European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0120OS00003.24V.0229.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufungen hat das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* zweier Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er eine wehrlose Person, nämlich die alkoholisiert schlafende * L*, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihr den Beischlaf und eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung vornahm, und zwar
1./ am 22. Mai 2021 in T*, indem er sie mit seinem Glied sowohl vaginal als auch anal penetrierte,
2./ am 8. Oktober 2022 in G*, indem er sie mit seinem Glied anal penetrierte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.
[4] Der Mängelrüge zuwider kann das behauptete Fehlen einer Begründung für die Annahme der Glaubwürdigkeit des Opfers (US 10) aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht bekämpft werden (vgl RIS-Justiz RS0106588 [insb T10, T11 und T12]; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.128).
[5] Wie die Beschwerde (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) selbst zugesteht, hat sich das Erstgericht mit den alkoholbedingten Erinnerungslücken der * L* ohnedies auseinandergesetzt (vgl US 11).
[6] Die Kritik (Z 5 vierter Fall) an den Konstatierungen, wonach sich das inmitten des Tatgeschehens aufgewachte Opfer in einer „Schockstarre“ befunden hat (vgl US 5), richtet sich angesichts der (unbekämpften) Feststellungen zu den bereits in der Schlafphase begonnenen Tathandlungen (US 4 ff) nicht gegen entscheidende Tatsachen (vgl RIS-Justiz RS0095097 [insb T3]).
[7] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit den Hinweisen auf die Angaben des Angeklagten, wonach die ihm angelasteten Tathandlungen mit seinen Sexualpräferenzen nicht im Einklang stünden, und die Depositionen seiner Ex‑Lebensgefährtin zu seinem respektvollen sexuellen Verhalten ihr gegenüber, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen.
[8] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) hat das Erstgericht mit seinen Ausführungen betreffend die „Gleichgültigkeit des Angeklagten gegenüber der körperlichen Integrität anderer Personen und auch der sexuellen Selbstbestimmung“ nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) verstoßen. Mit der kritisierten Formulierung (US 16) brachten die Tatrichter nämlich nur zum Ausdruck, dass sie die Verhängung der als schuldangemessen erachteten Strafe auch unter spezial- und generalpräventiven Gründen für geboten erachteten (vgl RIS-Justiz RS0090946).
[9] Der weiteren Beschwerde (der Sache nach Z 11 dritter Fall) zuwider kann den – wenngleich sprachlich missglückten – Ausführungen des Schöffengerichts, wonach (auch) unter Berücksichtigung der „in den letzten Jahren erfolgten massiven Verschärfung der Strafbarkeit bei Sexualdelikten“ mit der „Strafuntergrenze des Strafrahmens“ nicht das Auslangen gefunden werden könne (US 16), bei verständniswilliger Lesart kein Bedeutungsinhalt dahin unterstellt werden, dass eine derartige Strafbemessung niemals stattfinden dürfe. Vielmehr wiesen die Tatrichter insoweit bloß auf den – auch durch den jüngeren Gesetzgeber berücksichtigten – allgemeinen Wertewandel in diesem Kriminalitätsbereich hin.
[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
[11] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)