European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00057.24Z.0731.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Schlepperei/FPG
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG schuldig erkannt.
[2] Danach hat er vom 22. bis zum 23. Oktober 2023 in S* als Mitglied einer aus ihm selbst sowie dem unbekannten Auftraggeber „W*“ und weiteren unbekannten Mittätern, darunter zumindest einem „Fußschlepper“, bestehenden kriminellen Vereinigung in Bezug auf mindestens drei Fremde deren rechtswidrige Einreise in und Durchreise durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, gefördert, indem er insgesamt zwölf türkische und afghanische Staatsangehörige, die zum Aufenthalt in der Europäischen Union nicht berechtigt waren, in Ungarn in sein Fahrzeug aufnahm und nach Österreich transportierte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 2, 3, 4, 5, 5a und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
[4] Der Antwort auf die Verfahrensrüge (Z 2 bis 4) ist voranzustellen, dass diese nur insoweit einer inhaltlichen Erwiderung zugänglich ist, als sie nicht in bloßer Übernahme des vom Beschwerdeführer selbst verfassten Vorbringens (vgl ON 69 und 73.2) in den vom Verteidiger unterschriebenen Schriftsatz besteht. Auf dieses war nicht einzugehen, weil § 285 Abs 1 StPO nur eine, zwingend von einem Verteidiger vorzunehmende (vgl § 61 Abs 1 Z 6, § 285a Z 3 StPO) Ausführung der Beschwerdegründe kennt (RIS‑Justiz RS0100046 [insbesondere T6 und T7]).
[5] Davon abgesehen bezeichnet die (nicht vom Beschwerdeführer selbst) aus Z 2 geäußerte Kritik keine trotz Widerspruchs des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung erfolgte Verlesung eines Protokolls oder eines anderen amtlichen Schriftstücks über eine nichtige Erkundigung oder Beweisaufnahme im Ermittlungsverfahren.
[6] Das aus Z 3 erstattete Vorbringen spricht zunächst keine Verletzung einer der vom taxativen Katalog (RIS‑Justiz RS0099118) dieses Nichtigkeitsgrundes erfassten Vorschriften an: Dies gilt für die behauptete Nichtberücksichtigung der an der Sachkunde der Dolmetscherin geäußerten Zweifel (vgl § 126 Abs 4 zweiter Satz StPO; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 199) und das ins Treffen geführte Unterbleiben einer Übersendung der Wort‑ und Bildaufnahme (vgl § 271a Abs 2 StPO) der am 8. Februar 2024 durchgeführten Hauptverhandlung.
[7] Die Vorbereitungsfrist des § 221 Abs 2 StPO steht nur für den ersten, nicht aber für einen weiteren Hauptverhandlungstermin zu, weshalb der – zudem nicht substantiierte – Einwand (nominell ebenfalls Z 3), diese Frist sei „(auch) bei der“ (im Übrigen im Sinn des § 276a zweiter Satz StPO wiederholten) „Hauptverhandlung am 18. 03. 2024 nicht eingehalten“ worden, von vornherein ins Leere geht (RIS‑Justiz RS0098370 [insbesondere T1 und T3]).
[8] Die unter dem Aspekt der Z 4 vorgetragene Kritik (die Öffentlichkeit sei „nicht im vom Angeklagten beantragten Ausmaß zur Verhandlung zugelassen worden“ und ihm sei „seine Schlussrede“ zum Thema, „warum er aus dem System ausgestiegen ist, untersagt“ worden) bezieht sich nicht auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Beschwerdeführers, was indes unentbehrliche Voraussetzung erfolgreicher Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes ist (vgl RIS‑Justiz RS0099244).
[9] Soweit die Mängelrüge die Feststellung zum Motiv des Beschwerdeführers, durch die Tätigkeit als Schlepperfahrer „seine finanzielle Situation zu verbessern“ (US 3), als undeutlich begründet (Z 5 erster Fall) kritisiert, spricht sie keine entscheidende Tatsache an, die allein den gesetzlichen Bezugspunkt dieses Nichtigkeitsgrundes bildet (RIS‑Justiz RS0088761, RS0117499).
[10] Das Erstgericht hat die Feststellung zum auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz des Beschwerdeführers (US 4) insbesondere „aus der allgemeinen Lebenserfahrung“, die gegen dessen Verantwortung, er habe „den Transport von 12 Fremden unentgeltlich und aus Menschenliebe“ durchgeführt, spreche sowie aus den Umständen, dass der Beschwerdeführer zu diesem Zweck eigens nach Ungarn gereist sei, er selbst „Entgeltlichkeit seiner Tätigkeit“ zugestanden habe, weil er „den ihm überlassenen Kastenwagen behalten hätte dürfen“ und die Fremden nach deren Angaben „mehrere tausend Euro für ihre Schleppungen bezahlten“, abgeleitet (US 10). Offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) sind diese Erwägungen nicht schon deshalb, weil sie der Beschwerdeführer nicht für überzeugend hält. Dass sie den Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungswerten widersprächen, vermag die Rüge nicht aufzuzeigen (RIS‑Justiz RS0118317 [insbesondere T9]). Der Einwand, die kritisierte Feststellung sei lediglich mit Notorietät begründet worden, trifft – wie sich aus dem Vorgesagten ergibt – nicht zu. Vor dem Hintergrund, dass die Mängelrüge die konkret wiedergegebene Begründung als offenbar unzureichend kritisiert, ist unverständlich, weshalb sie – unter dem Aspekt der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) – überdies moniert, es sei „nicht erkennbar, aus welchem Grund“ die Feststellung zum erweiterten Vorsatz getroffen worden sei.
