OGH 3Nc10/24m

OGH3Nc10/24m3.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn und die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Ordinationssache der betreibenden Partei A* T*, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei M* Limited, *, wegen 32.999,10 EUR sA, über den Antrag auf Ordination nach § 28 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0030NC00010.24M.0403.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Für die Bewilligung und Vollziehung der von der betreibenden Partei beabsichtigten Rechteexekution wird das Bezirksgericht Salzburg als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.

Der Antrag der betreibenden Partei auf Kostenzuspruch wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Nach dem Vorbringen im Ordinationsantrag und im angeschlossenen Exekutionsantrag hat die Betreibende gegen die Verpflichtete, eine Gesellschaft mit Sitz in Malta, ein rechtskräftiges und vollstreckbares Urteil offenbar auf Rückzahlung von Spielverlusten erwirkt. Da sich die Verpflichtete weigere, das Urteil zu erfüllen, beabsichtige die Betreibende, die Domains „www.m*.at“ und „www.g*.com/at“ pfänden und verkaufen zu lassen. Zudem wolle sie das Kontoguthaben der Verpflichteten bei der „Bank of Valetta“ in Exekution ziehen. Bisher sei die Ordination in vergleichbaren Fällen abgelehnt worden. Zwischenzeitlich habe sich die Sach- und Rechtslage jedoch geändert, weil Malta ein Gesetz erlassen habe, das besage, dass rechtskräftige und vollstreckbare Urteile aus Österreich gegen Gesellschaften in Malta, die über eine maltesische Glücksspiellizenz verfügten, nicht vollstreckt werden dürften. Zudem sei – aus über einen Vertrauensanwalt des Betreibendenvertreters für zwei andere Mandanten in Malta eingeleiteten Vollstreckungsverfahren – geklärt, dass sich die maltesischen Gerichte auf besagtes Gesetz beriefen und die Vollstreckung von österreichischen Urteilen in Glücksspielfällen ablehnten und sich auch weigerten, die Frage der Vereinbarkeit des maltesischen Gesetzes mit dem Unionsrecht dem EuGH vorzulegen. Die Rechtsverfolgung in Malta sei daher schwer möglich und jedenfalls unzumutbar.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die Voraussetzungen für eine Ordination nach § 28 JN sind nunmehr gegeben.

[3] 1.1 Eine Ordination ist auch in Exekutionssachen zulässig, wenn es an einem örtlich (bzw international örtlich) zuständigen inländischen Gericht mangelt (RS0053178) und eine der in § 28 Abs 1 JN normierten Voraussetzungen vorliegt. Im Anlassfall kommt als Rechtsgrundlage für die Bestimmung eines zuständigen Gerichts § 28 Abs 1 Z 2 JN in Betracht. Danach ist die Bestimmung eines örtlich zuständigen Gerichts durch den Obersten Gerichtshof (nur) dann zulässig, wenn die betreibende Partei ihren Wohnsitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder nicht zumutbar wäre (3 Nc 12/23d mwN). Im Anwendungsbereich der EuGVVO ist eine Ordination für Verfahren gegen Parteien, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, nur in Ausnahmefällen möglich (RS0053178 [T3 und T7]). Eine solche Ausnahme liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Versuch einer Exekutionsführung im Ausland gescheitert ist oder die beabsichtigte zwangsweise Rechtsdurchsetzung nach der Rechtsprechung im anderen Mitgliedstaat generell nicht bewilligt würde (3 Nc 12/23d mwN).

[4] 1.2 Die Betreibende hat anhand konkreter in Malta eingeleiteter Vollstreckungsverfahren nunmehr bescheinigt, dass die maltesischen (Exekutions-)Gerichte das neue Gesetz Nr XXI/2023 zur Anpassung des Glücksspielgesetzes (Kap 583) auf österreichische Urteile in Glücksspielfällen anwenden und die Vollstreckung von Urteilen ablehnen, mit denen ein maltesischer Glücksspielanbieter zur Rückzahlung von Spielverlusten verpflichtet wurde. Zudem ist bescheinigt, dass sich die maltesischen Gerichte weigern, die von der Betreibenden mit guten Gründen vertretene Unionsrechtswidrigkeit des neuen maltesischen Gesetzes – zufolge Verstoßes gegen die Freizügigkeit europäischer gerichtlicher Entscheidungen, insbesondere gegen Art 36 ff und Art 45 f EuGVVO 2012 – vom EuGH im Weg eines Vorabentscheidungsverfahrens überprüfen zu lassen. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass Exekutionen gegen maltesische Glücksspielanbieter aufgrund österreichischer Urteile in Malta derzeit nicht bewilligt werden und die Rechtsdurchsetzung in Malta daher unzumutbar ist. Die Betreibende hätte zwar noch die Möglichkeit, bei der Europäischen Kommission die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Malta anzuregen. Da auf die Einleitung eines solchen Verfahrens aber kein Rechtsanspruch besteht, wird durch diese Möglichkeit die Unzumutbarkeit der Rechtsdurchsetzung nicht beseitigt.

[5] 2.1 Angesichts der dargelegten Rechtslage und Rechtsprechung in Malta sind die Voraussetzungen für eine Ordination gemäß § 28 Abs 1 Z 2 JN im Anlassfall erfüllt. Bei der beabsichtigten Exekution auf die Rechte aus verschiedenen at‑Internet‑Domains befindet sich das Exekutionsobjekt im Inland (vgl 3 Ob 287/08i; 3 Nc 26/12x). Für die von der Betreibenden zusätzlich genannte Pfändung des Kontoguthabens der Verpflichteten bei der „Bank of Valetta“ gilt dies allerdings nicht.

[6] 2.2 Als örtlich zuständiges Exekutionsgericht für die beabsichtigte Rechteexekution ist das Bezirksgericht Salzburg zu bestimmen, weil die Nic.at GmbH als Registrierungsstelle der von der Exekution betroffenen Domains der Verpflichteten im Sprengel dieses Gerichts ihren Sitz hat.

[7] 2.3 Die Anregung der Betreibenden auf Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH zur Frage der Unzumutbarkeit der Rechtsdurchsetzung in Malta war nicht aufzugreifen.

[8] 2.4 Im Ordinationsverfahren findet kein Kostenersatz statt, weil es sich dabei um ein einseitiges Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof handelt, dem der Gegner nicht beigezogen wird (vgl RS0114932; 3 Nc 12/23d).

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