European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00004.23X.0222.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des * S* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.
[2] Danach hat er – soweit hier von Bedeutung – in V* und andernorts unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), welcher auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer anhaltenden paranoiden wahnhaften Störung, beruht,
Beamte mit Gewalt an Amtshandlungen, und zwar an seiner Anhaltung und an seiner Festnahme zu hindern versucht, indem er jeweils als Lenker einer landwirtschaftlichen Zugmaschine am 11. Juli 2022 den Streifenwagen des * H* und des * F* von der Fahrbahn abzudrängen trachtete (A I) und in der Folge auf diese Beamten zufuhr, sodass sie immer wieder ausweichen und hinter Bäumen und einem abgestellten Kranwagen Schutz suchen mussten, um nicht überfahren zu werden (A II), sowie am 22. Oktober 2021, indem er auf * St* zufuhr und kurz vor ihm beschleunigte, sodass dieser zur Seite ausweichen musste (C), weiters
am 11. Juli 2022 versucht, einem Beamten während und wegen der Vollziehung seiner Aufgaben vorsätzlich, (US 7) eine Körperverletzung zuzufügen, indem er * F* mit einer landwirtschaftlichen Zugmaschine zu überfahren oder zwischen dem Traktorrad und einer Scheunenwand einzuklemmen trachtete (B),
und durch diese Taten mehrere Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (A und C) und das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (B) begangen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.
[4] Zutreffend moniert die Mängelrüge (Z 5) in Bezug auf die Anlasstat B eine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite, weil das Erstgericht die den Verletzungsvorsatz bestreitende Verantwortung des Betroffenen (ON 39 [richtig] S 25 f) unberücksichtigt ließ.
[5] Dieser Mangel erfordert – entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Ausspruch über die Begehung und die Subsumtion der zu B angeführten Anlasstat schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO). Deshalb war auch die Unterbringungsanordnung nach § 21 Abs 1 StGB zu kassieren (RIS-Justiz RS0120576).
[6] Um dem Landesgericht Krems an der Donau im zweiten Rechtsgang eine umfassende Beurteilung der Einweisungsvoraussetzungen des § 21 Abs 1 StGB zu ermöglichen, sprach der Oberste Gerichtshof (darüber hinausgehend) die gänzliche Aufhebung der angefochtenen Entscheidung aus (§ 289 StPO). Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt sich daher.
[7] Mit seiner Berufung war der Betroffene auf diese Entscheidung zu verweisen.
[8] Zur – hier (wie vom Erstgericht nachträglich zutreffend erkannt [US 13]) teilweise unrichtig gelösten – Frage echter Konkurrenz zwischen den Tatbeständen des § 269 Abs 1 StGB und der §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB siehe RIS‑Justiz RS0092960.
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