OGH 14Os111/22p

OGH14Os111/22p25.10.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Oktober 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kornauth in der Strafsache gegen D* R* wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 14. Juni 2022, GZ 22 Hv 60/21w‑44, weiters die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Vorsitzenden vom 19. September 2022 (ON 53) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00111.22P.1025.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde D* R* – soweit hier relevant – des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (A) sowie der Verbrechen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (B) und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 vierter Fall StGB (C) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* und an anderen Orten

A/ vom 1. Juni 2009 bis zum 30. November 2020 gegen T* R* durch zahlreiche, in regelmäßigen Abständen wiederholte und im angefochtenen Urteil näher beschriebene körperliche Misshandlungen und Körperverletzungen (I/) sowie vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen die Freiheit, nämlich einzeln angeführte gefährliche Drohungen mit der Zufügung von Körperverletzungen (II/) und Nötigungen zu im Urteil beschriebenen Handlungen und Unterlassungen (III/) eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt;

B/ T* R* einmal zwischen dem 11. Februar 2010 und dem 11. Oktober 2013 in L* außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt, indem er ihr mit der flachen Hand ins Gesicht und mit der Faust auf Kopf, Oberarme und Rippen schlug, zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung (an sich selbst), nämlich zum vaginalen Einführen einer 1,5‑Liter‑Flasche, genötigt, wobei er währenddessen weiter auf sie einschlug;

C/ T* R* in W* mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei sie dadurch in besonderer Weise erniedrigt wurde, und zwar

1/ einmal im Herbst 2019, indem er ihr zunächst Schläge versetzte und sie an den Haaren riss, ihr sodann befahl, sich über den Küchentisch zu beugen und sich die Hose hinunterzuziehen, ihr in weiterer Folge fest mit einem Kochlöffel mehrmals auf das nackte Gesäß schlug, anschließend den Kochlöffel mehrfach anal einführte und danach Kot, der sich auf dem Kochlöffel befand, auf ihre linke Wange in Richtung Mund schmierte;

2/ einmal zwischen dem 27. Oktober und dem 30. November 2020, indem er ihr zunächst Schläge auf Oberarme und Kopf versetzte und befahl, sich über einen Tisch zu beugen sowie Jacke hoch- und Hose hinunterzuziehen, ihr sodann Schläge mit der Hand auf das Gesäß versetzte und ihr in weiterer Folge einen Küchenrollenständer aus Metall mehrfach anal einführte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 4, 5, 5a, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

[4] Die Behauptung der Verfahrensrüge (Z 4), das Erstgericht habe entgegen dem Antrag der Verteidigung (ON 39 S 35 ff) von dieser zunächst schriftlich (ON 32) zum Beweis dafür, dass sich die von Punkt C/2 des Schuldspruchs erfasste Vergewaltigung „nicht zugetragen“ und das Opfer „exzessive sexuelle Ansprüche“ an den Beschwerdeführer gestellt habe, vorgelegte Chatverläufe und Fotos in der Hauptverhandlung nicht verlesen oder „in Augenschein“ genommen, trifft nicht zu. Nach dem – keinen Bedenken begegnenden (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 312) – Protokoll über die Hauptverhandlung, wurde der gesamte Akteninhalt, insbesondere auch die genannte Eingabe der Verteidigung (ON 32), „einverständlich“ gemäß § 252 Abs 2a StPO vorgetragen (ON 43 S 11).

[5] Von der Mängelrüge nominell geltend gemachte Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nicht vor. Eine solche würde nämlich bloß die unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln begründen. Dies behauptet der Beschwerdeführer jedoch nicht, vielmehr kritisiert er bloß die vom Erstgericht aus in den Entscheidungsgründen angeführten Verfahrensergebnissen gezogenen Schlussfolgerungen (vgl RIS‑Justiz RS0099431).

[6] Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt, indem sie aus vom Erstgericht angeführten Prämissen (insbesondere den ausführlich erörterten Aussagen des Beschwerdeführers [US 19 ff], des Opfers [US 23 ff] sowie der Zeugen L* A* [US 36] und I* A* [US 32], G* L* und K* L* [US 33 f], M* R* und Mi* R* [US 22, 27 ff], * H* [US 35], * D* [US 35 f] und * Hi* [US 34]) für den Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen zieht als die Tatrichter, keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0099674).

