OGH 8Ob22/23b

OGH8Ob22/23b29.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N* K*, vertreten durch Pallauf Meissnitzer Staindl & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei mj C* F*, vertreten durch die Mutter S* J*‑F*, beide *, vertreten durch Winterheller Rechtsanwalts GmbH in Tamsweg, wegen 8.334,32 EUR und Feststellung (Interesse 5.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 11. Jänner 2023, GZ 53 R 218/22y‑15, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Tamsweg vom 24. August 2022, GZ 2 C 111/22b‑9, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00022.23B.0329.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurswird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die gegenständliche Klage wurde der Beklagten laut Zustellnachweis an ihrer Wohnadresse durch Hinterlegung zugestellt, eine Abholung der Sendung erfolgte nicht. In der vom Erstgericht anberaumten Tagsatzung erschien für die Beklagte niemand, woraufhin über Antrag des Klägers ein Versäumungsurteil gefällt wurde.

[2] Nach dessen Zustellung beantragte am 8. 6. 2022 die zu diesem Zeitpunkt unvertretene minderjährige Beklagte mit einem von ihrer gesetzlichen Vertreterin verfassten Schreiben die „Wiedereinsetzung“ bzw „Zurücksetzung des Urteils“. Sie habe keine Nachricht über die Klage und den Gerichtstermin erhalten.

[3] Das Erstgericht erteilte der Beklagten unter Belehrung über die absolute Anwaltspflicht den befristeten Verbesserungsauftrag, den Antrag durch einen Rechtsanwalt einzubringen.

[4] Diesem Auftrag kam die Beklagte durch ihren nunmehrigen Vertreter innerhalb der gesetzten Frist nach. Der vom Rechtsanwalt neu verfasste Verbesserungsschriftsatz ist im Rubrum mit „I. Aufhebung der Vollstreckbarkeit, II. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ betitelt und enthält den Antrag „auf Aufhebung des Versäumungsurteils“ sowie „auf neuerliche Ausschreibung einer Tagsatzung“, begründet mit nicht gesetzmäßiger Zustellung der Klage und Ladung, in eventu wird die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt.

[5] Das Erstgericht wies beide Anträge ab. Dem Versäumungsurteil sei noch überhaupt keine Vollstreckbarkeitsbestätigung erteilt worden und eine Umdeutung des Begehrens in eine Berufung komme nicht in Betracht. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien ebenfalls nicht bescheinigt.

[6] Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten dahin Folge, dass es den ersten Spruchpunkt des Beschlusses aufhob und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über den als Widerspruch gegen das Versäumungsurteil zu behandelnden Aufhebungsantrag auftrug.

[7] Ein Widerspruch müsse nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden. Es genüge, dass der Schriftsatz zumindest erkennen lasse, dass die Beklagte mit dem Versäumungsurteil nicht einverstanden sei.

[8] Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionrekurs für zulässig, weil keine aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu vorliege, unter welchen Voraussetzungen von einem Widerspruch auszugehen sei, wenn sich ein berufsmäßiger Parteienvertreter einer „misslungenen Formulierung“ bedient habe.

[9] Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Klägers strebt die Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts an. Die Beklagte hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[11] Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bildet die Beurteilung eines Parteienvorbringens als ausreichend konkret im Einzelfall keine erhebliche Rechtsfrage. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Auslegung des Vorbringens durch das Rechtsmittelgericht mit dem Wortlaut des Vorbringens unvereinbar ist (RIS‑Justiz RS0044273 [T37], vgl auch RS0042828).

[12] Eine solche Unvereinbarkeit vermag der Revisionsrekurs nicht aufzuzeigen. Die Beurteilung, dass der auf „Wiedereinsetzung“ bzw „Zurücksetzung“ und „Aufhebung“ des Versäumungsurteils unter Berücksichtigung des damit angestrebten Rechtsschutzziels (zumindest auch) als Widerspruch gegen das Versäumungsurteil anzusehen war, ist jedenfalls nicht unvertretbar.

[13] Da ein Widerspruch gegen das Versäumungsurteil als solcher überhaupt keiner Begründung bedarf, kam es auf das vom Kläger in dessen Revisionsrekurs monierte zweckverfehlende Antragsvorbringen nicht an.

[14] Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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