OGH 7Nc6/24b

OGH7Nc6/24b5.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Weber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen A* Z*, AZ 82 Ps * des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, infolge Vorlage zur Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070NC00006.24B.0305.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 17. Jänner 2024, GZ 82 Ps *‑*14, verfügteÜbertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Gmunden wird genehmigt.

 

Begründung:

[1] Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien übertrug mit Beschluss vom 17. Jänner 2024 die Pflegschaftssache gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Gmunden, weil sich der Minderjährige nunmehr ständig in dessen Sprengel aufhalte. Es ersuchte das Bezirksgericht Gmunden um Zustellung des Beschlusses an die Parteien. Dieses lehnte die Übernahme der Zuständigkeit mit Beschluss vom 22. Jänner 2024 ab und stellte den Akt dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien zurück.

[2] Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien legte nach Rechtskraft seines Beschlusses den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Übertragung ist zu genehmigen.

[4] 1. Wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder einer sonst schutzberechtigten Person gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen (§ 111 Abs 1 JN). Ausschlaggebendes Kriterium für die Zuständigkeitsübertragung nach dieser Gesetzesstelle ist das Kindeswohl (RS0047074 [T1]). Dabei ist in der Regel das Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenem und Gericht von wesentlicher Bedeutung, sodass im Allgemeinen das Gericht am besten geeignet ist, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat und der Mittelpunkt seiner Lebensführung liegt (RS0047300 [T1, T23]). Offene Anträge hindern eine Übertragung grundsätzlich nicht, doch kann im Einzelfall eine Entscheidung durch das schon bisher zuständige Gericht zweckmäßiger sein, insbesondere wenn dem übertragenden Gericht eine besondere Sachkenntnis zukommt oder es sich bereits eingehend mit dem offenen Antrag befasst und dazu Vernehmungen durchgeführt hat, weil die gewonnenen Eindrücke am besten von ihm selbst verwertet werden können (RS0047074 [T10]).

[5] 2. Im vorliegenden Fall lebt der im Jahr 2022 geborene Minderjährige bei seiner Mutter in Altmünster. Die Mutter ist im Bauunternehmen ihrer Eltern in Gmunden beschäftigt und nur alle paar Monate in Wien.Es ist zwar seit November bzw Dezember 2023 ein Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien anhängig, allerdings ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Anträgen noch nicht erfolgt, sondern wurde lediglich eine Tagsatzung zum Abschluss einer einvernehmlichen vorläufigen Kontaktrechtsregelung durchgeführt. Die Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht des Aufenthaltsorts des Kindes war daher ungeachtet des offenen Antrags im Sinn des § 111 Abs 2 JN zu genehmigen (vgl RS0047074 [T11]).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte