OGH 6Ob222/22y

OGH6Ob222/22y17.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, wider die beklagte Partei S* GmbH, *, vertreten durch WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. August 2022, GZ 3 R 66/21d-16, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. Mai 2021, GZ 57 Cg 32/20m‑10, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzungzu Recht erkannt und beschlossen:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00222.22Y.0517.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Klauselentscheidungen, Konsumentenschutz und Produkthaftung

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

1. Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Im Umfang der Anfechtung wird das Urteil des Erstgerichts einschließlich dessen Kostenentscheidung wiederhergestellt.

2. Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 7.119,39 EUR (darin enthalten 932,23 EUR an Umsatzsteuer und 1.526 EUR an Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter und dritter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger ist ein nach § 29 Abs 1 Konsumentenschutzgesetz (KSchG) klagebefugter Verein.

[2] Die Beklagte bietet Privatfernsehen an; sie schließt im gesamten Gebiet der Republik Österreich laufend mit Verbrauchern Verträge, deren Gegenstand die Zurverfügungstellung von Fernsehinhalten auf verschiedenen Kanälen gegen Bezahlung ist. Die Beklagte ist Unternehmerin im Sinne des KSchG.

[3] In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die sie den mit den Verbrauchern abgeschlossenen Verträgen zugrunde legt, sind folgende Regelungen enthalten:

„5. Datenschutz

5.1 [Beklagte] ist Verantwortliche für die Verarbeitung der vom Abonnenten angegebenen personenbezogenen Daten. […]

5.2 Die vom Abonnenten angegebenen personenbezogenen Daten sowie Daten über Art und Häufigkeit seiner Nutzung der von [Beklagter] erbrachten Leistungen werden von [Beklagter] verarbeitet und innerhalb der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen (insbesondere nach UGB und BAO) gespeichert, soweit dies für die Vertragserfüllung, insbesondere für die Durchführung des Kundenservices sowie die Vergütungsabrechnung, erforderlich ist (Art 6 Abs 1 lit b DSGVO). Die Daten werden, abhängig vom jeweiligen Abonnement, ggf. an Dritte, welche in einem Vertragsverhältnis mit dem Abonnenten stehen (z.B. IPTV-Anbieter) und an Dienstleister, die im Auftrag von [Beklagter] Leistungen erbringen (Auftragsverarbeitung, Art 28 DSGVO) übermittelt. Sofern sich ein [Beklagten]-Dienstleister in einem Drittland befindet, wird durch geeignete Maßnahmen (insbesondere Verwendung von EU-Standardvertragsklauseln) gewährleistet, dass die Rechte des Abonnenten als betroffene Person gewahrt sind. […]

5.7 Damit der Abonnent das [Beklagten]-Angebot bestmöglich nutzen und (ggf. weitere) für ihn interessante [Beklagten]-Produkte erwerben kann, nutzt [Beklagte] Adressdaten, die [Beklagte] im Zusammenhang mit dem Abonnementvertrag erhalten hat, um dem Abonnenten, auch über die Vertragslaufzeit hinaus, Informationen zu [Beklagten]-Produkten aus dem Bereich Pay-TV per Post zukommen zu lassen (Direktwerbung). [Beklagte] verarbeitet zu diesem Zweck ggf. weitere Rahmendaten aus dem Abonnementvertrag (insb die vom Abonnenten gebuchten Pakete, das Alter, die genutzte Hardware und ob diese mit dem Internet verbunden ist, und ob der Abonnent [Beklagte] * nutzt), um die Werbung auf die möglichen Interessen des Abonnenten ausrichten zu können. Rechtsgrundlage hierfür ist Art 6 Abs 1 lit f DSGVO. Als Kunde von [Beklagter] wird [Beklagte] den Abonnenten außerdem gelegentlich auch mittels elektronischer Nachrichten (E-Mail, SMS) über ähnliche [Beklagten]-Angebote aus dem Bereich Pay-TV informieren, die für den Abonnenten ebenfalls interessant sein könnten (Art 6 Abs 1 lit f DSGVO). Diese Informationen erhält der Abonnent aufgrund gesetzlicher Erlaubnis in § 107 Abs 3 TKG. [Beklagte] übermittelt genannte Nachrichten nur, falls der Abonnent [Beklagte] die entsprechenden Kontaktdaten (E-Mail-Adresse, Telefon-Nr.) im Rahmen des Abonnements bekanntgegeben und die Zusendung nicht abgelehnt hat. Der Abonnent kann der oben beschriebenen Nutzung der Daten zum Zweck der Direktwerbung jederzeit, auch teilweise, mit Wirkung für die Zukunft widersprechen, u.a. unter der oben genannten Adresse oder problemlos und kostenfrei unter infoservice@[Beklagte].at. Der Abonnent wird bei jeder Übermittlung genannter Nachrichten über sein Widerrufsrecht informiert.

