European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:010OBS00001.24F.0213.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Sozialrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Zwischen den Parteien ist strittig, ob der Kläger zwischen 1. August 2022 bis 28. Februar 2023 Anspruch auf Krankengeld hat. Das vorliegende Verfahren betrifft den Zeitraum von 20. September 2022 bis 28. Februar 2023, für den er Krankengeld begehrt; der Zeitraum von 1. August 2022 bis 19. September 2022, in dem der Kläger Krankengeld bezogen hat, ist Gegenstand des Verfahrens zu 10 ObS 131/23x.
[2] Der Kläger ist seit dem Jahr 2000 als Berufspilot bei einer Fluggesellschaft tätig. Sein Dienstgeber kündigte das Dienstverhältnis zum 31. März 2022 auf. Die deswegen geführten arbeitsgerichtlichen Verfahren endeten mit einem Vergleich, mit dem die Kündigung rückwirkend aufgehoben und für den Zeitraum 1. August 2022 bis 28. Februar 2023 Urlaub gegen Entfall des Arbeitsentgelts vereinbart wurden.
[3] Seit 1. März 2023 erhält der Kläger (von seinem Dienstgeber) wieder sein Gehalt.
[4] Bereits am 23. April 2022 war der Kläger aufgrund einer schweren Erkrankung arbeitsunfähig geworden und erhielt für die Zeit von 7. Mai 2022 bis 19. September 2022 Krankengeld, das er für den Zeitraum bis 31. Juli 2022 aufgrund der rückwirkenden Gehaltszahlung des Dienstgebers zurückzahlte.
[5] Mit Bescheid vom 23. März 2023 wies die beklagte Österreichische Gesundheitskasse den Antrag des Klägers, ihm für die Zeit von 20. September 2022 bis 28. Februar 2023 Krankengeld zu gewähren ab.
[6] Mir seiner Klage begehrt der Kläger Krankengeld in gesetzlicher Höhe für den im Bescheid genannten Zeitraum. Da der Versicherungsfall bereits am 23. April 2022 und damit schon vor Beginn des Karenzurlaubs eingetreten sei, habe er nach § 122 Abs 1 ASVG über das Ende der Versicherung hinaus Anspruch auf Krankengeld.
[7] Die Beklagte hielt dem entgegen, dass der Kläger im strittigen Zeitraum nicht arbeitsunfähig im Rechtssinn gewesen sei und daher keinen Anspruch auf Krankengeld habe. Der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit setze nämlich voraus, dass der Dienstnehmer durch die Erkrankung an der Arbeitsleistung gehindert sei. Das sei während eines unbezahlten Urlaubs bzw der Karenzierung eines Dienstverhältnisses nicht möglich, weil in dieser Zeit keine Arbeitspflicht bestehe.
[8] Das Erstgericht schloss sich der Ansicht der Beklagten an und wies die Klage ab.
[9] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Arbeitsunfähigkeit liege vor, wenn der Erkrankte nicht oder doch nur mit Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig sei, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Bestehe daher keine Arbeitspflicht, scheide die Annahme einer Arbeitsunfähigkeit aus. Daran ändere auch § 122 Abs 1 Satz 3 ASVG nichts. Zwar habe die Pflichtversicherung des Klägers mit 31. Juli 2022 und damit erst nach dem Eintritt des Versicherungsfalls geendet. Maßgeblich sei jedoch, dass infolge des Vergleichs ab 1. August 2022 (bei aufrechtem Dienstverhältnis) weder eine Arbeitsverpflichtung noch ein Entgeltanspruch bestanden habe. Einen Einkommensverlust habe der Kläger durch die Arbeitsunfähigkeit daher nicht erlitten, sodass ein Anspruch auf Krankengeld ausscheide. Die Ansicht des Klägers, es komme allein auf das Ende der Pflichtversicherung an, sei abzulehnen, weil in diesem Fall bei einem unbezahlten Urlaub bis zu einem Monat mangels Erlöschens der Versicherung (§ 11 Abs 3 lit a ASVG) kein Anspruch auf Krankengeld bestehe, ein solches bei einer länger dauernden Arbeitsunterbrechung dagegen von Anfang an zustehen würde.
[10] Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, wie sich die Vereinbarung eines unbezahlten Urlaubs auf den Anspruch auf Krankengeld auswirke, noch nicht Stellung genommen habe.
[11] Gegen diese Entscheidung richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers, mit dem Antrag, der Klage stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[13] 1. Das Vorliegen einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (RS0112769; RS0112921). Eine bei Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO verliert daher ihre Erheblichkeit, wenn sie durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zwischenzeitig geklärt wurde (RS0112769 [T12]; RS0112921 [T5]). Das ist hier der Fall.
[14] 2. Der Oberste Gerichtshof hat sich erst jüngst in der (im RIS noch nicht veröffentlichten) Entscheidung vom 16. Jänner 2024 zu 10 ObS 23/23i mit der Frage befasst, ob Krankengeld auch während eines unbezahlten Urlaubs zusteht,
und kam zu folgenden Ergebnis:
[15] Erkrankt ein Versicherter während eines unbezahlten Urlaubs, besteht ungeachtet einer aufrechten Pflichtversicherung nach § 11 Abs 3 lit a ASVG kein Anspruch auf Krankengeld nach § 138 Abs 1 ASVG.
[16] 3. Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen damit im Einklang.
[17] Zwar unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt insofern von jenem, der der Entscheidung zu 10 ObS 23/23i zugrunde lag, als dort die Versicherung aufrecht war, wohingegen sie hier durch die Karenzierung bzw das vereinbarte Ruhen der Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag beendet wurde (§ 11 Abs 3 lit a ASVG; vgl VwGH 92/08/0016; 93/08/0138; 94/08/0288 ua). Der Verweis des Klägers auf § 122 Abs 1 ASVG gibt aber keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
[18] Richtig ist, dass Krankengeld gemäß § 122 Abs 1 Satz 3 ASVG über das Ende der Versicherung hinaus weiter zu gewähren ist. Der Kläger übergeht allerdings, dass das nur solange gilt, als weiterhin die Voraussetzungen für den Anspruch gegeben sind. Wie das Berufungsgericht mit dem von ihm angestellten Vergleich zwischen langen und kürzeren unbezahlten Urlauben im Ergebnis zu Recht betont hat, soll damit der Anspruch nicht inhaltlich erweitert, sondern bloß ein schon eingetretener Versicherungsfall ausgeleistet werden (vgl ErläutRV 599 BlgNR 7. GP 50 zur Stammfassung der ASVG). Mit der überzeugenden Argumentation des Berufungsgerichts, der Krankengeldanspruch könne nach Ende der Versicherung nicht weiter reichen als während aufrechter Versicherung, befasst sich der Kläger im Übrigen nicht weiter.
[19] 4. Insgesamt spricht die Revision daher keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO an.
[20] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.
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