine Bank (ihre Mitarbeiter) sorgfaltswidrig ihren Kenntnisstand ausblenden dürfte(n), bloß weil dieses Wissen bei Befassung eines Notars (wahrscheinlich) nicht gegeben wäre. Zweifelsohne müsste aber auch einem Notar die Ausstellung einer Bestätigung nach § 10 Abs 3 GmbHG „bedenklich“ erscheinen, wenn er über die unmittelbar zuvor erfolgte Abhebung desselben Betrags vom Konto der Gesellschaft (und darüber hinaus durch dieselbe bevollmächtigte Person als Erleger) informiert gewesen wäre.
[11] 4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen und ihre Zurückweisung beantragt.
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