5.8 Der Abonnent hat das Recht, unentgeltlich Auskunft über die von ihm bei [Beklagter] gespeicherten personenbezogenen Daten zu verlangen (Art 15 DSGVO). Der Abonnent hat außerdem das Recht, Berichtigung, Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung seiner bezogenen Daten zu verlangen (Art 16 - 18 DSGVO) sowie das Recht, betreffenden Daten in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten (Recht auf Datenübertragbarkeit, Art 20 DSGVO). Einer Datenverarbeitung, die zur Wahrung berechtigter Interessen von [Beklagter] oder eines Dritten erforderlich ist oder die zum Zweck der Direktwerbung erfolgt, kann der Abonnent jederzeit im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen widersprechen (Art 21 DSGVO). Entsprechende Anfragen kann der Abonnent an die oben genannte Adresse oder an infoservice@[Beklagte].at richten. Ist der Abonnent der Ansicht, dass die Verarbeitung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten durch [Beklagte] einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen widerspricht, kann er sich auch an eine Aufsichtsbehörde, insbesondere in dem Mitgliedsstaat seines Aufenthaltsorts oder des Orts des mutmaßlichen Verstoßes, wenden.

5.9 Weitere Informationen zum Datenschutz bei [Beklagter] finden sich unter der jeweils aktuellsten Fassung in der Rubrik Datenschutz auf der Webseite www.[Beklagte].at bzw auf den Webseiten der jeweiligen [Beklagte]-Produkte (z.B. https://store.[Beklagte].at/) sowie unter Einstellungen bzw Rechtliches in den [Beklagte]-Apps (z.B. Sky Go App).“

 

[4] Am 6. 5. 2020 sandte die Beklagte unter dem Betreff „Damit unsere Post auch bei dir ankommt. Adresscheck“ folgende E-Mail:

„Vom 21. 5. 2020 bis 4. 6. 2020 überprüfen wir, ob die Adressdaten unserer Kunden noch aktuell sind.

Dazu geben wir deine Daten an die Österreichische Post zum Abgleich (aufgrund berechtigten Interesses, Art 6 I f DSGVO). Sollte sich etwas geändert haben, werden deine Daten aktualisiert.

Falls du mit dieser Überprüfung nicht einverstanden bist, hast du hier die Möglichkeit, bis 20. 5. 2020 zu widersprechen.

Damit zukünftig alle vertragsrelevanten Informationen aber auch tatsächlich in deinem Postkasten landen, hoffen wir auf deine Unterstützung - du brauchst dafür nichts zu tun.

Vielen Dank und weiterhin viel Spaß mit [Beklagter].

Viele Grüße

Dein [Beklagten]-Team.“

[5] Der Kläger begehrt, die Beklagte für schuldig zu erkennen, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegt, und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung der Klauseln

„1. Dazu geben wir deine Daten an die österreichische Post zum Abgleich (aufgrund berechtigten Interesses, Art. 6 I f DSGVO). Sollte sich etwas geändert haben, werden deine Daten aktualisiert.

Falls du mit dieser Überprüfung nicht einverstanden bist, hast du hier die Möglichkeit, bis 20. 5. 2020 zu widersprechen.

2. [5.2] Die vom Abonnenten angegebenen personenbezogenen Daten sowie Daten über Art und Häufigkeit seiner Nutzung der von [Beklagter] erbrachten Leistungen werden von [Beklagter] verarbeitet und innerhalb der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen (insbesondere nach UGB und BAO) gespeichert, soweit dies für die Vertragserfüllung, insbesondere für die Durchführung des Kundenservices sowie die Vergütungsabrechnung, erforderlich ist (Art 6 Abs 1 lit b DSGVO). Die Daten werden, abhängig vom jeweiligen Abonnement, ggf. an Dritte, welche in einem Vertragsverhältnis mit dem Abonnenten stehen (z.B. IPTV-Anbieter) und an Dienstleister, die im Auftrag von [Beklagter] Leistungen erbringen (Auftragsverarbeitung, Art. 28 DSGVO) übermittelt. Sofern sich ein [Beklagte] Dienstleister in einem Drittland befindet, wird durch geeignete Maßnahmen (insbesondere Verwendung von EU-Standardvertragsklauseln) gewährleistet, dass die Rechte des Abonnenten als betroffene Person gewahrt sind.

