OGH 11Os60/23t

OGH11Os60/23t13.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Juni 2023 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mair als Schriftführerin in der Strafsache gegen * H* wegen des Verbrechens nach § 3g VG, AZ 13 Hv 72/22t des Landesgerichts Klagenfurt, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts als Geschworenengericht vom 8. März 2023, GZ 13 Hv 72/22t‑16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Oberstaatsanwalt Mag. Pawle, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0110OS00060.23T.0613.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Im Verfahren AZ 13 Hv 72/22t des Landesgerichts Klagenfurt verletzt das Urteil dieses Gerichts als Geschworenengericht vom 8. März 2023 im Einziehungserkenntnis § 26 Abs 1 und Abs 3 StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Einziehungserkenntnis ersatzlos aufgehoben.

 

Gründe:

[1] Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Geschworenengericht vom 8. März 2023, GZ 13 Hv 72/22t‑16, wurde * H* von dem wider ihn erhobenen Vorwurf (ON 9) gemäß § 336 StPO freigesprochen, er habe am 31. Dezember 2019 „in * K* (oder einem anderen Ort im Bundesgebiet), sich auf eine andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er ein 13 Sekunden langes Video in die WhatsApp Gruppe 'Polizei Landhaushof' stellte oder sendete, auf dem eine männliche Person zu sehen ist, die wie Adolf Hitler aussieht und mit der rechten Hand den 'Hitler-Gruß' vollzieht“.

[2] Die Geschworenen hatten die an sie anklagekonform gestellte Hauptfrage verneint (ON 15 S 20 und 23).

[3] Gemäß § 26 Abs 1 StGB wurde das „sichergestellte Mobiltelefon der Marke Huawei P40 lite (ON 13)“ eingezogen (US 2).

[4] Hinsichtlich des Einziehungserkenntnisses ging das Gericht davon aus, dass das sichergestellte Mobiltelefon vom Angeklagten „zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet“ wurde. Aufgrund darauf enthaltener „Dateien mit nationalsozialistischem Hintergrund“ sowie der Gefahr, dass damit „durch neuerliche Besitzer mit Strafe bedrohte Handlungen begangen werden“ können, bejahte das Gericht eine Gefährlichkeit, die „die (objektive) Einziehung erforderlich“ mache (US 2).

[5] Der Freispruch und das Einziehungserkenntnis erwuchsen unangefochten in Rechtskraft (ON 15 S 10, ON 17).

[6] Die Vernichtung des eingezogenen Mobiltelefons wurde mit Endverfügung vom 14. März 2023 (ON 17) angeordnet.

Rechtliche Beurteilung

 

[7] Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht das erwähnte Urteil (ON 16) mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[8] Einziehung nach § 26 StGB setzt – auch im hier gegebenen Fall eines Freispruchs vom korrespondierenden Anklagevorwurf (vgl § 26 Abs 3 StGB) – eine Anlasstat, also die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung, voraus. Eine solche liegt (nur) dann vor, wenn der Tatbestand in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt ist. Schuldausschließungsgründe, persönliche Strafausschließungsgründe, Rücktritt vom Versuch und Verjährung hindern die Einziehung nicht (Ratz in WK² StGB § 21 Rz 14 sowie § 26 Rz 9 ff; RIS‑Justiz RS0090501 [T6, T7]).

[9] Da die – zum Freispruch führende – Verneinung der Hauptfrage durch die Geschworenen eine zumindest teilweise Ablehnung darin beschriebener (objektiver oder subjektiver) Tatbestandsmerkmale bedeutet (während Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründe Gegenstand von Zusatzfragen wären; vgl Lässig, WK‑StPO § 312 Rz 5 und § 313 Rz 3 f), tragen die im Wahrspruch getroffenen (Negativ‑)Feststellungen gerade nicht die Annahme, der Angeklagte habe durch die (vom Freispruch umfasste, als Anlasstat in Betracht kommende) Tat eine „mit Strafe bedrohte Handlung“ begangen.

[10] Nach dem Akteninhalt auch in einem weiteren Rechtsgang nicht zu erwartende (Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 21) Feststellungen zur Begehung einer tauglichen Anlasstat in Bezug auf den vom Einziehungserkenntnis umfassten Gegenstand (durch den Angeklagten selbst oder einen Dritten) hat auch das Geschworenengericht nicht getroffen.

[11] Das dennoch ergangene Einziehungserkenntnis verletzt daher § 26 Abs 1 und Abs 3 StGB.

[12] Die Feststellung der Gesetzesverletzung war wie aus dem Spruch ersichtlich mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).

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