OGH 15Os24/23b

OGH15Os24/23b19.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. April 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Gigl in der Strafsache gegen * A* und eine Angeklagte wegen Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 2, Abs 3a Z 1, Abs 4 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23. November 2022, GZ 84 Hv 92/22x‑126, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00024.23B.0419.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche des Angeklagten * A* wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (I./A./), mehrerer Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1, Abs 4 zweiter Fall StGB (I./B./) sowie des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (II./) enthält, wurden – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevant – der Genannte und die Mitangeklagte * N*von den wider sie erhobenen Vorwürfen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, es hätten

I./ A* in W* und andernorts im Zeitraum April 2021 bis 11. Juni 2021 sowie im Zeitraum November 2021 bis Anfang Juni 2022

A./ in einer nicht mehr feststellbaren Zahl von Angriffen mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) seine am * 2009 geborene Tochter * H* zur Duldung und Vornahme dem Beischlaf gleichzusetzender Handlungen genötigt, indem er sie mit seinem Penis anal penetrierte bzw seinen Penis zur analen Penetration ansetzte, anlässlich derselben Angriffe teilweise ihre Brüste berührte und ihre Vagina von außen massierte, wobei er währenddessen abwechselnd ihren Mund zuhielt, sodass sie beinahe keine Luft bekam, sie mit einer Hand an der Hüfte festhielt und ihr drohte, er werde sie schlagen, wenn sie jemandem etwas davon erzähle, sowie indem er in zumindest fünf Fällen ihren Kopf festhielt und sie zwang, ihn oral zu befriedigen;

B./ durch die I./A./ angeführten Tathandlungen mit seiner am * 2009 geborenen und sohin unmündigen Tochter H* dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen;

C./ in einer nicht mehr feststellbaren Zahl von Angriffen außer den Fällen des § 201 StGB seine am * 2009 geborene und sohin unmündige Tochter H* mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er ihre Brüste berührte und sie mit seinem Finger außerhalb der Vagina massierte, wobei er abwechselnd ihren Mund zuhielt, sodass sie beinahe keine Luft bekam, sie mit einer Hand an der Hüfte festhielt und ihr drohte, er werde sie schlagen, wenn sie jemandem etwas davon erzähle;

D./ durch die unter I./C./ angeführten Tathandlungen außer dem Fall des § 206 StGB mit seiner am * 2009 geborenen und sohin unmündigen Tochter H* geschlechtliche Handlungen unternommen;

E./ durch die unter I./A./, B./, C./ und D./ angeführten Tathandlungen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, und zwar mit seiner am * 2009 geborenen Tochter H*, unter Ausnutzung dieser Stellung ihr gegenüber geschlechtliche Handlungen vorgenommen sowie von einer solchen Person an sich vornehmen lassen, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen;

II./ N* in W* und andernorts im Zeitraum von zumindest Anfang März 2022 bis Anfang Juni 2022 in wiederholten Angriffen zu den unter Punkt I./A./ bis I./E./ angeführten strafbaren Handlungen ihres Ehemanns A* beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), indem sie es unterließ, deren Begehung durch ihn zu verhindern, obwohl sie durch die Rechtsordnung (§ 2 StGB), nämlich die im Familienrecht begründeten Elternpflichten, dazu verpflichtet gewesen wäre, zumal sie Zeugin der wiederholten Übergriffe war, aber in keinem Fall der Angriffe etwas unternahm, um derartige Übergriffe ihres Ehemanns zu unterbinden, ihr Kind zu schützen oder dritte Stellen, wie beispielsweise die Kriminalpolizei, Ärzte oder das Jugendamt, zu informieren.

Rechtliche Beurteilung

 

[2] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der keine Berechtigung zukommt.

[3] Der Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zuwider stellt es keinen Widerspruch her, wenn das Gericht Aussagen von Beweispersonen zu verschiedenen Fakten einmal als ausreichende Grundlage für einen entsprechenden Schuldspruch einstuft, in anderen Fällen aber nicht (RIS‑Justiz RS0098372; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.126).

[4] Aus dem Umstand, dass die Tatrichter den Angaben der Zeugin H* sowie der Angeklagten N* in Bezug auf die Gegenstand des Schuldspruchs (I./ und II./) bildenden Vorgänge Glauben schenkten (US 10 ff), kann auch sonst kein Begründungsdefizit in Ansehung der Negativkonstatierungen betreffend sexuelle Übergriffe (US 9 f) abgeleitet werden; wurde doch dargelegt, weshalb die insofern getätigten Depositionen von H* und N* als nicht ausreichend belastend angesehen wurden (vgl US 15 ff). Dieser zur Überzeugung des Gerichts von der (Un-)Glaubwürdigkeit von Personen führende kritisch-psychologische Vorgang ist einer Anfechtung mittels Mängelrüge entzogen (RIS‑Justiz RS0106588). Dagegen gerichtete, nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung vorgetragene Einwände überschreiten den aus der Z 5 eröffneten Anfechtungsrahmen.

[5] Aufgrund des Scheiterns der Mängelrüge zu – entscheidende Tatsachen betreffenden – Negativfeststellungen bedarf das übrige (aus der Z 9 lit a erstattete) Vorbringen keiner Erörterung mehr (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 607).

[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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