OGH 13Ns80/23b

OGH13Ns80/23b18.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Maringer in der Strafsache gegen * M* wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB in dem zu AZ 10 U 74/23m des Bezirksgerichts Innsbruck und zu AZ 19 U 102/23f des Bezirksgerichts Klagenfurt zwischen diesen Gerichten geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130NS00080.23B.1018.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Das Verfahren ist vom Bezirksgericht Linz zu führen.

 

Gründe:

[1] Mit Privatanklage vom 8. November 2022 legte der Privatankläger * L* * M* und * A* mehrere als jeweils ein Vergehen nach § 111 Abs 1 StGB beurteilte Taten zur Last (ON 2).

[2] Mit am 10. Juli 2023 elektronisch eingebrachtem Schriftsatz zog der Privatankläger die Privatanklage in Ansehung des Angeklagten * M* teilweise, in Ansehung des Angeklagten * A* zur Gänze zurück.

[3] Nach den aufrecht erhaltenen Vorwürfen habe * M* zwischen dem 12. September 2022 und dem 18. Oktober 2022 den Privatankläger durch Versenden von E‑Mails mit in der Privatanklage beschriebenen Inhalten an Mitarbeiter von in Österreich und in Deutschland etablierten Unternehmen und an einen Rechtsanwalt einer in L* etablierten Rechtsanwaltskanzlei in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise fälschlich einer verächtlichen Eigenschaft bezichtigt und eines unehrenhaften und gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen.

Rechtliche Beurteilung

[4] Mit (richtig) Verfügung vom 26. April 2023 überwies das Bezirksgericht Innsbruck die Privatanklage an das als zuständig erachtete Bezirksgericht Klagenfurt, welches am 18. August 2023 die Vorlage der Akten im Sinn des § 38 letzter Satz StPO an den Obersten Gerichtshof verfügte.

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

[5] Nach § 36 Abs 3 StPO ist für das Hauptverfahren – soweit hier von Bedeutung – das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte. Liegt dieser Ort im Ausland oder kann er nicht festgestellt werden, so ist der Ort maßgebend, an dem der Erfolg eingetreten ist oder hätte eintreten sollen.

[6] Bezugspunkt für die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit ist der von der Privatanklage vorgegebene Prozessgegenstand. Bei der Beurteilung, wo die Straftat begangen wurde, orientiert sich das Gericht an der Aktenlage (vgl RIS‑Justiz RS0131309).

[7] Entgegen der von der Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme vertretenen Rechtsansicht kommt es bei dieser Prüfung nicht darauf an, ob das Gericht in Bezug auf eine vom Privatankläger allenfalls abgegebene Erklärung des Teilrücktritts einen „Teileinstellungsbeschluss im Sinn des § 71 Abs 7 StPO gefasst“ hat.

[8] Der ausdrücklich erklärte gänzliche oder – wie hier – teilweise Rücktritt des Privatanklägers von der Privatanklage vor der Hauptverhandlung (§ 227 Abs 1 StPO; vgl § 71 Abs 4 zweiter Satz StPO) bewirkt nämlich eo ipso die Beendigung des Verfahrens wegen der von der Rücktrittserklärung umfassten Taten. Der von der Generalprokuratur vermisste Einstellungsbeschluss des Richters wäre bloß deklarativer Natur (vgl dazu RIS‑Justiz RS0124396) und – der Sache nach – eine prozessleitende Verfügung (Danek/Mann, WK‑StPO § 227 Rz 1).

[9] Ebenso wenig löst die Erklärung des (insoweit schon per se das Verfahren beendenden) Teilrücktritts durch den Privatankläger außerhalb der Hauptverhandlung in Bezug auf das verbleibende Verfahren die Rechtsfolgen des § 36 Abs 4 StPO aus, weil es sich dabei um keine Ausscheidung von Verfahrensteilen durch das Gericht handelt.

[10] Die Anknüpfung für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit an einen Vorwurf der Anklage, welcher vom Privatangeklagten im Zeitpunkt der Entscheidung bereits zurückgezogen war, scheidet somit – entgegen der Rechtsansicht der Generalprokuratur – aus.

[11] Wird eine Person wegen mehrerer Straftaten angeklagt, ist das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen (§ 37 Abs 1 erster Satz StPO). In diesem Fall kommt das Verfahren (soweit hier von Interesse) gemäß § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO jenem Gericht zu, in dessen Zuständigkeit die früheste Straftat fällt.

[12] Nach der Aktenlage steht der Ort der Versendung der inkriminierten E-Mails nicht fest. Da der Tatbestand des § 111 Abs 1 StGB ein Erfolgsdelikt darstellt (13 Ns 75/11z JBl 2012, 306; Rami in WK2 StGB § 111 Rz 2/1), ist für die Zuständigkeit maßgebend, an welchem Ort nach der Aktenlage erstmals ein dem Tatbild entsprechender Erfolg eingetreten ist (§ 36 Abs 3 zweiter Satz StPO iVm § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO). Aus der Privatanklage und den Beilagen ./J und ./K ergibt sich, dass das zeitlich früheste (weiterhin inkriminierte) E‑Mail vom 12. September 2022 (Anklagefaktum I B 1) einem Rechtsanwalt einer in L* etablierten Rechtsanwaltskanzlei zugegangen ist und von diesem an den Privatankläger weitergeleitet wurde.

[13] Demzufolge kommt die Zuständigkeit zur Durchführung der Hauptverhandlung – jedenfalls vorerst (13 Ns 44/09p EvBl 2009/161) – dem Bezirksgericht Linz zu.

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