OGH 23Ns4/23z

OGH23Ns4/23z5.7.2023

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 5. Juli 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als weitere Richterin sowie die Rechtsanwälte Mag. Dorn und Dr. Mitterlehner als Anwaltsrichter in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, AZ D 77/23 des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer *, über die Anträge des Disziplinarrats und des Kammeranwalts auf Übertragung der Durchführung des Disziplinarverfahrens an einen anderen Disziplinarrat nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0230NS00004.23Z.0705.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Durchführung des Disziplinarverfahrens wird dem Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer * übertragen.

 

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

[1] Beim Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer * wurde gegen *, Rechtsanwalt in *, zu AZ D 77/23Disziplinaranzeige erstattet (ON 1).

[2] Am 24. Mai 2023 beantragte der zuständige Kammeranwalt mit der Begründung, dass der Angezeigte Mitglied des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * sei, die Delegierung des Verfahrens an einen anderen Disziplinarrat im Sinn des § 25 Abs 1 DSt, in eventu die Bestellung eines Untersuchungskommissärs nach § 22 Abs 3 DSt.

[3] Daraufhin beantragte der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer * seinerseits unter Hinweis auf die Tätigkeit des Angezeigten als Mitglied des Disziplinarrats zur Vermeidung des Anscheins der Befangenheit der Entscheidungsträger die Übertragung der Durchführung des Disziplinarverfahrens an den Disziplinarrat einer anderen Rechtsanwaltskammer.

[4] Gemäß § 25 Abs 1 erster Satz DSt kann die Durchführung des Disziplinarverfahrens wegen Befangenheit der Mitglieder des Disziplinarrats oder aus anderen wichtigen Gründen auf Antrag des Beschuldigten, des Kammeranwalts oder des Disziplinarrats selbst einem anderen Disziplinarrat übertragen werden.

[5] Wenngleich das Disziplinarverfahren erst ab der Bestellung eines Untersuchungskommissärs (§ 22 Abs 3 DSt) anhängig ist, wendet die Judikatur § 25 Abs 1 DSt auch auf das einem allfälligen Disziplinarverfahren vorgelagerte Verfahren zur dem Disziplinarrat durch seinen Präsidenten oder einen Senat obliegenden (§ 27 Abs 1, § 29 DSt) Entscheidungsfindung über einen Verfolgungsantrag des Kammeranwalts nach § 22 Abs 3 DSt an (RIS‑Justiz RS0119913 [T1 und T3]; für alle: 22 Ns 1/22z mwN).

[6] Der Umstand, dass sich die Disziplinaranzeige gegen ein Mitglied des nach dem Gesetz zur Entscheidung berufenen Disziplinarrats richtet, stellt einen Delegierungsgrund im Sinn des § 25 Abs 1 DSt dar, der zur Vermeidung des Anscheins einer Parteilichkeit der Entscheidungsträger eine Übertragung der Durchführung des Verfahrens an einen anderen Disziplinarrat notwendig macht (vgl RIS‑Justiz RS0055477 [insb T5]).

[7] Den Anträgen war daher Folge zu geben und die Sache dem Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer * zu delegieren.

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