European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:014FSS00001.22S.0928.000
Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
[1] Mit (am 19. August 2022 beim Oberlandesgericht Linz eingelangtem) Antrag vom 10. August 2022 (unjournalisiert in AZ 7 Bs 168/10w des genannten Gerichts) behauptet * S* – soweit hier von Bedeutung – Säumnis des Oberlandesgerichts Linz im Verfahren AZ 36 Hv 30/08v (nunmehr AZ 37 Hv 42/09t) des Landesgerichts Salzburg „mit der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung und Entscheidung über [die] Berufung gegen den […] Ausspruch über den privatrechtlichen Anspruch/Zuspruch an den Privatbeteiligten Dr. * M*“ gegen die Urteile des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht 1.) vom 19. August 2008, GZ 36 Hv 30/08v‑101, und 2.) vom 21. September 2009, GZ 37 Hv 42/09t‑214, und begehrt, dem Oberlandesgericht Linz eine angemessene Frist für die Vornahme dieser Verfahrenshandlungen zu setzen.
Rechtliche Beurteilung
[2] Gemäß § 91 Abs 1 GOG setzt der Erfolg eines Fristsetzungsantrags voraus, dass das betroffene Gericht mit der Vornahme einer Verfahrenshandlung säumig ist.
Die vom Antragsteller behauptete Säumnis liegt nicht vor:
[3] Zu 1.): * S* wurde mit Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 19. August 2008, GZ 36 Hv 30/08v‑101, (im ersten Rechtsgang) mehrerer Verbrechen und Vergehen schuldig erkannt und hiefür zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe sowie gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von 141 Euro an den Privatbeteiligten Dr. * M* verurteilt.
[4] Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger Nichtigkeitsbeschwerde und (ausdrücklich nur – vgl § 294 Abs 2 vierter Satz StPO) Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe angemeldet (ON 102) und ausgeführt (ON 151).
[5] Mit Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs vom 12. Mai 2009, AZ 14 Os 9/09v, 14 Os 10/09s (ON 173), wurde der Nichtigkeitsbeschwerde teilweise Folge gegeben, das Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, in einzelnen Schuldspruchteilen, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben, insoweit eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache in diesem Umfang an das Landesgericht Salzburg verwiesen. Im Übrigen wurde die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wurde der Angeklagte auf die Kassation des Strafausspruchs verwiesen.
[6] Die zum ersten Rechtsgang behauptete Säumnis des Oberlandesgerichts mit der Erledigung der Berufung „gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche“ liegt schon deshalb nicht vor, weil weder die Anmeldung der Berufung, noch die vom Verteidiger des Berufungswerbers überreichte Ausführung der Beschwerdegründe die von § 294 Abs 2 vierter Satz StPO verlangte – deutliche und bestimmte (§ 294 Abs 4 StPO) – Erklärung enthielt, das Adhäsionserkenntnis zu bekämpfen, womit dieses auch nicht Gegenstand einer Berufungsentscheidung sein konnte (§ 295 Abs 1 StPO; Ratz, WK‑StPO § 295 Rz 5 ff; § 294 Rz 10 f).
[7] Soweit der Antragsteller behauptet, er habe „die angemeldete Berufung“ mit seiner als „Einspruch gegen das in Abwesenheit des Angeklagten gefällte Urteil“ bezeichneten Eingabe vom 2. September 2008 (ON 108) ausgeführt und darin „ein Berufungsvorbringen gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche ... zur Darstellung gebracht“, übersieht er, dass der Schriftsatz nach Ablauf der dreitägigen Anmeldungsfrist des § 294 Abs 1 StPO eingebracht wurde, als Berufungsausführung aber – ungeachtet der Zulässigkeit von Neuerungen hinsichtlich jener Aussprüche, die in Anmeldung oder Ausführung der Berufung unterzogen wurden – nur eine einzige Schrift beachtlich ist, wobei diejenige des Verteidigers (hier ON 151) prävaliert (Ratz, WK‑StPO § 294 Rz 2 und 5, § 285 Rz 5 ff).
[8] Zu 2.): Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 21. September 2009, GZ 37 Hv 42/09t‑214, wurde S* (im 2. Rechtsgang) im Umfang der Kassation (erneut) mehrerer Verbrechen und Vergehen schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt.
[9] Der schon im ersten Rechtsgang erfolgte Zuspruch an den Privatbeteiligten Dr. M* (ON 101 S 5), der – wie zu 1.) dargestellt – unbekämpft geblieben ist und auch nicht von der Urteilsaufhebung umfasst war, wurde im Urteilstenor – wie auch die im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche – überflüssig, aber ohne Nichtigkeitsrelevanz deklarativ wiederholt (ON 214 S 2 ff; vgl dazu RIS‑Justiz RS0100041; Ratz,WK‑StPO § 289 Rz 12 und § 293 Rz 6; vgl auch die diesbezüglichen Ausführungen in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 8. Jänner 2018, AZ 14 Fss 7/17s ua, über die Fristsetzungsanträge des Verurteilten vom 20. und 21. September 2017).
[10] Die gegen dieses Urteil vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 13. April 2010, AZ 14 Os 10/10t, 14 Os 11/10i (ON 306), zurück (§ 285d Abs 1 StPO).
[11] Der dagegen ([zutreffend] erneut nur gegen den Ausspruch über die Strafe) erhobenen Berufung (ON 254) gab das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 8. Juni 2010, AZ 7 Bs 168/10w, Folge und setzte die Freiheitsstrafe auf dreieinhalb Jahre herab (ON 332).
[12] Die Argumentation des Antragstellers, die Rechtsmittelausführung „vom 14.12.2009 Seite 24 [Punkt 4 bb.] in Verbindung mit Seite 45 unten“ (ON 254) habe „gesetzeskonform (§ 294 StPO)“ (auch) „ein Berufungsvorbringen gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche zur Darstellung gebracht“, weshalb das Oberlandesgericht, das nur über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe entschieden habe, mit der Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche säumig sei, versagt schon deshalb, weil die angesprochene Passage – entgegen dem Antragsvorbringen – ein weiteres Mal keine deutliche und bestimmte Anfechtungserklärung enthielt (vgl erneut § 294 Abs 4 StGB), zumal die relevierte Verfahrenshandlung nach Vorgesagtem (Rechtskraft des Zuspruchs an den Privatbeteiligten bereits im ersten Rechtsgang) nie in Rede stand. Inwiefern daraus eine Säumnis „mit entsprechender Strafmilderung“ abzuleiten sein soll, bleibt unklar.
[13] Die behauptete Säumnis des Oberlandesgerichts Linz, das gar keine prozessuale Handlungspflicht traf, liegt daher (mangels Beschwer, vgl RIS‑Justiz RS0059274) nicht vor.
[14] Der Fristsetzungsantrag war demzufolge zurückzuweisen.
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