OGH 8Ob156/22g

OGH8Ob156/22g21.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann‑Prentner, Mag. Korn, Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin S* GmbH, *, vertreten durch Mag. Stefan Weidinger, Rechtsanwalt in Scharnstein, gegen die Antragsgegnerin M* GmbH, *, vertreten durch Mag. Dr. Maria Lisa Aidin, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen Löschung infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 4. Oktober 2022, GZ 3 R 189/22x‑163, mit dem der Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 15. Juli 2022, GZ 25 S 6/22b‑133, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00156.22G.1121.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Insolvenzrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO und § 252 IO).

 

Begründung:

[1] Mit Beschluss vom 19. 1. 2022 eröffnete das Erstgerichtdas Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragsgegnerin und bestellte einen Insolvenzverwalter. Gleichzeitig wies es den Antrag auf Eröffnung eines Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung zurück (ON 2).

[2] Das von der Antragsgegnerin angerufene Rekursgericht gab dem Rekurs, soweit er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens betraf, Folge, hob den angefochtenen Beschluss als nichtig auf und verwies die Sache in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Beschlussfassung zurück an das Erstgericht.

[3] Mit (zwischenzeitig rechtskräftigem) Beschluss vom 28. 6. 2022 wies das Erstgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin schließlich ab (ON 110).

[4] Mit Schriftsatz vom 3. 7. 2022 stellte die Antragsgegnerin daraufhin den Antrag auf umgehende amtswegige Verfügung der Löschung der Einträge in der Ediktsdatei, im Firmenbuch und im Grundbuch und auf sofortige Auszahlung von 200.000 EUR. Mit Schriftsatz vom 7. 7. 2022 (ON 121) und 14. 7. 2022 (ON 131 und ON 132) wiederholte die Antragsgegnerin ihre Anträge.

[5] Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Erstgericht aus, dass

„die Wirkungen des mit Beschluss vom 19.1.2022, 25 S 6/22b-2, über das Vermögen der Antragsgegnerin eröffneten Insolvenzverfahrens infolge rechtskräftiger Abweisung des zu 25 S 6/22b gestellten Antrags nicht aufrecht bleiben,

alle, die freie Verfügung der Antragsgegnerin beschränkenden Maßnahmen aufgehoben werden,

die Insolvenzverwalterin und die Mitglieder des Gläubigerausschusses ihres Amts enthoben werden,

das LG für ZRS Graz als Firmenbuchgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens im Firmenbuch zu FN * anzumerken hat,

die Anmerkung der Insolvenzeröffnung (Konkurseröffnung) vom Bezirksgericht Liezen im Grundbuch 67002, EZ * ( B‑LNR.7) und EZ * (B‑LNR.1) zu löschen ist,

die Anmerkung der Insolvenzeröffnung von den Bezirksgerichten Feldbach, Graz‑Ost und Liezen als (jeweiligem) Exekutionsbericht im Pfändungsprotokoll unter Angabe des Grundes der Aufhebung zu löschen ist.“

[6] Dieser Beschluss wurde am 15. Juli 2022 in der Insolvenzdatei bekannt gemacht.

