OGH 15Os23/24g

OGH15Os23/24g15.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Mai 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin FI Jäger in der Strafsache gegen N* R* wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 18. Jänner 2024, GZ 39 Hv 104/23b‑82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00023.24G.0515.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Innsbruck zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde N* R* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 19. August 2023 in I* A* R* zu töten versucht, indem er im Rahmen eines mehr als einstündigen Tatgeschehens wiederholt und sehr heftig mit den Fäusten vorwiegend auf ihre Gesichts- und Kopfregion einschlug, sie mit dem Kopf mehrmals gegen die Wand und einmal gegen die Glastür im Badezimmer stieß, sie immer wieder zu Boden warf und mit den Füßen auf sie einzutreten versuchte, ihr gewaltsam den Mund zuhielt, sie zunächst mit den bloßen Händen würgte und schließlich einen kettenförmigen Rosenkranz zur Hilfe nahm, den er ihr zweimal um den Hals wickelte und wiederholt intensiv zuzog und ihr damit so lange die Luft abschnürte, bis sie unwillkürlich Harn abließ und akute Lebensgefahr für sie bestand, wodurch sie ein Würge- und Drosselungstrauma, eine Nasenbeinfraktur, ausgeprägte Schwellungen und Unterblutungen beider Augenbereiche, diverse Hautein- und Hautunterblutungen beider Wangenbereiche, Prellungenvon Ober- und Unterlippe mit offenen Mundschleimhautverletzungen der Unterlippe, streifige Hauteinblutungen an der Brustkorbvorderseite und am Rücken, multiple Hämatome an beiden Armen sowie streifige Hauteinblutungen an der Innenseite des linken Oberarms und an der Innenseite des rechten Kniegelenks erlitt.

[3] Die Geschworenen haben die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB bejaht und die nach Rücktritt vom Versuch (§ 16 StGB) gestellte Zusatzfrage verneint.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die auf § 345 Abs 1 Z 6, 9 und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

[5] Gestützt auf die Aussagen des Angeklagten, er habe der psychiatrischen Sachverständigen gegenüber gemeint, dass er zur Tatzeit nicht ganz bei sich gewesen sei, andernfalls er „das“ nicht getan hätte, und sich beim Gespräch mit dieser an den Tatablauf nicht erinnern können, weil er vor der Tat tagelang nicht geschlafen habe (ON 81.1, 5 f), und er habe am 18. August [2023] mit seiner Frau „zwei ganze Reihen“ des Medikaments Lyrica konsumiert sowie „wahrscheinlich einige Bier“ getrunken (ON 81.1, 15 f), reklamiert die Fragenrüge (Z 6) die Stellung einer Zusatzfrage nach dem Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) sowie einer Eventualfrage nach dem Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB. Indem sie dabei die Einlassung des Angeklagten in ihrer Gesamtheit (ON 81.1, 5 ff), insbesondere die detaillierten Schilderungen zum Tatgeschehen und seine Verantwortung, wonach er seine Frau weder töten noch verletzen und mit dem um den Hals gelegten Rosenkranz nur beruhigen habe wollen (ON 81.1, 12 f), außer Acht lässt (vgl aber RIS‑Justiz RS0120766), zeigt sie kein nach allgemeiner Lebenserfahrung ernst zu nehmendes Indiz für die Stellung der begehrten Fragen auf (vgl aber RIS‑Justiz RS0100860 [T1]; RS0100527 [T1]).

[6] Ein Widerspruch iSd Z 9 wird auf dieBehauptung gestützt, die Geschworenen hätten trotz Bejahung der Hauptfrage „teilweise“ die in Richtung absichtlicher schwerer Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB gestellte Eventualfrage bejaht. Sie argumentiert dabei nicht auf Basis des Wahrspruchs, wurde doch die gegenständliche Eventualfrage gar nicht beantwortet, sondern lediglich die Stimme des die Hauptfrage verneinenden Geschworenen rechtlich verfehlt bei der Eventualfrage angeführt, ohne dass über Letztere abgestimmt worden wäre (vgl dazu ON 81.2, 2 f).

[7] Aus dem selben Grund scheidet auch die in diesem Zusammenhang weiters reklamierte Undeutlichkeit und Unvollständigkeit (als Folge einer behaupteten unzulässigen Stimmenthaltung) iSd Z 9 von vornherein aus. Im Übrigen liegt ein Mangel des Wahrspruchs im Sinn des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes nur vor, wenn dieser zufolge seiner Undeutlichkeit, seiner Unvollständigkeit oder seines inneren Widerspruchs kein verlässliches Bild von der Meinung der Geschworenen abgibt und damit als Basis für ein Urteil unbrauchbar ist (RIS‑Justiz RS0101005).

[8] Unter dem Aspekt der Z 10, welchen die Beschwerde ebenfalls knapp anspricht, legt sie nicht dar, dass zumindest ein Geschworener ein rechtlich relevantes Missverständnis bei der Abstimmung behauptet hat (RIS‑Justiz RS0101190 [T1]).

[9] Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO zielt darauf ab, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 iVm § 302 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die nahelegen, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz iVm § 302 Abs 1 StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in unerträglicher Weise gebraucht haben (RIS‑Justiz RS0118780 [T16 und T17]). Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583 [T5]).

[10] Die Tatsachenrüge (Z 10a) verweist einerseits auf die Angaben des Opfers gegenüber der gerichtsmedizinischen Sachverständigen (ON 34, 5), wonach es sich nicht erinnern könne, richtig bewusstlos geworden zu sein, es jedoch massive Atemnot gehabt und gedacht habe, sterben zu müssen. Als es wieder Luft bekommen habe, habe es den Angeklagten angefleht, wenigstens eine letzte Zigarette rauchen zu können, wenn er es schon umbringen wolle, was dieser erlaubt habe. Andererseits führt die Beschwerde Passagen der Verantwortung des Angeklagten ins Treffen, wonach er A* R* losgelassen habe, „weil sie sich beruhigt hat, ihr nichts gefehlt hat und alles in Ordnung war, (…) damit sie eine rauchen gehen kann“ (ON 81.1, 9), und wonach er aufgehört habe, seine Frau mit dem Rosenkranz zu würgen, weil sie ihm leid getan habe, er sie aber umbringen hätte können, wenn er dies gewollt hätte (ON 81.1, 13 f).

[11] Damit gelingt es ihr nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen zum Ausdruck kommenden (Negativ-)Feststellungen zu einem strafbefreienden Rücktritt vom Versuch iSd § 16 StGB zu wecken (RIS‑Justiz RS0118780 [T9]).

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1, § 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

[13] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO).

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