OGH 8Ob87/23m

OGH8Ob87/23m19.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart in der Rechtssache der klagenden Partei L* AG, *, Schweiz, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei L* plc, *, Malta, vertreten durch die Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 13.032 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 14. Juni 2023, GZ 35 R 108/23a‑20, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 17. Februar 2023, GZ 71 C 548/22y‑13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00087.23M.1019.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Zurückweisung der Klage wird bestätigt, soweit die klagende Partei ihr Begehren auf ungerechtfertigte Bereicherung stützt.

Im Übrigen – soweit die klagende Partei ihre Ansprüche auf den Rechtsgrund des deliktischen Schadenersatzes stützt – werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt 13.032 EUR sA und bringt dazu vor, dass die in Malta ansässige Beklagte auf www.l*.com Online-Glücksspiele anbiete, aber über keine nach dem österreichischen Glücksspielgesetz erforderliche Konzession verfüge. Der in Österreich wohnhafte R* habe bei diesen Online-Glücksspielen 13.032 EUR verloren und seine Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten.

[2] Die Beklagte bestritt die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts. Die Klägerin könne sich als Zessionarin nicht auf den Verbrauchergerichtsstand berufen. R* habe einer Zuständigkeitsvereinbarung zugestimmt, wonach ausschließlich maltesische Gerichte zuständig seien. Auch der Schaden sei in Malta eingetreten, weil sich die Verluste auf dem bei der Beklagten geführten Spielerkonto verwirklicht hätten.

[3] Das Erstgericht wies die Klage mangels internationaler Zuständigkeit zurück. Die Klägerin könne sich nicht auf den Verbrauchergerichtsstand nach Art 17 EuGVVO berufen. Die zwischen dem Spieler und der Beklagten getroffene Gerichtsstandsvereinbarung sei nach Art 19 EuGVVO unwirksam. Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach Art 7 Z 2 EuGVVO komme nicht in Betracht, weil die Klägerin keine vertraglichen Ansprüche, sondern einen Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Ordnungsvorschriften geltend mache. Schließlich ergebe sich auch aus Art 7 Z 2 EuGVVO keine Zuständigkeit österreichischer Gerichte, weil der Schaden am Spielerkonto in Malta eingetreten sei.

[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur internationalen Zuständigkeit österreichischer Gerichte für Klagen gegen ausländische Anbieter von Online-Glücksspielen fehle.

[5] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin, mit dem sie die Abänderung der Entscheidung dahin anstrebt, dass die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bejaht wird.

[6] Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sind. Der Revisionsrekurs ist dementsprechend auch teilweise berechtigt.

[8] 1. Mittlerweile hat der Oberste Gerichtshof zu 8 Ob 172/22k und 10 Ob 56/22s ausgesprochen, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung, wie sie zwischen R* und der Beklagten abgeschlossen wurde, gegen Art 19 EuGVVO verstößt und daher auch gegenüber der Zessionarin keine Wirkungen entfaltet, sodass deliktische Schadenersatzansprüche aus einem Verstoß gegen die österreichische Konzessionspflicht nach Art 7 Nr 2 EuGVVO vor inländischen Gerichten geltend gemacht werden können, weil die Verluste am Spielerkonto mit Gewinnen ausgeglichen werden und sich der verbleibende Verlust erst durch die Verminderung des Auszahlungsanspruchs im inländischen Vermögen des Spielers auswirkt. Die Beklagte führt keine neuen Argumente an, die ein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung rechtfertigen könnten.

[9] 2. Gleichzeitig hat der Oberste Gerichtshof in den angeführten Entscheidungen festgehalten, dass für bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen einen ausländischen Anbieter von Online‑Glücksspielen keine inländische Zuständigkeit besteht, weil der Erfüllungsort beim Online‑Glücksspiel am Sitz des Anbieters gelegen ist, sodass eine Berufung auf Art 7 Nr 1 EuGVVO ausscheidet. Im Ergebnis war dem Revisionsrekurs der Klägerin daher nur teilweise Folge zu geben.

[10] 3. Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 50 Abs 1, 52 Abs 1 und 4 ZPO.

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