European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00038.23X.0920.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Finanzstrafsachen
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. * M* jeweils mehrerer Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG (I 1 und III) und nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (I 2) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er vorsätzlich eine Verkürzung an Abgaben bewirkt, und zwar
(I 1) im Zuständigkeitsbereich des ehemaligen Finanzamts Graz-Stadt als steuerlich verantwortlicher Geschäftsführer der T* GmbH unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten durch Geltendmachung ungerechtfertigter Vorsteuerbeträge in der Jahressteuererklärung für das Veranlagungsjahr 2014 an Umsatzsteuer um 86.000 Euro,
(I 2) im Zuständigkeitsbereich des ehemaligen Finanzamts Graz-Stadt als steuerlich verantwortlicher und selbstständig vertretungsbefugter unbeschränkt haftender Gesellschafter der T* GmbH Nfg KG unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen an Umsatzsteuer für die Voranmeldungszeiträume Jänner 2018 bis Mai 2019 und Juli 2019 bis Jänner 2021 um insgesamt 306.768,70 Euro (im Ersturteil nach Entrichtungszeiträumen aufgegliedert) und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, sowie
(III) als Einzelunternehmer im Zuständigkeitsbereich des ehemaligen Finanzamts Graz-Umgebung unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten durch Nichterklären von Beteiligungsveräußerungen in Bezug auf eine im Urteil bezeichnete Liegenschaft und von Einkünften aus selbständiger Arbeit in der Jahressteuererklärung für das Veranlagungsjahr 2013 an Einkommenssteuer um 111.348 Euro.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Nach den Feststellungen des Erstgerichts zu I 2 wurde gegenüber dem Finanzamt kein für die Verfehlung verantwortlicher Täter deklariert (US 6).
[5] Unter dem Blickwinkel strafbefreiender Selbstanzeige (§ 29 FinStrG) moniert die Mängelrüge (Z 5) zu I 2 insoweit das Übergehen (Z 5 zweiter Fall) von Kontoauszügen, welche in der Hauptverhandlung vorgelegt und zum Akt genommen wurden (Beilage ./C in der Beilagenmappe).
[6] Die für die Annahme des Strafaufhebungsgrundes des § 29 FinStrG unabdingbare Darlegung, wer die Verfehlungen zu verantworten hat (dazu Lässig in WK2 FinStrG § 29 Rz 17; VwGH 20. 9. 2006, 2006/14/0046 und VwGH 26. 11. 2003, 2000/13/0072), lässt sich aber auch diesen Verfahrensergebnissen nicht entnehmen, weder erfolgt darin eine explizite Täternennung noch geht aus dem Buchungstext der Angeklagte als Anzeiger (§ 29 Abs 5 FinStrG) hervor. Bei den Feststellungen zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 29 FinStrG (US 6) musste das Erstgericht somit zur Vermeidung von Unvollständigkeit nicht darauf eingehen.
[7] Die leugnende Verantwortung des Angeklagten haben die Tatrichter bei den Feststellungen zum Schuldspruch III nicht übergangen, sondern als unglaubwürdig verworfen (US 12 f). Zu einer Erörterung sämtlicher Aussagedetails waren sie entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO nicht verhalten (RIS-Justiz RS0098778 und RS0106295). Die in diesem Zusammenhang von der Beschwerde auch angesprochenen rechtlichen Erwägungen des Angeklagten sind schon von vornherein nicht Gegenstand des Beweisverfahrens (Lendl, WK‑StPO § 258 Rz 45 mwN).
[8] Welche sonstigen Ergebnisse der Außenprüfung im Sinn des insoweit herangezogenen Nichtigkeitsgrundes übergangen worden sein sollen, bleibt offen.
[9] Da Ausführungen in der Gegenäußerung zur Anklageschrift kein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Verfahrensergebnis (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 195 Abs 1 FinStrG) sind, verfehlt der darauf gegründete Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) den gesetzlichen Bezugspunkt der Anfechtung (RIS-Justiz RS0098016 [T1]).