3. [5.7] Damit der Abonnent das [Beklagte] Angebot bestmöglich nutzen und (ggf. weitere) für ihn interessante [Beklagten] Produkte erwerben kann, nutzt [Beklagte] Adressdaten, die [Beklagte] im Zusammenhang mit dem Abonnementvertrag erhalten hat, um dem Abonnenten, auch über die Vertragslaufzeit hinaus, Informationen zu [Beklagten] Produkten aus dem Bereich Pay-TV per Post zukommen zu lassen (Direktwerbung).“

 

oder die Verwendung sinngleicher Klauseln zu unterlassen; die Beklagtehabe es ferner zu unterlassen, sich auf die vorstehend genannten Klauseln oder sinngleiche Klauseln zu berufen. Weiters stellt der Kläger das Begehren auf Veröffentlichung des klagsstattgebenden Teils des Urteilsspruchs im Umfang des Unterlassungsbegehrens und der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung binnen sechs Monaten ab Rechtskraft einmal in einer Samstagausgabe des redaktionellen Teils der Kronen-Zeitung bundesweit erscheinenden Ausgabe.

[6] Klausel 1 verletze den Zweckbindungsgrundsatz des Art 5 Abs 1 lit b DSGVO, bei kundenfeindlichster Auslegung auch das Richtigkeitsgebot gemäß Art 5 Abs 1 lit d DSGVO, und verstoße gegen das Grundrecht nach § 1 DSG, gegen den Grundsatz der Datenminimierung gemäß Art 5 Abs 1 lit c DSGVO sowie schließlich gegen das Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG.

[7] Klausel 2 verstoße gegen die Informationspflicht nach Art 13 Abs 1 lit e DSGVO und damit auch gegen den Transparenzgrundsatz gemäß Art 5 Abs 1 lit a DSGVO. Die Speicherfrist verweise nur auf gesetzliche Aufbewahrungsfristen und erfülle damit nicht das in Art 12 Abs 1 DSGVO normierte Präzisions- und Vollständigkeitsgebot. Die Klausel verstoße gegen das Transparenzgebot nach § 6 Abs 3 KSchG. Sie sei intransparent, weil sie auch die Voraussetzungen des Art 13 Abs 1 lit f DSGVO nicht erfülle.

[8] Klausel 3 verstoße gegen den Grundsatz der Rechtmäßigkeit gemäß Art 5 Abs 1 lit a DSGVO, weil die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zur Zusendung von Direktwerbung auf Grundlage von Art 6 Abs 1 lit f DSGVO über die Vertragslaufzeit hinaus unzulässig sei. Es bleibe auch unklar, inwiefern die Beklagte die Daten „nutzt“, sodass die Klausel auch gegen § 6 Abs 3 KSchG verstoße.

[9] Die Beklagte wendet ein, die beanstandeten „Klauseln“ hätten lediglich informativen Charakter. Da § 28 KSchG ausdrücklich auf vertraglich vereinbarte Bedingungen abstelle, die beanstandeten Mitteilungen jedoch in Erfüllung gesetzlicher Informationspflichten nach Art 13 DSGVO erfolgten, fehle es dem Kläger an der Aktivlegitimation hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche.

[10] Klausel 1 weise lediglich einen rein informativen Charakter auf. Als bloße Wissensmitteilung falle Klausel 1 auch nicht in den Anwendungsbereich des § 28 KSchG.

[11] Bei Klausel 2 handle es sich um eine zulässige mehrschichtige Datenschutzinformation. Die in der Klausel enthaltene Information über Übermittlungsempfänger personenbezogener Daten sei ausreichend und vollständig.

[12] Klausel 3 weise einen rein informativen Hinweischarakter auf und unterliege insofern keinem Unterlassungsanspruch nach § 28 KSchG.

