OGH 12Os75/23f

OGH12Os75/23f27.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juli 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, Dr. Brenner, Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart des Schriftführers Rechtspraktikant Obergruber LL.M. in der Strafsache gegen * P* wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Jugendschöffengericht vom 26. April 2023, GZ 11 Hv 20/23d‑18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00075.23F.0727.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiete: Jugendstrafsachen, Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung hat das Oberlandesgericht Graz zu entscheiden.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * P* jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von

Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./) und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in K* und an anderen Orten in zahlreichen Angriffen

I./ von Anfang 2019 bis zum 30. November 2019 mit einer unmündigen Person, und zwar mit der am 1. Dezember 2006 geborenen * G*, den Beischlaf unternommen, indem er zwei Mal pro Woche den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog; und

II./ von Anfang 2020 bis Juli 2021 * G* mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich Analverkehr, genötigt, indem er ihre Arme festhielt, sie gegen das Bett drückte, sie teils stark würgte und ihr mit der flachen Hand ins Gesicht schlug.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 4 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

[4] Der Erledigung der Verfahrensrüge (Z 4) ist vorauszuschicken, dass die Begründung des einen Beweisantrag ablehnenden Beschlusses nicht mit Nichtigkeit bedroht ist und daher auch nicht bekämpft werden kann (RIS‑Justiz RS0116749). Im Übrigen wurden durch die Ablehnung zweier Beweisanträge Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.

[5] Der Antrag auf „Einholung eines medizinischen SV‑Gutachtens aus dem Bereich der Chirurgie, unter Umständen ein Gutachten aus dem Bereich der Geschlechtskrankheiten, wenn dies notwendig erscheint“, wurde zum Beweis dafür gestellt, dass „aufgrund der vorgeworfenen Handlungen (Würgen, Schlagen usw.) jedenfalls sichtbare Verletzungen als Folge bei der Privatbeteiligten hinterblieben wären und dies auch feststellbar gewesen wäre für die gesamte Umgebung der Privatbeteiligten“ (ON 17.1 S 25).

[6] Diesem Begehren ermangelte es an einem Vorbringen, weshalb die Durchführung der begehrten Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, womit es sich in unzulässiger Erkundungsbeweisführung erschöpfte (vgl RIS‑Justiz RS0099453). Zu einer entsprechenden Begründung wäre der Antragsteller aber mit Blick auf die Verfahrensergebnisse, wonach das Opfer erlittene Verletzungen überschminkte (ON 17.1 S 24 iVm ON 6 S 6), umso mehr verpflichtet gewesen.

[7] Der weitere Antrag auf Einholung eines medizinischen Gutachtens aus dem Fachbereich der Psychiatrie und Neurologie zum Beweis dafür, „dass die psychischen Erkrankungen der Privatbeteiligten jedenfalls nicht mit Aktionen des Angeklagten zusammenhängen“ (ON 18 S 25), ließ die Relevanz für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage nicht erkennen (vgl RIS‑Justiz RS0118444 [T2]).

[8] Das im Rechtsmittel jeweils nachgetragene Vorbringen unterliegt dem Neuerungsverbot und ist damit unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

[9] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

[10] Ausgehend davon weckt die Beschwerde keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen. Denn sie versucht bloß, die dem Urteil als glaubwürdig zugrunde gelegten Angaben des Opfers (US 6 ff) zum Beginn des Tatzeitraums, zur Häufigkeit der sexuellen Angriffe, zu dessen fehlendem Einverständnis und zu den Gewaltanwendungen sowie die Konstatierungen zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme von den sexuellen Übergriffen durch die Mutter des Opfers auf Basis eigener Beweiswerterwägungen in Frage zu stellen.

[11] Ob die dem Angeklagten zur Last gelegten Taten zu einer psychischen Belastung des Opfers führten, ist für die Lösung der Schuld- und Subsumtionsfrage nicht entscheidend, womit das darauf bezogene Vorbringen auf sich beruhen kann.

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), womit das Oberlandesgericht über die Berufung zu entscheiden hat (§ 285i StPO).

[13] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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