[7] Das Rekursgericht wies den Rekurs der Antragsgegnerin gegen diesen Beschluss mangels Beschwer zurück. Die von der Antragsgegnerin beantragten Löschungen der Einträge in der Ediktsdatei, im Firmenbuch und im Grundbuch seien bereits erfolgt. Der angefochtene Beschluss habe damit den Anträgen der Antragsgegnerin entsprochen, weshalb weder eine formelle noch eine materielle Beschwer der Rekurswerberin vorliege. Durch eine Aufhebung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses und die Zurückweisung der Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung blieben die Wirkungen der Konkurseröffnung so lange aufrecht, bis eine rechtskräftige Ab- oder Zurückweisung des Konkurseröffnungsantrags vorliege. Daher seien erst durch den Beschluss, mit dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig abgewiesen worden sei, die Wirkungen der Insolvenzeröffnung beendet worden. Eine zusätzliche Beschlussfassung, dass die Wirkungen des Insolvenzverfahrens nicht aufrecht bleiben und die Anmerkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie die Eintragung in die Insolvenzdatei, im Firmenbuch und Grundbuch zu löschen seien, sei nicht erforderlich, schade aber auch nicht. Da mit diesem Beschluss als Folge der rechtskräftigen Abweisung des Insolvenzeröffnungsantrags nur die Wirkungen der Insolvenzeröffnung für beendet erklärt und die damit verbundenen Löschungen der Anmerkungen und Eintragungen angeordnet worden seien, sei die von der Antragsgegnerin monierte (als Unterüberschrift in Klammer angeführte) „Aufhebung des Insolvenzverfahrens“ rechtlich belanglos und unerheblich. Auch deshalb sei eine Beschwer der Rekurswerberin zu verneinen und der Rekurs als unzulässig zurückzuweisen.

[8] Das Rekursgericht sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht zulässig sei.

[9] Gegen diesen Beschluss wendet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin.

Rechtliche Beurteilung

[10] Nach ständiger Rechtsprechung ist das Rechtsmittel gegen einen Beschluss des Gerichts zweiter Instanz auf Zurückweisung eines Rekurses ein Revisionsrekurs iSd § 528 ZPO, der nur unter dessen Voraussetzungen anfechtbar ist. Die Anfechtbarkeit eines solchen Beschlusses setzt damit jedenfalls auch das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage voraus (RIS‑Justiz RS0044501). Eine solche wird jedoch von der Antragsgegnerin nicht aufgezeigt.

[11] 1. Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer voraus. Die formelle Beschwer liegt dann vor, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrunde liegenden Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu dessen Nachteil abweicht. Die materielle Beschwer fehlt, wenn der Rechtsmittelwerber kein Bedürfnis auf Rechtsschutz gegenüber der angefochtenen Entscheidung hat (RS0041746; RS0043815; RS0041868) und der Entscheidung daher nur mehr theoretisch-abstrakte Bedeutung zukäme (RS0002495). Die Beschwer muss sowohl im Zeitpunkt der Einlangung des Rechtsmittels als auch im Zeitpunkt der Entscheidung darüber bestehen. Ist dies nicht der Fall, so ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RS0041770).

[12] 2. Die vom Erstgericht angeordneten Anmerkungen und Löschungen entsprechen dem Antrag der Antragsgegnerin (vgl etwa ON 121). Das Rekursgericht hat daher die formelle Beschwer der Antragsgegnerin verneint. Das Rechtsmittel setzt sich mit dieser Rechtsauffassung nicht auseinander. Darauf ist daher nicht weiter einzugehen.

[13] 3. Wie der erkennende Senat bereits mehrfach (RS0118048; zuletzt ausführlich 8 Ob 79/20f mwN) dargelegt hat, bleiben durch eine Aufhebung des Konkurseröffnungsbeschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung die Wirkungen der Konkurseröffnung (aus Gründen der Rechtssicherheit) solange aufrecht, bis nicht eine rechtskräftige Ab- oder Zurückweisung des Konkurseröffnungsantrags vorliegt.

[14] Auch die Antragsgegnerin – die sich im Gegensatz zu dieser Judikatur auf einen rückwirkenden Wegfall des Konkurses beruft – bezweifelt nicht, dass jedenfalls mit der Abweisung des Konkurseröffnungsantrags die Wirkungen der Konkurseröffnung nicht aufrecht bleiben (vgl auch § 79 IO, der von „Beendigung der Wirkungen“ nach der Abweisung des Konkurseröffnungsantrags durch das Rekursgericht spricht). Damit ist die Antragsgegnerin aber auch durch den dies aussprechenden ersten Teil des Beschlusses des Erstgerichts nicht beschwert.

[15] 4. Für eine Anrufung des Verfassungsgerichtshofs bzw des Europäischen Gerichtshofs besteht dementsprechend keine Veranlassung.

[16] 5. Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.

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