OGH 11Os134/23z

OGH11Os134/23z23.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz sowie dieHofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Novak als Schriftführer in der Strafsache gegen R* U* und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten R* U* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. September 2023, GZ 3 Hv 75/23s‑82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00134.23Z.0423.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im S* V* betreffenden Schuldspruch zu IV/, demgemäß auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch, sowie im (gesamten) Ausspruch über die Einziehung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dasLandesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung des R* U* werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Diesem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof von Bedeutung – R* U* zu (gemeint:) II/2/a/ (richtig:) eines Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (vgl ON 81, S 7; US 13) sowie S* V* zu II/1/ und (gemeint:) II/3/ mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und zu IV/ des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG schuldig erkannt.

[2] Danach hat bzw haben in G*

II/ am 14. April 2023 andere am Körper verletzt, und zwar

1/ ...

2/a/ R* U* D* V*, indem er ihn mit einem Schraubenzieher attackierte, wodurch dieser drei oberflächliche Schnittwunden im rechten Hals- bzw Nackenbereich sowie am rechten Ohrläppchen erlitt,

3/ ...

IV/ S* V* am 2. Juli 2023, wenn auch nur fahrlässig, einen Pfefferspray und ein federunterstütztes Einhandmesser besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten ist.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R* U*.

[4] Die Mängelrüge behauptet eine unvollständige Begründung (Z 5 zweiter Fall) der festgestellten Täterschaft des Angeklagten:

[5] Dem Beschwerdevorwurf zuwider haben die Tatrichter die Angaben des D* V* zu einem Angriff durch M* U* (vgl ON 32, 6 iVm ON 81, 5; ON 72, 17 f) nicht unerörtert gelassen, sondern sich vielmehr mit Divergenzen in den Aussagen des D* V* betreffend die Person des Angreifers auseinandergesetzt (vgl US 14 f) und nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen sie den (Erst‑)Angaben des Genannten vor der Polizei (ON 12.30) zu einem Angriff durch den Rechtsmittelwerber gefolgt sind (US 13 ff).

[6] Inwiefern die Aussagen des R* V* zu einem gegen ihn gesetzten Angriff durch M* U* (vgl ON 32, 7 iVm ON 81, 4 f; ON 81, 4) den Feststellungen zu einem Angriff des R* U* auf D* V* erörterungsbedürftig entgegenstehen sollten, erklärt die Rüge nicht. Soweit der Beschwerdeführer aus einzelnen Angaben des R* V* über den Ablauf der tätlichen Auseinandersetzung (ON 32, 7 iVm ON 81, 4 f) für seinen Standpunkt günstigere Schlüsse zieht, argumentiert er nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Gleiches gilt, soweit die Rüge unter Verweis auf isoliert herausgegriffene Passagen des – vom Schöffengericht ebenfalls berücksichtigten (vgl US 15) – medizinischen Sachverständigengutachtens (ON 72, 10 ff iVm ON 54.1) eine Verursachung der Verletzungen durch R* U* in Frage stellt.

[7] Dessen Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[8] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem Schuldspruch zu IV/ ein nicht geltend gemachter, Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO begründender und S* V* zum Nachteil gereichender (vgl RIS-Justiz RS0114232, RS0114318) Rechtsfehler mangels Feststellungen anhaftet:

[9] Dem Urteil können nämlich zum Schuldspruch zu IV/ keine Feststellungen zu einem § 50 Abs 1 Z 3 WaffG subsumierbaren Verhalten des S* V* am 2. Juli 2023 entnommen werden. Dass im Urteilsspruch Besitz eines Pfeffersprays und eines federunterstützten Einhandmessers trotz Waffenverbots referiert wird (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), vermag dieses Feststellungsdefizit ebenso wenig auszugleichen (vgl RIS‑Justiz RS0114639) wie der Verweis auf eine zu Punkt IV/ „tatsachengeständige“ (eine Kenntnis von einem Waffenverbot jedoch gerade in Abrede stellende) Verantwortung des S* V* (US 19).

[10] Dies erfordert die Aufhebung des Schuldspruchs IV/ und demzufolge auch die Kassation des diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruchs und des darauf bezogenen Einziehungserkenntnisses.

[11] Überdies überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass dem Einziehungserkenntnis in Ansehung sämtlicher Angeklagten Nichtigkeit (Z 11 erster Fall) anhaftet, die – weil unbekämpft geblieben (RIS‑Justiz RS0119220 [T9], RS0130617) – ebenfalls von Amts wegen wahrzunehmen war (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[12] Denn das Urteil enthält keinerlei über die Wiedergabe des § 26 Abs 1 StGB (US 24) hinausgehenden Feststellungen zur Deliktstauglichkeit der eingezogenen Gegenstände aufgrund deren besonderer Beschaffenheit (RIS‑Justiz RS0121298, RS0107294; vgl Ratz in WK² StGB § 26 Rz 14; Tischler, SbgK § 26 Rz 14 f).

[13] Demgemäß war auch das Einziehungserkenntnis aufzuheben und dem Landesgericht für Strafsachen Graz in diesem Umfang die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.

[14] Für eine allfällige Konfiskation (siehe nämlich ON 81, S 8) nach § 19a Abs 1 StGB würde es im Übrigen an Konstatierungen zum Verwendungszweck der Gegenstände und zu den Eigentumsverhältnissen daran zum Entscheidungszeitpunkt mangeln.

[15] Angemerkt sei, dass es sich bei § 39a StGB – entgegen der Ansicht des Schöffengerichts (vgl US 3 f, US 22 f) – um eine (reine) Strafrahmenvorschrift handelt: Demnach führt der Einsatz einer Waffe im Sinn des § 39a Abs 1 Z 4 StGB zu einer Änderung des Strafrahmens durch Anhebung der Strafuntergrenzen auf das in § 39a Abs 2 StGB vorgesehene Maß (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 666; Flora in WK² StGB § 39a Rz 19; vgl 13 Os 79/23a, 14 Os 100/23x). Die jeweils in Rede stehenden Strafsätze bleiben durch § 39a StGB unberührt.

[16] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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