[11] Entgegen dem weiteren Vorbringen ist die Begründung der Feststellung zum Vorsatz des Beschwerdeführers auf Rechtswidrigkeit der Ein- und Durchreise der Fremden (US 4) keineswegs aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall). Denn der Hinweis, er habe zugestanden, „in Kenntnis der fehlenden Dokumente“ sowie „des Vorhandenseins von Grenz- und Einreisebestimmungen gewesen“ zu sein (US 10), gibt die Verantwortung des Beschwerdeführers im Wesentlichen richtig wieder (vgl ON 61, 5 und 7; vgl RIS‑Justiz RS0099547).
[12] Soweit sie die Begründung auch insoweit als offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) bezeichnet, legt die Mängelrüge abermals nicht dar, dass die Bezugnahme auf dieses Zugeständnis des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit der „planvollen Aufnahme der“ (zwölf) „Fremden in den Laderaum eines Lieferwagens“ (US 9) den oben dargestellten (formalen) Begründungsanforderungen nicht genüge.
[13] Gleiches gilt für die aus dem gleichen Grund vorgetragene Kritik an der Begründung der Feststellung zum Vorsatz, als Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu handeln (US 4). Diese leiteten die Tatrichter einerseits– insoweit abermals nicht aktenwidrig (vgl ON 61, 6 ff) – aus der Aussage des Beschwerdeführers, „sich mit mehreren Personen getroffen zu haben“, andererseits aus dem „äußeren Tatgeschehen“, nämlich der „professionellen Planung“, dem „arbeitsteiligen Ablauf[s] der Schleppung“ und „der großen Anzahl der transportierten Personen“ ab (US 9). Der Vorwurf der „Vermengung“ dieser Erwägungen „mit Ausführungen zur objektiven Tatseite“ übersieht, dass der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden und bei – wie hier – leugnenden Angeklagten methodisch meist auch nicht zu ersetzen ist (RIS‑Justiz RS0116882).
[14] Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) über weite Strecken das Vorbringen der Mängelrüge wiederholt oder auf dieses verweist, verkennt sie, dass die Nichtigkeitsgründe voneinander wesensmäßig verschieden und daher (insbesondere auch inhaltlich) gesondert auszuführen sind (RIS‑Justiz RS0115902). Das diesen Vorgaben widersprechende Rechtsmittelvorbringen entzieht sich daher von vornherein einer inhaltlichen Erwiderung.
[15] Davon abgesehen unterlässt es der Beschwerdeführer, erhebliche Bedenken „aus den Akten“, also unter Bezugnahme auf konkrete Beweismittel, abzuleiten (RIS‑Justiz RS0117446). Diesen Anforderungen genügt auch die (mehrfach aufgestellte) Behauptung, es gebe „faktisch keinerlei tatsächlichen Beweise“, nicht (RIS‑Justiz RS0128874).
[16] Das weitere Vorbringen der Tatsachenrüge erschöpft sich darin, aus den vom Erstgericht angeführten Prämissen (der – im Übrigen mängelfrei als unglaubwürdig verworfenen [US 5 ff] – Verantwortung des Beschwerdeführers, den Angaben der geschleppten Fremden [US 7 iVm ON 2.6 bis 2.11] sowie den „ausgewerteten Chatprotokollen“ [US 6 ff iVm ON 26.2 bis 26.8]) andere Schlüsse zu ziehen, ohne die von diesem Nichtigkeitsgrund geforderten erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken (RIS‑Justiz RS0099674).
[17] Die Kritik an Mängeln (amtswegiger) Sachverhaltsermittlung scheitert schon daran, dass der Beschwerdeführer nicht darlegt, wodurch er an darauf abzielender Antragstellung gehindert gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0115823).
[18] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl aber RIS‑Justiz RS0116565), weshalb Strafbarkeit nach § 114 Abs 1 FPG tatsächlich eingetretene unrechtmäßige Bereicherung – zumal des Täters selbst – verlange (vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0131308) und sich das Erstgericht daher als Voraussetzung eines Schuldspruchs damit hätte auseinandersetzen müssen, ob „das versprochene Entgelt zu einer unrechtmäßigen Bereicherung“ (ersichtlich gemeint: des Beschwerdeführers) „geführt hätte“.
[19] Indem die weitere Kritik der Sache nach lediglich die Begründung der rite getroffenen Feststellung zum Vorsatz des Beschwerdeführers, sich und „die kriminelle Vereinigung“ (also einen Dritten) durch ein von den Fremden geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern (US 4), bekämpft (ohne im Übrigen Mängel im Sinn der Z 5 aufzuzeigen), argumentiert sie gesetzwidrig nicht auf Basis des Urteilssachverhalts (RIS‑Justiz RS0099810). Dies gilt insbesondere auch für das – ohne entsprechendes Vorbringen erfolgte – Zitat einer Kommentarstelle (Tipold in WK2 FPG § 114 Rz 12/8 [nach welcher – sinngemäß – ein Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung der „Organisation“ Kenntnis vom an diese geleisteten „Gesamtbetrag“ voraussetze]).
[20] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[21] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
[22] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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