[10] Nach den Konstatierungen des Erstgerichts zum Schuldspruch I 1 erstattete der Angeklagte am 3. Mai 2018 anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung namens der T* GmbH eine Selbstanzeige, worin er Verfehlungen betreffend die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Vorsteuerbeträgen in den Jahren 2014 und 2015 offenlegte. Mit dieser Selbstanzeige war ein Stundungsansuchen verbunden, welches mit Bescheid vom 29. Juni 2018 abgewiesen wurde. Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2014 mit einer Nachforderung von 86.000 Euro wurde dem Angeklagten am 14. Dezember 2018 bekannt gegeben. Am 19. Februar 2019 langte beim Finanzamt Graz‑Stadt eine mit 15. Februar 2019 datierte Selbstanzeige und ein Antrag auf Zahlungserleichterung in Bezug auf den Gesamtrückstand ein. Letzterer wurde mit Bescheid vom 6. März 2019 abgewiesen (US 5 f).
[11] Die Behauptung (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 9 lit b) strafbefreiender Selbstanzeige (§ 29 FinStrG) wird nicht auf der Basis des dargestellten Urteilssachverhalts entwickelt. Solcherart verfehlt die Rechtsrüge die prozessförmige Darstellung des geltend gemachten materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099810).
[12] Ihre Sicht, wonach für die Berechnung der Frist des § 29 Abs 2 erster Satz FinStrG hier – entgegen § 29 Abs 2 zweiter Satz FinStrG – nicht der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Abgabenbescheids entscheidend sei, leitet die Rüge nicht aus dem Gesetz ab (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).
[13] Ebenso wenig erfüllen die Anforderung methodengerechter Ableitung aus dem Gesetz der Einwand, die Abweisung des Stundungsersuchens mit Bescheid vom 29. Juni 2018 sei „nicht wirksam“ gewesen, und die Kritik, aufgrund der Begleichung von 81.000 Euro (dazu US 10) hätte lediglich der nicht binnen Zweijahresfrist beglichene Betrag von 5.000 Euro herangezogen werden dürfen.
[14] Hinzugefügt sei, dass Straffreiheit des Angeklagten nach § 29 FinStrG auf der Basis der Feststellungen des Erstgerichts ausscheidet, weil er den Einnahmenausfall weder innerhalb der einmonatigen Frist berichtigt noch bis zum 14. Jänner 2019 einen Antrag auf Zahlungserleichterung gestellt hat (siehe dazu auch Lässig in WK2 FinStrG § 29 Rz 6 und 9).
[15] Nach den Feststellungen zum Schuldspruch I 2 gab der Angeklagte als unbeschränkt haftender Gesellschafter und als abgabenrechtlich Verantwortlicher der T* GmbH Nfg KG, die von § 33 Abs 2 lit a FinStrG umfassten Voranmeldungen für die Kalendermonate Jänner 2018 bis Mai 2019 und Juli 2019 bis Jänner 2021 nicht bis zum Fälligkeitstag des auf diese Kalendermonate jeweils zweitfolgenden Monats (dazu US 6 iVm US 2 f), sondern verspätet ab und hielt dabei die Verkürzung von Umsatzsteuer nicht nur für möglich, sondern für gewiss (US 6 f). In den für die T* GmbH Nfg KG (verspätet) abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen wurde kein steuerlicher Verantwortlicher als Täter genannt (US 11).
[16] Warum in einer Selbstanzeige – entgegen dem Wortlaut des § 29 Abs 5 FinStrG und höchstgerichtlicher Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0106202 [T2]; VwGH 20. 9. 2006, 2006/14/0046; 15. 6. 2005, 2002/13/0048; 20. 10. 2004, 2002/14/0060; 20. 10. 2004, 2002/14/0060; 26. 11. 2003, 2000/13/0072; 27. 2. 2002, 2001/13/0297; 27. 2. 2002, 2001/13/0297 und 29. 11. 2000, 2000/13/027) – die faktische Entrichtung der geschuldeten Beträge genügen und der Täter nicht eindeutig bezeichnet werden müsse, leitet die Rüge einmal mehr nicht aus dem Gesetz ab (erneut RIS-Justiz RS0116565). Der Hinweis auf die Entscheidungen 14 Os 80/95 und 11 Os 49/99 kann das Erfordernis nicht ersetzen, weil der Oberste Gerichtshof darin keine die Beschwerdeansicht stützende Aussage traf und den Entscheidungen anders gelagerte Sachverhalte zugrunde lagen.
[17] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[18] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[19] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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