OGH 14Os111/23i

OGH14Os111/23i28.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. November 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Sekljic in der Strafsache gegen * K* und andere Angeklagte wegen Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, § 129 Abs 1 Z 1, § 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall), § 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten K* sowie die Berufung des Angeklagten * W* gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 21. Juli 2023, GZ 41 Hv 34/23w‑157.3, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00111.23I.1128.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K* wird zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Verfallserkenntnis betreffend die Angeklagten K* und W* aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten K* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – * K* (zu I/ und II/) und * W* (zu I/ und III/) jeweils eines Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, § 129 Abs 1 Z 1, § 130 Abs 2 erster und zweiter Fall (iVm Abs 1 erster Fall), § 15 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach haben in K* und an anderen Orten gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) und mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz anderen fremde bewegliche Sachen, nämlich vor allem Zigaretten und Parfums in einem 5.000 Euro übersteigenden Gesamtwert, überwiegend (zu I/ und II/) durch Einbruch in Gebäude weggenommen oder wegzunehmen versucht, und zwar

I/ K* und W* im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) vom 25. Jänner 2022 bis zum 21. Jänner 2023 auf die im angefochtenen Urteil näher beschriebene Weise in 15 dort einzeln angeführten Fällen (Gesamtwert der Beute: 90.752,73 Euro);

II/ K* alleine vom 5. April 2020 bis zum 17. Juli 2022 auf die im angefochtenen Urteil näher beschriebene Weise in 14 dort einzeln angeführten Fällen (Gesamtwert der Beute: 29.559,69 Euro);

III/ W* alleine am 15. und am 17. November 2022 je ein Fahrrad im Gesamtwert von 3.701,75 Euro.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus den Gründen der Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K* ist nicht berechtigt.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 4) bekämpft die Abweisung des Antrags, „ein psychiatrisches SV‑Gutachten über die Zurechnungsfähigkeit“ des Beschwerdeführers „im entsprechenden, in der Anklageschrift ersichtlichen Tatzeitraum“ einzuholen (ON 157.2, 3). Sie scheitert schon daran, dass das – für die Beurteilung der Rüge allein maßgebliche (RIS‑Justiz RS0099618) – Antragsvorbringen keine Umstände offenlegte, die hätten erwarten lassen, dass die Durchführung der Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis (der Zurechnungsunfähigkeit [§ 11 StGB]) haben werde (RIS‑Justiz RS0099189). Die vom Verteidiger in der Hauptverhandlung vage geäußerte Vermutung, der Beschwerdeführer weise „in irgendeiner Art und Weise eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder geistige Krankheit“ auf, entspricht diesen Anforderungen ebenso wenig wie der Hinweis auf – vom Beschwerdeführer selbst bestätigte – Gedächtnisstörungen infolge eines Autounfalls, welche die Erinnerung an die begangenen Taten „schmälert“ (ON 157.2, 3 ff).

[5] Entgegen dem von der Mängelrüge erhobenen Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) hat das Erstgericht die Aussage des Beschwerdeführers, er wolle sich „nicht als eine psychisch kranke Person darstellen“ (ON 157.2, 5), im Urteil richtig wiedergegeben (US 24).

[6] Dass die unter anderem auf diese Aussage gestützte Begründung der Annahme der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers (vgl US 24) „mit den Denkgesetzen nicht vereinbar“ sei (vgl RIS‑Justiz RS0118317), vermag die weitere Mängelrüge (der Sache nach Z 5 vierter Fall) nicht darzulegen.

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach § 285d Abs 1 StPO bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[8] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass der Verfallsausspruch einen nicht geltend gemachten Rechtsfehler (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) zum Nachteil der Angeklagten K* und W* aufweist, der von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[9] Das Erstgericht erklärte gemäß „§ 20 Abs 1, Abs 3, Abs 4 StGB“ Geldbeträge für verfallen und zwar hinsichtlich K* 120.312,68 Euro, hinsichtlich W* 94.454,48 Euro (US 6). Begründend führte es dazu (knapp) aus, die Angeklagten hätten diese „Geldbeträge“ durch „jene festgestellten Tathandlungen“ erlangt, „bei welchen es nicht beim Versuch geblieben ist“ (US 30). Diese Urteilsannahme blieb allerdings ohne ausreichende Fundierung im Urteilssachverhalt. Nach diesem betrug der Wert der von den Angeklagten gemeinsam (zu Punkt I/) erbeuteten Sachen insgesamt 90.752,73 Euro; der Wert der darüber hinaus jeweils alleine weggenommenen Sachen hinsichtlich K* (zu Punkt II/) insgesamt 29.559,69 Euro, bezüglich W* (zu Punkt III/) 3.701,75 Euro.

[10] Sind aber Vermögenswerte (wie hier zu Punkt I/) mehreren Personen zugekommen, ist bei jedem Empfänger nur der dem jeweils tatsächlich rechtswidrig erlangten Vermögenswert entsprechende Betrag für verfallen zu erklären (vgl RIS‑Justiz RS0129964). Eine vom Erstgericht in Ansehung des aus den zu I/ angeführten, mit Strafe bedrohten Handlungen resultierenden Gesamtbetrags der Sache nach angeordnete Kumulativhaftung sieht das Gesetz nicht vor. Vielmehr ist ein – wie hier vorgenommener – Verfallsausspruch nach § 20 Abs 3 StGB in Ansehung des entsprechenden, betraglich bestimmten (Teils des) Wertersatzes (jeweils) dem einzelnen Empfänger zuzuordnen (jüngst 11 Os 43/23t mwN). Daran ändert – wie der Vollständigkeit klargestellt wird – die vom Erstgericht ersichtlich in Anspruch genommene Schätzungsbefugnis nach § 20 Abs 4 StGB nichts. Feststellungen, welche die Zuordnung ermöglichen würden, wer von den beiden Angeklagten, die zu I/ (zunächst gemeinsam) erbeuteten Sachen tatsächlich in welchem Ausmaß im Sinn des § 20 Abs 1 StGB erlangte, enthält das Urteil nicht.

[11] Der aufgezeigte Rechtsfehler war von Amts wegen wahrzunehmen, weil sich die Berufungen der Angeklagten K* und W* nicht gegen das Verfallserkenntnis richten, dem Berufungsgericht daher zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte ein solches Vorgehen verwehrt ist (RIS-Justiz RS0130617). Der betroffene Ausspruch war in nichtöffentlicher Sitzung aufzuheben (vgl Ratz, WK‑StPO § 285i Rz 4) und die Sache in diesem Umfang an das Erstgericht zu verweisen (zur Zuständigkeit des Einzelrichters nach § 445 Abs 2 zweiter Satz StPO vgl RIS‑Justiz RS0100271 [T13]).

[12] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[13] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die mit der amtswegigen Maßnahme verbundenen Kosten (RIS‑Justiz RS0101558).

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