[13] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Klausel 1 verstoße gegen den Grundsatz der Rechtmäßigkeit und Verarbeitung nach Treu und Glauben gemäß Art 5 Abs 1 lit a iVm Art 6 Abs 1 lit f DSGVO, gegen das Richtigkeitsgebot gemäß Art 5 Abs 1 lit d DSGVO, gegen das Gebot der Datenminimierung nach Art 5 Abs 1 lit c DSGVO, gegen § 6 Abs 3 KSchG sowie gegen § 1 Abs 2 DSG. Klausel 2 verstoße gegen Art 13 Abs 1 lit e DSGVO, weil die dort angegebenen „Dritten“ keine nachvollziehbare Kategorie von Empfängern darstellten. Überdies liege ein Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz gemäß Art 5 Abs 1 lit a DSGVO sowie gegen die Informationspflichten des Art 13 Abs 1 lit f DSGVO vor. Klausel 3 verstoße aus mehreren Gründen gegen § 6 Abs 3 KSchG.

[14] Das Berufungsgerichtbestätigte das Urteil des Erstgerichts hinsichtlich des ersten Satzes des Unterlassungsbegehrens zu 2., wies das übrige Klagebegehren ab und ließ die ordentliche Revision zu. Klausel 1 sei zwar keine (der Inhaltskontrolle gemäß § 28 Abs 1 KSchG nicht unterliegende) bloße Wissenserklärung. Sie verstoße aber nicht gegen das in Art 5 Abs 1 lit c DSGVO normierte Gebot der Datenminimierung. Im Zusammenhang mit dem angegebenen Zweck der ganzen Aktion („Adresscheck“) sei klar, dass die Beklagte der Österreichischen Post AG nur die für den Adressabgleich erforderlichen Daten weitergebe, die dann, wenn sich etwas geändert haben sollte, aktualisiert würden. Der im Mail vom 6. 5. 2020 angekündigte Datenabgleich sei nichts anderes als der Versuch der Beklagten, den Anforderungen nach Art 5 Abs 1 lit d DSGVO („Richtigkeit“) zu entsprechen. Der erste Satz der Klausel 2 (der eine von den folgenden beiden Sätzen unabhängige Vertragsklausel sei) sei intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG, weil die Angabe, dass die Daten der Abonnenten „innerhalb der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen (insbesondere nach UGB und BAO) gespeichert“ würden, wenn überhaupt jedenfalls nicht ohne sehr intensive Recherche nachvollziehbar sei. Die im zweiten und dritten Satz der Klausel 2 gegebene Information entspreche den Anforderungen des Art 13 Abs 1 lit e und f DSGVO. Danach sei es zulässig, statt der möglichen Empfänger auch Kategorien von Empfängern der personenbezogenen Daten zu nennen. Hier würden zwei überschaubare Kategorien von Empfängern genannt. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen könnten die Empfänger gar nicht präzise genannt werden. Klausel 3 sei nicht intransparent. Der Begriff „Direktwerbung“ werde klar und eindeutig definiert, nämlich als Übermittlung von Werbung per Post. Laut dem Erwägungsgrund 47 der DSGVO könne die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden. Es entspreche dem Interesse der Beklagten, ihren Kunden während des Vertragsverhältnisses, aber auch danach Werbung über ihre Produkte im Bereich Pay-TV zu schicken.

[15] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil noch keine Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu Verbandsklagen im Zusammenhang mit behaupteten Verstößen gegen die DSGVO und insbesondere zu den hier vom Kläger herangezogenen Bestimmungen vorlägen.

Rechtliche Beurteilung

[16] Die Revision des Klägers ist wegen einer Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zulässig und berechtigt. Die Revision der Beklagten ist nicht zulässig.

1. Unterbrechung wegen eines Vorabentscheidungsersuchens des deutschen Bundesgerichtshofs

[17] 1.1. Die Beklagte regt in ihrer Revisionsbeantwortung an, das Verfahren im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs vom 10. 11. 2022, I ZR 186/17, zu unterbrechen. Darin werde der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gefragt, „ob eine Rechtsverletzung 'infolge einer Verarbeitung' im Sinne von Art 80 Abs 2 DSGVO geltend gemacht wird, wenn ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen seine Klage darauf stützt, die Rechte einer betroffenen Person seien verletzt, weil die Informationspflichten gemäß Art 12 Abs 1 Satz 1 DSGVO in Verbindung mit Art 13 Abs 1 Buchst c und e DSGVO über den Zweck der Datenverarbeitung und den Empfänger der personenbezogenen Daten nicht erfüllt worden seien“.

