OGH 4Ob101/24t

OGH4Ob101/24t25.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Dr. Martin Deuretzbacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei *, vertreten durch die Vorsorgebevollmächtigte *, diese vertreten durch Dr. Georg Vetter, Rechtsanwalt in Wien, wegen zuletzt 25.345,54 EUR sA, aus Anlass der „außerordentlichen Revision“ der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 29. April 2024, GZ 18 R 58/24v‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00101.24T.0625.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

 

Spruch:

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

[1] Am 2. 5. 2003 übergab die Beklagte in ihrem Eigentum stehende Liegenschaftsanteile an die Klägerin und behielt sich das Gebrauchsrecht an einer Wohnung im Erdgeschoß des auf der Liegenschaft errichteten Hauses vor. Die Parteien vereinbarten auch, dass die Beklagte „für die Dauer des Wohnungsrechts alle mit der Nutzung der Wohnung verbundenen Kosten (das sind die Betriebskosten im Sinne des MRG) zu tragen hat“.

[2] Im Jahr 2008 vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte der Klägerin ab Jänner 2009 monatlich 300 EUR Betriebskosten zahlen werde.

[3] Die Klägerin begehrte gestützt auf die mit der Beklagten geschlossenen Vereinbarungen unter anderem die Zahlung der monatlichen Betriebskosten für August 2020 bis Dezember 2022 und März 2023 bis November 2023 (38 Monate) in Höhe von insgesamt 11.400 EUR sA.

[4] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie entgegnete unter anderem, ein Vorprozess über die Betriebskosten für Juni und Juli 2020 habe ergeben, dass die Klägerin akzeptiert habe, dass die Beklagte keine Betriebskosten zahle. Die Vorentscheidung sei für das vorliegende Verfahren bindend. Die Klägerin habe schlüssig auf die Zahlung der Betriebskosten durch die Beklagte verzichtet. Die Klage sei aufgrund der Mittellosigkeit der Beklagten rechtsmissbräuchlich.

[5] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es verneinte eine Bindungswirkung der Vorentscheidung und einen schlüssigen Verzicht der Klägerin auf die Zahlung der Betriebskosten und erachtete auch den Einwand des Rechtsmissbrauchs für unberechtigt.

[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage nicht zu.

[7] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die als „außerordentliche Revision“ bezeichnete Eingabe der Beklagten, die das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof vorgelegt hat.

Rechtliche Beurteilung

[8] Entgegen der Ansicht des Erstgerichts liegt kein zulässiges Rechtsmittel vor, über das der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hätte:

[9] 1. Der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts besteht ausschließlich in einem Geldbetrag, der zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt.

[10] 2. Nach § 502 Abs 3 ZPO ist die Revision – außer im Fall des § 508 Abs 3 ZPO – jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert zwar 5.000 EUR, nicht aber insgesamt 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen ist auch kein außerordentliches Rechtsmittel zulässig (4 Ob 171/20f; 5 Ob 176/22a; 6 Ob 195/23d). Nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO kann die Partei nur den binnen vier Wochen ab der Zustellung des Berufungsurteils beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Zulässigkeitsausspruch zu ändern und die ordentliche Revision doch für zulässig zu erklären. In diesem Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, sind die Gründe dafür anzuführen, warum die ordentliche Revision – entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts – nach § 502 Abs 1 ZPO für zulässig erachtet wird. Erhebt die Partei daher in einem solchen Fall ein Rechtsmittel, ist es gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Berufungsgericht vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn sie es als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet und an den Obersten Gerichtshof richtet (RS0109623).

[11] 3. Im Anlassfall hat das Berufungsgericht die ordentliche Revision im Zulassungsbereich für nicht zulässig erklärt. Der Rechtszug zum Obersten Gerichtshof steht der Beklagten daher nicht offen. Es käme nur in Betracht, die „außerordentliche Revision“ dem Berufungsgericht zur Entscheidung nach § 508 ZPO vorzulegen. Ob sie – vor allem im Hinblick auf den an den Obersten Gerichtshof gerichteten Antrag, er wolle die Revision zulassen – den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob sie zuvor einer Verbesserung bedarf, bleibt der pflichtgemäßen Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (vgl RS0109501; RS0109623 [T5]).

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