OGH 6Ob171/23z

OGH6Ob171/23z25.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Dr. I*, Deutschland, vertreten durch BHF Briefer Hülle Frohner Gaudernak Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die Antragsgegnerin Mag. J*, vertreten durch Mag. Nora Friedle, Rechtsanwältin in Mannersdorf am Leithagebirge, wegen Rückführung der Minderjährigen H*, geboren * 2021, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. August 2023, GZ 48 R 26/23p‑43, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00171.23Z.0925.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Nach § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.

[2] Eine im außerordentlichen Revisionsrekurs aufgeworfene Rechtsfrage muss daher, um als Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zu gelten, zur Lösung des konkreten Falls erforderlich, sie muss also präjudiziell sein (RS0088931 [T2, T4]; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I2 § 62 Rz 33).

[3] 2. Wirft die vom Gericht zweiter Instanz primär herangezogene Begründung keine erhebliche Rechtsfrage auf, so kann auch die Richtigkeit einer vom Gericht zweiter Instanz nur hilfsweise herangezogenen Begründung nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden, weil diesfalls die Entscheidung des Falls nicht im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (hier: § 62 Abs 1 AußStrG) von der Lösung der nur hilfsweise zur Begründung herangezogenen Überlegungen abhängt (6 Ob 93/20z ErwGr 2.2; RS0042736 [T2]).

[4] Aber auch dann, wenn die primäre Begründung des Gerichts zweiter Instanz eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, nicht aber die selbständig tragfähige Hilfsbegründung, fehlt es an der Präjudizialität der erheblichen Rechtsfrage, sodass die Revision oder der Revisionsrekurs nicht zulässig sind (6 Ob 93/20z; Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 502 ZPO Rz 119).

[5] 3. Das Rekursgericht qualifizierte die im Rekursverfahren erhobene Rechtsrüge aus näher angeführten Gründen als nicht gesetzmäßig ausgeführt. Ergänzend führte es aus, selbst bei inhaltlicher Prüfung der Rechtsansicht des Erstgerichts sei der Rekurs nicht berechtigt.

[6] Als Konsequenz einer nicht gesetzmäßigen Ausführung der Rechtsrüge ist es dem Rechtsmittelgericht verwehrt, auf materiell‑rechtliche Fragen einzugehen (vgl RS0043603 [T10]). In der Beurteilung, die Rechtsrüge sei nicht gesetzmäßig ausgeführt, liegt daher bereits eine selbständig tragfähige Begründung der Rekursentscheidung.

[7] Dieser Beurteilung hält der außerordentliche Revisionsrekurs nichts entgegen. Die im außerordentlichen Revisionsrekurs gegen die inhaltliche Prüfung der Rechtsansicht des Rekursgerichts vorgebrachten Argumente vermögen daher keine Rechtsfrage, von deren Lösung die Rechtssache abhängt, und damit keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zu begründen.

[8] 4. Auch im Außerstreitverfahren bilden Verfahrensverstöße nur dann eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wenn sie abstrakt geeignet sind, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen (RS0043027 [T13]).

[9] Soweit im außerordentlichen Revisionsrekurs als Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens gerügt wird, das Rekursgericht habe das im Rekursverfahren erstattete neue Vorbringen und die neu vorgelegten Urkunden zu Unrecht gemäß § 49 Abs 2 AußStrG als unzulässige Neuerungen beurteilt, ist dieser Verfahrensmangel nicht wesentlich. Auch in diesem Zusammenhang nahm das Rekursgericht „der Vollständigkeit halber“ (Rekursentscheidung S 6) eine Überprüfung unter Berücksichtigung der Neuerungen vor und führte aus, dass deren Berücksichtigung zu keinem anderen Ergebnis führe. Mangels Relevanz des behaupteten Mangels des Rekursverfahrens wird auch in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG dargetan.

[10] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist daher nicht zulässig.

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