[18] 1.2. Diese Frage wäre für den vorliegenden Fall nur dann präjudiziell, wenn es auf die auf Datenschutzverstöße gestützte Klagebefugnis des Klägers nach Art 80 Abs 2 DSGVO ankäme. Wie im Folgenden gezeigt wird, erweisen sich die vom Kläger beanstandeten Klauseln aber schon allein aus Gründen, die nicht auf Datenschutzverstößen beruhen, als unzulässig, weshalb es auf die Beantwortung der vom Bundesgerichtshof gestellten Frage hier nicht ankommt. Einer Unterbrechung des Verfahrens wegen des genannten Vorabentscheidungsersuchens oder einer gleichartigen Anfrage beim EuGH war daher nicht näherzutreten.

2. Die einzelnen Klauseln

2.1. Klausel 1

[19] 2.1.1. Zunächst ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, dass es sich dabei nicht um eine bloße Wissenserklärung handelt, sondern um eine im Verbandsverfahren anfechtbare Vertragsklausel: Schon nach dem objektiven Wortlaut der E-Mail informiert die Beklagte ihre Kunden nicht bloß über ihr Vorhaben, sondern sie räumt den Kunden ausdrücklich die Möglichkeit ein, dem zu widersprechen, und interpretiert es als Unterstützung („hoffen wir auf deine Unterstützung – du brauchst dafür nichts zu tun“), also als Zustimmung der Kunden, wenn sie das nicht tun. Die E-Mail ist daher schon objektiv beurteilt und nicht erst bei kundenfeindlichster Auslegung so zu verstehen, dass die auf sie nicht reagierenden Kunden dem dort beschriebenen Datenabgleich – mit den dort angegebenen Konsequenzen für den Kunden – zugestimmt haben (vgl auch 7 Ob 112/22d).

[20] 2.1.2. Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169). Aus dem Transparenzgebot kann eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Kunden andernfalls unklar bleiben (RS0115219). Ein Querverweis in einem Klauselwerk oder ein Verweis auf Preislisten führt an sich noch nicht zur Intransparenz im Sinne von § 6 Abs 3 KSchG. Allerdings kann im Einzelfall unklar sein, welche Rechtsfolgen sich aus dem Zusammenwirken der aufeinander bezogenen Bestimmungen ergeben (RS0122040).

[21] 2.1.3. Eine Bestimmung in AGB, durch die der Kunde der Übermittlung „alle(r) im Zusammenhang mit der Eröffnung und Führung des Kontos (Depots) stehenden Daten an eine zentrale Evidenzstelle und/oder an Gemeinschaftseinrichtungen von Kreditunternehmungen“ zustimmt, ist intransparent, weil sie die Tragweite der Einwilligung nicht erkennen lässt (RS0115217). Eine wirksame Zustimmung kann nur dann vorliegen, wenn der Betroffene weiß, welche seiner Daten zu welchem Zweck verwendet werden sollen (RS0115217 [T4]). So verstößt eine Klausel, wonach sich der Kunde eines Konzerns mit der Weitergabe persönlicher Daten an andere Unternehmen des Konzerns einverstanden erklärt, wobei aber nicht bestimmbar ist, welche Unternehmen derzeit und künftig dem Konzern (allenfalls auch im Ausland) zugehörig sind oder sein werden, gegen das Transparenzgebot und ist unwirksam im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG (RS0115217 [T25]).

[22] 2.1.4. Auch bei der vorliegenden Klausel bleibt völlig im Dunkeln, welche Daten des Verbrauchers nun tatsächlich an die Österreichische Post AG zum Abgleich gegeben werden. Hinzu kommt, dass der Durchschnittsverbraucher auch durch den Verweis auf das mit dem Zitat von Art 6 I f DSGVO „erklärte“ „berechtigte Interesse“ keine hinreichende Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann. Die Klausel 1 ist daher intransparent im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG.

