European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00076.23Z.0830.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (I./) und der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 25. Dezember 2022 in F*
I./ * Sh* absichtlich eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zugefügt, indem er diesem mehrere kräftige Faustschläge gegen Gesicht und Körper versetzte, ihm die Jacke über den Kopf „zog bzw“ zu ziehen versuchte und ihn zu Fall brachte, dem am Boden Liegenden weitere massive Faustschläge ins Gesicht und einen wuchtigen Tritt mit dem Fuß gegen das Gesicht versetzte, nach einer kurzen Unterbrechung der Tätlichkeiten ihm neuerlich Faustschläge gegen Gesicht und Oberkörper versetzte und ihn durch Krafteinwirkung gegen ein Bein nochmals zu Fall brachte, wobei Sh* blutende Kratzwunden im Gesicht und am Hals sowie eine distale Radiusfraktur links (handgelenksnaher Bruch der Speiche), die mit einem Unterarmgips versorgt werden musste, mithin eine an sich schwere Körperverletzung, erlitt;
II./ Personen vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht, indem er ihnen Faustschläge ins Gesicht zu versetzen versuchte, und zwar
1./ * N* und
2./ * B*.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen den Schuldspruch zu I./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Dem – mit der Behauptung einer „unstatthaften Vermutung zu Lasten des Angeklagten“ erhobenen – Einwand einer offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider ist die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu I./ (US 9, 12) aus dem äußeren Tatgeschehen (US 6 ff), der jahrelangen Kampfsportausbildung des Angeklagten (US 3) und dessen Vorbelastung wegen ähnlich gelagerter Tätlichkeiten (US 3 ff) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Im Übrigen ist es ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar, von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen oder Wissen zu schließen (RIS‑Justiz RS0098671, RS0116882).
[5] Auch die zu I./ getroffene Feststellung, wonach der handgelenksnahe Bruch der Speiche (distale Radiusfraktur links) des Sh* eine unmittelbare Folge der Tätlichkeiten des Angeklagten (und nicht eines behaupteten Treppensturzes vom folgenden Tag) ist (US 8 f), wurde – entgegen der Beschwerdekritik (Z 5 vierter Fall) – mängelfrei begründet. Denn die Tatrichter haben diese Konstatierung unter Beachtung der eine solche Kausalität verneinenden Aussage des Tatopfers logisch und empirisch einwandfrei auf den durch die (per Videoaufzeichnung dokumentierten) Tätlichkeiten des Angeklagten bedingten Sturz des Sh* auf dessen linkes Handgelenk und die von dieser Körperstelle durch die einschreitenden Polizisten angefertigten Fotos gestützt (US 11 f).
[6] Mit Blick auf die (erfolglos bekämpften) Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Absicht auf Zufügung einer schweren Verletzung) und die Gleichwertigkeit von Versuch und Vollendung (RIS‑Justiz RS0122138) spricht die Mängelrüge insoweit im Übrigen auch keine für den Schuldspruch oder die Subsumtion nach § 87 Abs 1 StGB entscheidende Tatsache an.
[7] Gleiches gilt für die Tatsachenrüge (Z 5a), die sich mit dem Hinweis auf den Ambulanzbericht vom 27. Dezember 2022 und die Aussage des Tatopfers in der Hauptverhandlung gegen die Feststellung zur Verursachung des handgelenksnahen Bruchs der Speiche des Sh* durch den Angeklagten wendet. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen vermag die Beschwerde damit jedenfalls nicht zu wecken (RIS‑Justiz RS0118780).
[8] Der Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) kann niemals Gegenstand der formellen Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5 und Z 5a StPO sein (RIS‑Justiz RS0102162). Im Übrigen stellt er auch keine negative Beweisregel dar und verpflichtet das erkennende Gericht nicht, sich bei mehreren denkbaren Schlussfolgerungen durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0098336, RS0099674).
[9] Insgesamt will die Beschwerde (Z 5, Z 5a) aus den (erwogenen) Beweisergebnissen für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen gezogen wissen, womit sie bloß unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpft (RIS‑Justiz RS0098400, RS0099455).
[10] Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) Konstatierungen zur erforderlichen Absichtlichkeit (§ 5 Abs 2 StGB) des Angeklagten vermisst, orientiert sie sich prozessordnungswidrig (RIS‑Justiz RS0099810) nicht am festgestellten Sachverhalt (US 9, 12 f).
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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