OGH 2Ob64/24m

OGH2Ob64/24m28.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am * 2023 verstorbenen J*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Enkelinnen 1. M*, und 2. E*, beide vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 28. Februar 2024, GZ 2 R 31/24w‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00064.24M.0528.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Nachlass nach der 2023 verstorbenen Erblasserin wurde ihrem Bruder als testamentarischem Alleinerben (mit Beschluss des Erstgerichts vom 20. Dezember 2023) eingeantwortet. Nach Erlassung des Einantwortungsbeschlusses gaben die vom Gerichtskommissär nach § 152 Abs 2 AußStrG bereits im Oktober 2023 verständigten Enkeltöchter der Erblasserin bedingte Erbantrittserklärungen aufgrund des Gesetzes ab und erhoben Rekurs gegen den Einantwortungsbeschluss.

Rechtliche Beurteilung

[2] Der gegen die Zurückweisung dieses Rekurses durch das Rekursgericht gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Enkeltöchter ist nicht zulässig, weil er das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage nicht aufzeigt:

[3] 1. § 62 AußStrG erfasst als „Revisionsrekurs“ alle Rekurse gegen „im Rahmen des Rekursverfahrens ergangene“ Beschlüsse des Rekursgerichts und damit auch die Zurückweisung des Rekurses mangels Parteistellung (2 Ob 168/23d Rz 12 mwN; vgl RS0120565).

[4] 2. Nach ständiger Rechtsprechung wird der potenzielle Erbe grundsätzlich erst mit Abgabe seiner Erbantrittserklärung Partei des Verlassenschaftsverfahrens. Vorher hat er keinen Einfluss auf den Gang des Verlassenschaftsverfahrens und keine Rekurslegitimation. Dem liegt der tragende Gedanke zugrunde, es könne nicht angehen, dass jemand einerseits die Erbantrittserklärung mit ihren weitreichenden Rechtsfolgen vorerst oder überhaupt unterlässt, andererseits aber Einfluss auf das Abhandlungsverfahren nehmen will. Es ist dem übergangenen Erben verwehrt, den Einantwortungsbeschluss mit Rekurs zu bekämpfen und darin geltend zu machen, das Erstgericht habe es verabsäumt, ihm Gelegenheit zur rechtzeitigen Abgabe einer Erbantrittserklärung zu geben (2 Ob 168/23d Rz 14 mwN).

[5] Die Rechtsprechung anerkennt aber Ausnahmen von diesem Grundsatz für Fälle, in denen ein potenzieller Erbe sein aktives Interesse am Erbantritt bekundet hat und die Abgabe einer Erbantrittserklärung aus nicht in seiner Sphäre liegenden Gründen unterblieben ist. Als derartige Gründe werden etwa Verfahrensfehler angesehen, wie beispielsweise eine unrichtiger Weise unterbliebene Aufforderung zur Abgabe einer Erbantrittserklärung oder das Fehlen einer entsprechenden Belehrung durch den Gerichtskommissär. Für eine ausnahmsweise zu bejahende Parteistellung vor Erbantrittserklärung müssen beide Voraussetzungen (Interessenbekundung und Unterbleiben der Erbantrittserklärung aus nicht in der Sphäre des potenziellen Erben liegenden Gründen) kumulativ vorliegen (2 Ob 168/23d Rz 15 mwN).

[6] 3. Im vorliegenden Fall ist das Rekursgericht nicht korrekturbedürftig davon ausgegangen, dass es nach der Aktenlage bereits an der Bekundung aktiven Interesses am Erbantritt durch die Enkeltöchter fehlte. Schon aus diesem Grund hat das Rekursgericht eine Parteistellung und Rekurslegitimation der Enkeltöchter vertretbar verneint.

[7] 4. Das Vorliegen eines sie an der Abgabe einer Erbantrittserklärung hindernden Verfahrensfehlers zeigen die Enkeltöchter ebenfalls nicht auf:

[8] 4.1. Aus welchen Gründen ihre nach § 152 Abs 2 AußStrG vorgenommene Verständigung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen haben sollte, legen die Enkeltöchter im Revisionsrekurs nicht nachvollziehbar dar.

[9] 4.2. Der Fachsenat hat vor Kurzem ausgesprochen, dass keine Verpflichtung des Gerichtskommissärs besteht, alle aufgrund der Aktenlage nur potentiell in Betracht kommenden gesetzlichen oder (früheren) testamentarischen Erben trotz Vorliegens eines unbedenklichen, mit allen gesetzlichen Förmlichkeiten versehenen (späteren) Testaments zur Abgabe einer Erbantrittserklärung aufzufordern (§ 157 AußStrG; 2 Ob 168/23d Rz 30).

[10] 5. Insgesamt war der außerordentliche Revisionsrekurs damit zurückzuweisen.

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