OGH 12Os25/23b

OGH12Os25/23b28.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. März 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in der Strafsache gegen * Es* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 25 Hv 110/22a des Landesgerichts Wels, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten Es* gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 20. Jänner 2023, AZ 7 Bs 9/23g, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00025.23B.0328.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiete: Grundrechte, Medienrecht

 

Spruch:

 

* Es* wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

 

Gründe:

[1] Soweit für das Verfahren über die Grundrechtsbeschwerde relevant, legt die Staatsanwaltschaft * Es* mit rechtswirksamer Anklageschrift vom 19. September 2022 als Verbrechen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB qualifiziertes Verhalten zur Last (AZ 2 St 66/20f, ON 60 in AZ 25 Hv 110/22a).

[2] Nach Punkt 1 der Anklageschrift haben „an noch festzustellenden und nachangeführten Orten * Es* und * T* im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, teilweise unter Vorlage falscher oder verfälschter Beweismittel, nämlich solcher Offene-Posten-Listen, andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen, die diese in einem 300.000 Euro übersteigenden Gesamtbetrag an ihrem Vermögen schädigten, verleitet, und zwar durch die wiederholte wahrheitswidrige Behauptung, das verwendete Kapital (Investment) würde für die Finanzierung des Geschäftsbetriebs der B* GmbH (idF: B*) verwendet werden, die über einen gültigen Kaufvertrag, der ein Vorkaufsrecht für Aktien der Betreiberunternehmungen der ukrainischen Gesellschaft E* (E*) einräumen würde, verfüge, bei Es* würde es sich um einen erfolgreichen und international vernetzten Unternehmer handeln, es sei ein Treuhandkonto eingerichtet, das der Abwicklung von Zahlungen von Investoren diene, auf dem sich bereits Anlegergelder in Höhe von mehreren Millionen Euro befinden würden und eine Auszahlung unmittelbar bevorstehe, sowie Es* verfüge über ein Aktiendepot im Wert von 30 Mio Euro, das er zum Zweck der Rückzahlung auflösen werde,

A.) im Zeitraum 7. Februar 2018 bis 13. Oktober 2021 in S* und anderen Orten * Ra* in mehreren Angriffen zur Überweisung eines Geldbetrags in Höhe von gesamt 2.078.425,46 Euro [...] auf die Geschäftskonten der B* [...] bei der Er* und später [...] bei der R* eGen, sowie in weiterer Folge auf ein Konto der T*, wobei die letzten Zahlungen dazu dienten, den Konkurs der B* abzuwenden, und auf verschiedene noch festzustellende Konten für Leistungen, die Es* und die B* in Anspruch nahmen, wobei wiederholt und bis zuletzt vorgetäuscht wurde, das Projekt E* stehe kurz vor einem positiven Abschluss;

B.) am 18. September 2018 in L* oder G* Verfügungsberechtigte der R* eGen zur Gewährung und Auszahlung eines Darlehens in Höhe von 500.000 Euro für die B*, indem Es* vortäuschte, dass er aufgrund eines aufrechten Vertrages mit der Firma Te* Ltd mit täglichen Einnahmen in Höhe von 30.000 Euro kalkulieren könne, und dies gegenüber der Bank insbesondere im Oktober 2019 im Zuge einer Bonitätsprüfung wiederholte, obwohl Es* wusste, dass die Umsätze geringer waren, nämlich insgesamt lediglich 36.346,98 USD für den Zeitraum von 6 Monaten und zudem die Kooperation nur bis 4. Dezember 2018 angedauert hatte, somit zum Zeitpunkt der Bonitätsprüfung bereits seitens der Firma Te* Ltd aufgekündigt war;

C.) am 4. Oktober 2018 * W* zur Überweisung eines Geldbetrags von 250.000 Euro;

D.) am 15. November 2019 Mag. * A* zur Überweisung eines Geldbetrags in Höhe von 130.000 Euro und

E.) am 8. Juli 2020 und 26. August 2020 Mag. * P* zur Überweisung eines Geldbetrags von insgesamt 30.000 Euro“.

[3] Mit Beschluss vom 29. Dezember 2022 verhängte das Landesgericht Wels über * Es* die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Fluchtgefahr und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a, b und c StPO (ON 91).

[4] Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Linz der Beschwerde des * Es* gegen den genannten Beschluss des Landesgerichts Wels nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft aus denselben Haftgründen fort.

[5] Dabei ging es von einem dem zitierten Anklagevorwurf entsprechenden dringenden Tatverdacht aus und verwies (zulässig; vgl RIS‑Justiz RS0115236 [T1]) auf die „umfangreiche Begründung und die aktenkonform dargestellten Beweisergebnisse in der Anklageschrift“ (BS 3; zur subjektiven Tatseite vgl BS 5).

Rechtliche Beurteilung

[6] Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichts richtet sich die die Annahmen zu den Haftgründen der Fluchtgefahr und der Tatbegehungsgefahr bekämpfende Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[7] Im Rahmen des Grundrechtsbeschwerde-verfahrens überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme von Haftgründen nur dahin, ob sie aus den im angefochtenen Beschluss angeführten bestimmten Tatsachen (vgl § 174 Abs 3 Z 4 StPO) abgeleitet werden durften, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich, demnach als nicht oder als offenbar unzureichend begründet, angesehen werden müsste (RIS‑Justiz RS0117806; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 11.98).

[8] Betreffend den Haftgrund der Fluchtgefahr hielt das Oberlandesgericht fest, dass sich aus der Anfrage beim Zentralen Melderegister in Zusammenschau mit den Angaben des Beschwerdeführers zunächst als Zeuge und später als Beschuldigter ergebe, dass dieser überwiegend nicht an einer offiziellen Meldeadresse wohnhaft war. Zuletzt habe er gegenüber der Polizei nicht nur eine Wohnanschrift angegeben, an welcher er tatsächlich nicht mehr wohnhaft war, sondern auch eine nicht existente neue Adresse in W* genannt (BS 5 f).

[9] Ausgehend von den genannten Prüfungskriterien im Grundrechtsbeschwerdeverfahren erweisen sich diese Erwägungen als nicht zu beanstanden. Das Unterbleiben der Berücksichtigung von weiteren aus Sicht des Beschwerdeführers erörterungsbedürftigen Umständen kann mit Grundrechtsbeschwerde nicht releviert werden (RIS‑Justiz RS0120458).

[10] Da bei dringendem Tatverdacht bereits der Haftgrund der Fluchtgefahr die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt, erübrigt es sich, im Rahmen der Behandlung der Grundrechtsbeschwerde auf das Vorbringen betreffend den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr einzugehen (RIS-Justiz RS0061196; Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 44).

[11] Beruft sich die Grundrechtsbeschwerde auf die Erreichbarkeit der Haftzwecke durch gelindere Mittel, so muss konkret dargelegt werden, worin dem Beschwerdegericht, das die Substituierbarkeit verneint hat, ein Beurteilungsfehler unterlaufen wäre (RIS‑Justiz RS0116422 [T1]).

[12] Dies gelingt der Grundrechtsbeschwerde nicht, indem sie einen Verstoß gegen den „Gleichheitsgrundsatz“ behauptet und ausführt, der Mitangeklagte T* wäre „unter fast identen Vorzeichen“ gegen gelindere Mittel enthaftet worden.

[13] Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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