[7] Mit dem weiters – der Sache nach – erhobenen Einwand fehlender aktenkundiger Beweisergebnisse für die Schuld des Angeklagten werden keine gegen dessen Schuld sprechenden Tatumstände releviert, weshalb die Tatsachenrüge insoweit nicht gesetzmäßig dargestellt wird (RIS‑Justiz RS0128874).

[8] Soweit die Tatsachenrüge Feststellungen zu in einem bestimmten Zeitraum (Juni bis November 2009) gesetzten Angriffen in Frage stellt, spricht sie keine entscheidenden Tatsachen an, weil der solcherart angestrebte Wegfall einzelner Teilakte einer – wie hier festgestellten (US 6, 17 und 41 f; vgl RIS-Justiz RS0129716 [T4]) – tatbestandlichen Handlungseinheit keine Auswirkung auf Schuldspruch oder Subsumtion hätte (RIS‑Justiz RS0127374).

[9] Die zu C/1 und 2 geäußerte Kritik der Rechtsrüge (Z 9 lit a), es fehlten Feststellungen dazu, dass der Beschwerdeführer Gewalt mit dem Vorsatz, das Opfer dadurch zur Duldung dem Beischlaf gleichzusetzender Handlungen zu nötigen, eingesetzt habe, verfehlt die gebotene (RIS-Justiz RS0099810) Bezugnahme auf den Urteilssachverhalt (US 14 und 17).

[10] Gleiches gilt für die Subsumtionsrüge (Z 10), welche genau diese Feststellungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung als „aktenwidrig“ bekämpft.

[11] Die Forderung nach weiteren Feststellungen dazu, dass das Opfer „aus Furcht vor weiterer Gewalt von Gegenwehr abgesehen“ oder seinen „Widerstand aufgegeben hätte“, wird nicht methodengerecht aus dem Tatbestand des § 201 Abs 1 StGB abgeleitet (vgl aber RIS-Justiz RS0116565), der Gegenwehr des Opfers nicht voraussetzt (RIS-Justiz RS0095232 [T6]; Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 13 und 39). Fehlendes Einverständnis des Opfers ist dem Urteilssachverhalt im Übrigen unmissverständlich zu entnehmen (US 14 und 17).

[12] Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) wird ein – hier angenommener – Tatzeitraum von elf Jahren von § 107b Abs 1 StGB nicht vorausgesetzt (vgl [zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals „längere Zeit“] RIS‑Justiz RS0127377; Schwaighofer in WK2 StGB § 107b Rz 25 f), bestimmt solcherart nicht im Sinn des § 32 Abs 2 erster Satz StGB schon die Strafdrohung und durfte daher vom Erstgericht zum Nachteil des Beschwerdeführers herangezogen werden (US 44).

[13] Die erschwerende Wertung des Zusammentreffens „von drei Verbrechen mit einem Vergehen“ (US 44) ist auf Basis des in diesem Sinn ergangenen Schuldspruchs (US 6) korrekt. Mit dem (verfehlten) Argument der weiteren Sanktionsrüge, es lägen nur zwei Verbrechen und ein Vergehen vor, würde im Übrigen bloß das Gewicht des zutreffend angenommenen Erschwerungsgrundes (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) nach Art eines Berufungsvorbringens angesprochen (RIS‑Justiz RS0116878 [T2]).

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[15] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

[16] Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Vorsitzenden vom 19. September 2022 (ON 53), mit welchem sein Antrag auf Berichtigung des Protokolls über die Hauptverhandlung (ON 50) abgewiesen wurde, ist damit – ohne einer inhaltlichen Erwiderung zu bedürfen – erledigt, weil die Nichtigkeitsbeschwerde auch im Fall der begehrten Berichtigung erfolglos geblieben wäre (RIS‑Justiz RS0126057 [T2]). Beantragt wurde nämlich lediglich die Protokollierung einer ausführlicheren Begründung des von der Verfahrensrüge thematisierten Beweisantrags, dem durch Vortrag der vorgelegten Unterlagen ohnehin entsprochen wurde.

[17] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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