OGH 13Os18/24g

OGH13Os18/24g11.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Wachter in der Verbandsverantwortlichkeitssache der I* Gesellschaft m.b.H. und anderer belangter Verbände wegen Verbrechen des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 1, 39 Abs 1 lit b und Abs 3 lit b FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. September 2023, GZ 128 Hv 14/23a-251, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00018.24G.0911.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem im gemeinsam geführten Verfahren gemäß § 22 Abs 1 VbVG gefällten Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. September 2023 (ON 250), wurden * S* und * L* – soweit hier von Bedeutung – von den gegen sie erhobenen Vorwürfen freigesprochen, sie hätten jeweils vorsätzlich unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten als faktische und auch die abgabenrechtlichen Agenden wahrnehmende Geschäftsführer der Unternehmen I* Gesellschaft m.b.H., A*gesellschaft m.b.H., K* Gesellschaft m.b.H. und R* Gesellschaft m.b.H. sowie anderer Unternehmen „an den jeweiligen gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten im Zuständigkeitsbereich der Finanzstrafbehörde Wien“ im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 11 erster Fall FinStrG) betreffend die Jahre 2009 bis 2016 Abgabenverkürzungen bewirkt, dies in den Jahren 2011 bis 2016 unter Verwendung von Scheingeschäften oder anderen Scheinhandlungen (§ 23 BAO), wobei sie den Abgabenbetrug (2011 bis 2016) mit einem 500.000 Euro übersteigenden strafbestimmenden Wertbetrag begingen.

[2] Über die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird zu 13 Os 17/24k entschieden.

[3] Sogleich nach der Verkündung des Freispruchs der Entscheidungsträger * S* und * L* beantragte die Staatsanwaltschaft gemäß § 22 Abs 3 VbVG, dass hinsichtlich der belangten Verbände über die Verhängung einer Verbandsgeldbuße entschieden werden soll (ON 249 S 21).

[4] Mit dem angefochtenen – gesondert verkündeten und ausgefertigten – Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. September 2023 (ON 251) wurde – soweit hier von Bedeutung – der gegen die belangten Verbände I* Gesellschaft m.b.H., A*gesellschaft m.b.H., K* Gesellschaft m.b.H. und R* Gesellschaft m.b.H., gerichtete, auf die Begehung eingangs umschriebener Straftaten ihrer Entscheidungsträger * S* und * L* gestützte Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße abgewiesen, wobei in den Entscheidungsgründen zahlreiche Negativfeststellungen (insbesondere US 29, 31, 32 und 33) getroffen wurden.

Rechtliche Beurteilung

[5] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, „in eventu iVm Z 5 vierter Fall“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der keine Berechtigung zukommt.

[6] Soweit die Beschwerdeführerin neben einer Urteilsaufhebung und Zurückverweisung eine Verurteilung der Verbände wegen „§ 305 Abs 1 und 3 zweiter Fall, i.e. § 306 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB“ anstrebt, bezeichnet sie keinen Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt.

[7] Der Vorsitzende verkündete – nach insgesamt neun Verhandlungstagen, an welchen von den Verteidigern und der Staatsanwaltschaft zahlreiche Anträge gestellt worden waren – in der am 26. September 2023 durchgeführten Hauptverhandlung, in welcher von der Staatsanwaltschaft kein neuer Beweisantrag gestellt worden war und in der sich ein Verteidiger einem Beweisantrag eines anderen Verteidigers vom 22. September 2023 angeschlossen hatte, den Beschluss auf „Abweisung sämtlicher offener Beweisanträge wegen Spruchreife“ (ON 249 S 6).

[8] Soweit die Verfahrensrüge (Z 4) die Abweisung eines am 22. September 2023 gestellten Antrags (ON 245 S 45 ff) moniert, scheitert sie bereits daran, dass die Beschwerdeführerin durch die unbestimmt gebliebene Erklärung in der Hauptverhandlung am 26. September 2023, sich im Umfang der „beiden abgewiesenen Beweisanträge“ die Nichtigkeitsbeschwerde vorzubehalten (ON 249 S 6), ihrer Rügeobliegenheit (§ 281 Abs 3 zweiter Satz StPO, RIS‑Justiz RS0133791; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 735) nicht hinreichend deutlich nachgekommen ist.

[9] Behaupteten Verstößen gegen die Vorschriften des § 238 StPO hätte die Beschwerdeführerin aus dem Blickwinkel des § 281 Abs 1 Z 4 StPO durch gerade darauf bezogene (hier nicht erfolgte) Antragstellung in der Hauptverhandlung begegnen müssen (RIS-Justiz RS0121628; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 315 f).

[10] Gründet das Gericht (hier) die Abweisung eines Antrags auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße auf (Negativ-)Feststellungen, nach denen mehrere Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt sind, ist es für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen notwendig, alle die Tatbestandsverwirklichung ausschließenden (negativen) Konstatierungen deutlich und bestimmt als mangelhaft begründet (Z 5) oder unter Geltendmachung darauf bezogener Anträge (Z 4) zu bekämpfen (RIS-Justiz RS0127315 [T4]), was die Beschwerdeführerin hier ebenfalls unterließ.

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

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