European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00140.23G.0423.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden der Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Ried im Innkreis als Geschworenengericht verwiesen.
Mit den Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * F* des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat sie am 2. August 2022 in * F* ihren Ehegatten P* zu töten versucht, indem sie dem im Bett schlafenden P* mit einem Cuttermesser, einer Rasierklinge, einem Skalpell oder einem vergleichbaren Gegenstand mit scharfer Klinge eine etwa 18 Zentimeter lange, mittig gelegene, waagrechte Schnittverletzung im Halsbereich zufügte, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist, weil es zu keiner tiefergehenden Gefäßverletzung gekommen ist.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 1, 4, 5, 6 und 9 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.
[4] Zu Recht zeigt die Verfahrensrüge (Z 5) auf, dass die Abweisung des – erkennbar zum Nachweis, dass die (von der Angeklagten der Täterschaft beschuldigte [ON 186 S 12 f]) Zeugin M* zur Tatzeit nicht mit (deren angeblichen Alibizeugen) * R* im selben Raum war, in der Hauptverhandlung am 4. August 2023 erhobenen und am 15. September 2023 erneuerten – Antrags auf Ladung dieses Zeugen (ON 198 S 38, ON 207 S 8 f) Verteidigungsrechte der Angeklagten in entscheidender Weise verletzte.
[5] Der genannte Zeuge hatte sich im ersten Rechtsgang zunächst gemäß § 156 Abs 1 Z 1 StPO der Aussage entschlagen (ON 155 S 3).
[6] Das Gericht lehnte den Antrag auf Ladung dieses Zeugen, nachdem es diesem zunächst gefolgt war und (auch) diesen Antrag zum Grund für eine Vertagung der Hauptverhandlung genommen hatte (ON 190 S 2, ON 198 S 40), letztlich mit der Begründung ab, dass die im ersten Rechtsgang erfolgte Inanspruchnahme des Aussagebefreiungsrechts gemäß § 156 Abs 1 Z 1 StPO fortwirke und keine konkreten Anhaltspunkte für eine nunmehrige Aussagebereitschaft des genannten Zeugen vorlägen (ON 207 S 13).
[7] Tatsächlich legte der nach Darstellung von Erschwernissen einer Zeugenladung im Ausland durch das Gericht (ON 207 S 8) aufrecht erhaltene Antrag auf Ladung des Zeugen jedoch dar, dass die Angeklagte in einem Gespräch mit dem Vater des Zeugen in Erfahrung gebracht habe, dass der genannte Zeuge nun doch aussagen wolle (ON 207 S 8 f; vgl nämlich RIS‑Justiz RS0117928).
[8] Die Abklärung der Aussagebereitschaft hätte demnach in der Hauptverhandlung durch entsprechende Ladung des beantragten Zeugen erfolgen müssen (13 Os 131/05x; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 362).
[9] Die dennoch erfolgte Abweisung des betreffenden Beweisantrags verwirklicht demnach den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 5 StPO.
[10] Es war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Wahrspruch der Geschworenen und das darauf beruhende Urteil bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben, eine neue Hauptverhandlung anzuordnen und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Ried im Innkreis zu verweisen (§§ 285e, 344 zweiter Satz StPO).
[11] Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.
[12] Mit ihren Berufungen werden die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese kassatorische Entscheidung verwiesen.
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