OGH 14Os55/24f

OGH14Os55/24f31.7.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Juli 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Faulhammer LL.M. (WU) in der Strafsache gegen J* S* wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 28. März 2024, GZ 13 Hv 8/24z‑48.4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00055.24F.0731.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde J* S* der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A./), der Vergehen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB (B./) und des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er zwischen 1. Oktober 2015 und 22. Oktober 2023 in P* und andernorts

A./ W* S* in wiederholten Angriffen zumindest ein Mal wöchentlich mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie von hinten festhielt oder sie an ihren Händen packte und mit ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog, obwohl sie sich dagegen zur Wehr setzte;

B./ mit W* S* in wiederholten Angriffen zumindest ein Mal wöchentlich gegen ihren Willen den Beischlaf vorgenommen, indem er diesen ungeachtet ihrer Bekundung, nicht zu wollen, sowie teilweise kurz nach vorangegangener, noch nicht auf die Durchführung von Geschlechtsverkehr abzielender Gewaltanwendung, mit ihr vollzog;

C./ gegen W* S* eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er

◦ sie mehrfach vorsätzlich am Körper verletzte, zu verletzen versuchte und misshandelte, indem er ihr in den Jahren 2015 und 2016 wiederholt Schläge mit einem Gürtel versetzte, ihr im Sommer 2018 einen Faustschlag gegen das linke Auge versetzte, wodurch sie ein ausgeprägtes Hämatom erlitt, sowie ab 1. Februar 2016 bis zu einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2018 sie ungefähr ein Mal pro Woche und ab einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im Jahr 2018 etwa alle zwei Monate mit seinen Händen schlug oder mit seinen Füßen gegen sie trat, wodurch sie Blutergüsse erlitt;

◦ sie wiederholt würgte und ihr einen Polster gegen das Gesicht presste;

◦ sie am 21. Oktober 2023 durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zur Unterlassung der Rückkehr in die Ehewohnung nötigte, indem er sie telefonisch kontaktierte und zu ihr sagte, dass sie nicht mehr in die Wohnung kommen und die gemeinsamen Kinder sehen dürfe, dass sie „gleich tot“ sei, wenn er sie noch einmal sehe, und er sie verbrennen und schlagen werde;

◦ sie am 22. Oktober 2023 gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr in einem Telefonat ankündigte, sie umzubringen, sie zu schlagen und sie zu „brennen“;

◦ sie wiederholt durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zur Unterlassung der Beendigung der Ehe nötigte, indem er sinngemäß sagte, dass er sie und sich selbst töten werde, wenn sie die Scheidung wolle und einen neuen Mann habe.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Gegenstand der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581; RIS‑Justiz RS0099810).

[5] Indem die Beschwerde eine Passage der zum Schuldspruch C./ getroffenen Feststellungen zur Häufigkeit der Taten und den Zeitpunkten ihrer Begehung (US 6) einem Ausschnitt der zum Schuldspruch A./ und B./ angestellten Beweiswürdigung (US 9) – durch unrichtige Zitierung infolge Vernachlässigung des Wortes „nur“ im Übrigen sinnentstellt – gegenüberstellt, wird materiell-rechtliche Nichtigkeit nicht aufgezeigt.

[6] Gleiches gilt für die zum Schuldspruch A./ aufgestellte Behauptung, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite würden bei Bewertung der Aussagen der Zeugin W* S* durch den Beschwerdeführer den Schuldspruch nicht tragen (RIS‑Justiz RS0099810 [T15, T16]).

[7] Warum es ungeachtet des konstatierten Tatzeitraums und der Beschreibung der als gleichartige Verbrechensmenge nur pauschal individualisierten Taten (US 4 f) für die Subsumtion nach § 201 Abs 1 StGB erforderlich gewesen wäre, dass die einzelnen Tathandlungen und Tatzeitpunkte „konkret festgestellt werden“, macht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht klar (RIS‑Justiz RS0116569; vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0119552 [T13], RS0098557).

[8] Soweit die Beschwerde die – vom Erstgericht in der Beweiswürdigung berücksichtigten (US 9 ff) – Videodateien und Angaben der Zeugin W* S* eigenständig würdigt und die Feststellungen des Schöffengerichts für „nicht nachvollziehbar“ erachtet, übt sie Beweiswürdigungskritik nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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