OGH 12Os57/23h

OGH12Os57/23h27.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juli 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräteund die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart des Schriftführers Rechtspraktikant Obergruber LL.M. in der Strafsache gegen * V* wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 6. Februar 2023, GZ 14 Hv 53/22f‑33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00057.23H.0727.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * V* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 23. September 2020 in R* in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit S* U*, * P* und I* U* als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) * T* mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) ein Handy und insgesamt rund 2.300 Euro Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei sie den Raub unter Verwendung einer Waffe verübten, indem ihm I* U* Schläge gegen das Gesicht versetzte, I* und S* U* seine Extremitäten mit Klebebändern fesselten sowie seinen Mundbereich knebelten, ihm I* U* mit einem Messer das Durchschneiden der Kehle andeutete undI* U* und * P* ihm mehrfach ein Messer an seine Brust ansetzten und es gegen ihn richteten (US 4).

Rechtliche Beurteilung

[3] Allein gegen die Feststellungen, die die Subsumtion nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB tragen, wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Aktenwidrigkeit im Sinn der Z 5 fünfter Fall liegt vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431 [T1]).

[5] Entgegen der Beschwerdeauffassung ist die – zulässig pauschale (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 468) – Darstellung der Verantwortung des Angeklagten vor der Polizei (ON 279 S 9 in ON 5 iVm ON 32 S 9), wonach er dabei zugesehen habe, wie ein Messer von seinem Mittäter * P* dazu verwendet wurde, um * T* einzuschüchtern (US 5), bei dem allein unter semantischen Gesichtspunkten anzustellenden Vergleich (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 467) der Aussagepassage in ihrer Gesamtheit mit ihrer Wiedergabe im Urteil nicht zu beanstanden.

[6] Auch die von der Beschwerde eingewendete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) liegt nicht vor:

[7] In Ansehung des Zeugen * T* gingen die Tatrichter davon aus, dass dieser unmittelbare und nachträgliche Wahrnehmungen vermischte, nicht mehr genau wusste, wer sich zu Beginn des Raubes in seinem Schlafzimmer befunden habe, und sich an den Vorfall nur lückenhaft erinnern konnte (US 6). Zu einer Erörterung von (diesbezüglichen) Aussagedetails des Genannten war der Schöffensenat daher nicht verhalten.

[8] Das Ergebnis des DNA‑Gutachtens (ON 122 S 22, 25 in ON 3 iVm ON 32 S 9), wonach die Blutspur am Verbandskasten, am Messergriff und an der Glasscheibe zum Aufgang in die Wohnung K* von derselben Person stamme, steht nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch zu den bekämpften Feststellungen.

[9] Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen (hier: der Mittäter I* U* und * P*) kann unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Dafür müssen die die Aufrichtigkeit von Zeugen angeblich ernsthaft in Frage stellenden, gleichwohl unerörtert gebliebenen Tatumstände deutlich und bestimmt bezeichnet werden. Der Bezugspunkt besteht jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu den entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0119422 [T4]).

[10] Diesem Erfordernis wird die Beschwerde, die sich insoweit auf das Referat einzelner Passagen der – vom Gericht berücksichtigten (US 5 f) – Angaben des I* U*, des * P* sowie des Angeklagten beschränkt (vgl aber RIS‑Justiz RS0119370) und dabei offen lässt, weshalb und in welcher Hinsicht diese „verschiedenste[n] Depositionen“ die Glaubhaftigkeit des I* U* und des * P* in Bezug auf entscheidende Tatsachen (dazu RIS-Justiz RS0117264 und RS0117499) – insbesondere auf die Tatsache der Anwesenheit des Angeklagten während der Bedrohung des Opfers mit einem Messer – betreffen sollten, nicht gerecht.

[11] Gleiches gilt für Thesen der Art, die den Angeklagten belastenden Bekundungen der Genannten wirkten sich zu deren Vorteil (strafmildernd) aus (vgl RIS-Justiz RS0106588).

[12] Der Sache nach bekämpft die Beschwerde bloß mit eigenen Beweiswerterwägungen zu den dargestellten Verfahrensergebnissen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[14] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[15] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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