2.2. Klausel 2

[23] 2.2.1. Auch dabei handelt es sich nach den insoweit zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts nicht um eine bloße Wissenserklärung, sondern um eine im Verbandsverfahren anfechtbare Vertragsklausel: Damit wird den Kunden mitgeteilt, wie und wie lange seine personenbezogenen Daten von der Beklagten verarbeitet und gespeichert werden und an wen und wie sie von der Beklagten übermittelt werden. Die Kunden müssen diese Ausführungen so verstehen, dass eine Datenverarbeitung der Beklagten in dem in der Klausel 2 beschriebenen Umfang vertragskonform und demgemäß rechtmäßig ist. Die Klausel hat somit auch gegenüber den Kunden der Beklagten Rechtswirkungen und ist daher im Verbandsprozess anfecht- und überprüfbar.

[24] 2.2.2. Im Übrigen führen die schon zu Klausel 1 angestellten rechtlichen Überlegungen auch zur Intransparenz der gesamten Klausel 2. Auch hier wird (in Satz 1) – ohne nähere Konkretisierung – von „personenbezogenen Daten“ gesprochen und der Durchschnittsverbraucher durch einen pauschalen Verweis auf die „gesetzlichen Aufbewahrungsfristen (insbesondere nach UGB und BAO)“ im Unklaren gelassen, was genau nun mit welchen seiner persönlichen Daten erfolgen soll. In Satz 2 ist die Rede davon, dass „die Daten“ an „Dritte, welche in einem Vertragsverhältnis mit dem Abonnenten stehen (z.B. IPTV‑Anbieter) und an Dienstleister, die im Auftrag von [Beklagte] Leistungen erbringen“, übermittelt werden sowie ein Verweis auf Art 28 DSGVO angeführt. Sowohl die Unklarheit, welche konkreten Daten nun Gegenstand der Übermittlung sein sollen, als auch die vagen Aussagen, an wen diese Daten übermittelt werden, sowie schließlich der für den Durchschnittsverbraucher nicht durchschaubare Verweis auf eine Gesetzesbestimmung führen insgesamt dazu, dass die gesamte Klausel 2 dem Verbraucher zumindest ein unklares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt und daher intransparent im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG ist.

2.3. Klausel 3

[25] 2.3.1. Auch diese Klausel ist keine bloße Wissenserklärung: Die Kunden der Beklagten müssen annehmen, dass ein Vorgehen der Beklagten, das einer Regelung in den AGB entspricht, vertragsgemäß und daher rechtmäßig ist. Die Klausel entfaltet somit auch Rechtswirkungen gegenüber den Kunden der Beklagten und ist daher im Verbandsprozess überprüfbar.

[26] 2.3.2. Betrachtet man den den Gegenstand des Unterlassungsbegehrens bildenden Satz isoliert, so ist dieser zwar klar und verständlich und somit nicht intransparent im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG. Die Aussage des Satzes über die Nutzung der Daten des Abonnenten kann aber nicht losgelöst von der im Folgesatz angesprochenen Verarbeitung von dessen Daten verstanden werden. Aus dem Folgesatz geht nämlich hervor, dass „[Beklagte] verarbeitet zu diesem Zweck ggf. weitere Rahmendaten aus dem Abonnementvertrag […]“.

[27] 2.3.3. Unter „Verarbeitung“ fällt gemäß Art 4 Z 2 DSGVO jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführter Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung.

[28] 2.3.4. Damit bleiben aber auch die möglichen Empfänger völlig offen, weil eine Weitergabe an nicht näher bestimmte Dritte im Sinne des Begriffs der „Verarbeitung“ gemäß Art 4 Z 2 DSGVO möglich ist. Eine Klausel, die eine Zustimmungserklärung zur Weitergabe an unbestimmte Empfänger enthält, ist jedenfalls intransparent im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG (RS0111809).

[29] 2.3.5. Aus der Klausel ist somit nicht nachvollziehbar, auf welche Art die Daten der Verbraucher von der Beklagten genutzt bzw verarbeitet werden. Bei kundenfeindlichster Auslegung der Klausel ist auch eine uneingeschränkte Weitergabe der Daten an Dritte möglich, sodass ein Verstoß gegen § 6 Abs 3 KSchG vorliegt.

[30] 3. Das Veröffentlichungsbegehren ist nicht überschießend: Betrifft das beanstandete Verhalten der Beklagten wie hier eine große Zahl von Kunden, dann ist eine Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in der bundesweiten Ausgabe der Kronen Zeitung durchaus angemessen (4 Ob 117/14f mwN).

[31] 4. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Beklagten hingewiesen.

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