European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00002.23M.0329.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Zur Vermeidung von Wiederholungen ist zunächst auf den im ersten Rechtsgang ergangenen Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 18. 11. 2019, 8 Ob 87/19f, ON 14, zu verweisen.
[2] Das Erstgericht erklärte mit seinem im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil die am 14. 3. 2018 bewilligte Aufkündigung (erneut) für rechtswirksam (Spruchpunkt 1) und den Beklagten für schuldig, der Klägerin die Kleingartenparzelle geräumt von eigenen Fahrnissen (nunmehr) Zug um Zug gegen Zahlung von 8.000 EUR zu übergeben (Spruchpunkt 2). Weiters verurteilte es die Klägerin zum Ersatz der mit 355 EUR bestimmten Barauslagen bei sonstiger Kostenaufhebung (Spruchpunkt 3). Das Erstgericht stellte in Hinsicht auf den von der Klägerin angezogenen Kündigungsgrund der Bebauung der verpachteten Kleingartenparzelle das Folgende ergänzend fest:
„Das auf der Parzelle des Beklagten geplante Wohngebäude der Bauwerberin C* T* (Baulos 1) weist eine Gesamtkubatur von etwa 350 m³ über dem anschließenden Gelände auf (SVGA ON 27 S 5 f iVm Einreichplan ./E im Vorakt h2 = ./F). Da Kleingartenhäuser gemäß § 13 Abs 1 WKlG 1996 eine Gesamtkubatur von höchstens 160 m³ und Kleingartenwohnhäuser gemäß § 13 Abs 3 WKlG 1996 eine Gesamtkubatur von höchstens 265 m³ über dem anschließenden Gelände haben dürfen, wäre es einem Kleingärtner somit nicht gestattet, ein derartiges Bauvorhaben zu verwirklichen.“
[3] Darüber hinaus traf das Erstgericht umfangreiche Feststellungen in Hinsicht auf einen Aufwandersatzanspruch des Beklagten.
[4] Rechtlich vertrat das Erstgericht zum von der Klägerin angezogenen Kündigungsgrund nach § 6 Abs 2 lit b KlGG die Ansicht, dass das geplante Bauvorhaben den von § 13 Wiener Kleingartengesetz (WKlG) gesetzten Grenzwert überschreite. Weil es daher dem Beklagten selbst nicht möglich wäre, das Bauvorhaben als Kleingärtner vorzunehmen, liege der Kündigungsgrund vor.
[5] Das Berufungsgericht hob über Berufung des Beklagten das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, nur für eine „anderweitige Verwendung“, nicht aber eine Bebauung des gepachteten Grundstücks verlange der Kündigungsgrund nach § 6 Abs 2 lit b KlGG, dass hieran ein öffentliches Interesse bestehe. Weil das WKlG nur für Flächen bestimmter Widmung gelte, für dem KlGG des Bundes unterliegende Flächen demgegenüber unterschiedliche Widmungen mit unterschiedlichen Bebauungsvorschriften möglich seien, könnten auf Bauvorhaben von Kleingärtnern im Sinne des KlGG in Wien nicht nur die Bebauungsvorschriften des WKlG zur Anwendung gelangen. Schon weil das WKlG eine Landesmaterie darstelle, könnte der Begriff „Kleingarten“ nach dem KlGG nicht dahin ausgelegt werden, dass darunter nur Nutzungen zu verstehen seien, die eine Bauführung nach dem WKlG erlaubten. Ob die Verwirklichung der beabsichtigten Bebauung auch einem Kleingärtner gestattet wäre, sei nach den Bebauungsvorschriften der Region im Allgemeinen zu beurteilen, nach den Bestimmungen des WKlG somit nur dann, wenn dieses auch zur Anwendung gelange. Ob dies bei dem hier gegenständlichen Vorhaben der Fall sei, könne noch nicht beurteilt werden, weil die Flächenwidmung der gegenständlichen Parzelle nicht festgestellt sei. Mangels festgestellter Flächenwidmung könne auch nicht überprüft werden, ob das geplante Wohngebäude § 13 WKlG verletzen würde. Dass für dem KlGG unterliegende Kleingärten in Wien nur eine den Vorschriften des WKlG entsprechende Bauführung typisch wäre, in welchem Falle das Vorliegen des Kündigungsgrundes bereits bejaht werden könnte, gehe aus den Feststellungen des Erstgerichts nicht hervor. Den Feststellungen lasse sich aber auch nicht entnehmen, ob die konkret geplante Bebauung einen für dem KlGG unterliegende Kleingärten in Wien typischen Bau darstelle. Somit lasse sich das Vorliegen des Kündigungsgrundes aufgrund der bisherigen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilen. Im fortzusetzenden Verfahren würden daher, „sollte das WKlG 1996 aufgrund der Flächenwidmung der gegenständlichen Kleingartenparzelle tatsächlich nicht anwendbar sein, jene Tatsachen zu erheben und festzustellen sein, die eine Beurteilung, ob das auf der gegenständlichen Kleingartenparzelle konkret geplante Bauvorhaben typisch ist für Kleingärten in Wien, die dem (Bundes-)KlGG unterliegen, zulassen“.
[6] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs nach § 519 Abs 2 ZPO zu, weil Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs des Kleingartens im Sinne des KlGG und der damit verbundenen zulässigen Verbauung nicht vorliege.
[7] Gegen den Aufhebungsbeschluss richtet sich der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Rekurs der Klägerin mit einem auf Wiederherstellung des Ersturteils gerichteten Abänderungs- und hilfsweise einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
[8] Der Beklagte beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Der Rekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.
[10] 1. Der Anwendungsbereich des KlGG (BGBl 1959/6 idgF) und jener des WKlG (Wr LGBl 1996/57 idgF) sind nicht kongruent. Das WKlG ist nach seinem § 1 Abs 1 (nur) „auf Flächen mit der Widmung 'Grünland – Erholungsgebiet – Kleingartengebiet' und 'Grünland – Erholungsgebiet – Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen‘ sowie auf vorübergehend kleingärtnerisch genutzte Flächen anzuwenden“. Demgegenüber sind Kleingärten im Sinne des KlGG „Grundstücke (Grundstücksteile) im Ausmaße von mehr als 120 m² und höchstens 650 m², die der nicht erwerbsmäßigen Nutzung oder der Erholung dienen“ (Satz 1). Sie können „in oder außerhalb einer Kleingartenanlage liegen“ (Satz 2).
[11] Das KlGG erfasst damit potentiell auch Wiener Grundstücke, die keine in § 1 Abs 1 WKlG genannte Widmung aufweisen. Die Bebauung eines solchen Grundstückes richtet sich – mangels Anwendbarkeit des WKlG als Spezialgesetz – nach den Regeln der Wiener BauO (vgl 8 Ob 87/19f [Pkt 5.2.2.]).
[12] 2. Der von der Klägerin angezogene Kündigungsgrund der beabsichtigten Bebauung nach § 6 Abs 2 lit b (iVm § 12) KlGG des gepachteten Kleingartens wäre nach dem im ersten Rechtsgang ergangenen Beschluss des Senats 8 Ob 87/19f zu bejahen, wenn die beabsichtigte Bebauung „nach dem geltenden Wiener Landesrecht, insbesondere der Bauordnung für Wien und dem WklG 1996, einem Kleingärtner nicht möglich wäre“. Das geplante Bauvorhaben müsste, um eine Aufkündigung des Pachtvertrags des Beklagten zu rechtfertigen, „die gesetzlichen Grenzen für typische Bauten in Kleingärten überschreiten“ (Pkt 6.).
[13] Dies ist dahingehend zu verstehen, dass der Kündigungsgrund nicht verwirklicht ist, wenn entweder das geplante Bauvorhaben im WKlG selbst Deckung findet, oder zwar „nur“ die Wr BauO das geplante Bauvorhaben ermöglicht, dieses aber für Kleingärten in der Region nicht untypisch ist. Ist die Bebauung nicht vom WKlG gedeckt, sondern von der Wr BauO, und ist es nicht typisch für Kleingärten in der Region, so ist der Kündigungsgrund zu bejahen.
[14] Grundsätzlich hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (vgl RIS‑Justiz RS0037797; Höllwerth in GeKo Wohnrecht I § 1118 ABGB Rz 19), somit hier die Klägerin das Vorliegen einer die Kündigung rechtfertigenden Bebauung iSd § 6 Abs 2 lit b KlGG, also einer solchen, die weder vom WKlG gedeckt noch für Kleingärten in der Region typisch ist. Allfällige Unklarheiten gingen damit zu ihren Lasten.
[15] 3. Den Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, ob die beabsichtigte Bebauung für Kleingärten in der Region typisch ist. Es liegt daher ein sekundärer Feststellungsmangel vor, der zur Aufhebung des Ersturteils zwecks neuerlicher Entscheidung nach Verfahrensergänzung führen musste.
[16] 4. Bestätigt – wie hier – der Oberste Gerichtshof die Notwendigkeit der Aufhebung des Ersturteils, jedoch mit einer vom Berufungsgericht abweichenden Begründung, so ist dem Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zwar der Erfolg zu versagen, die Vorinstanzen – und auch der Oberste Gerichtshof selbst – im weiteren Verfahren analog § 511 ZPO aber an die in der bestätigenden Entscheidung vom Obersten Gerichtshof eingenommene Rechtsansicht gebunden (Musger in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 § 519 ZPO Rz 99 mwN).
[17] 5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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