OGH 2Ob143/22a

OGH2Ob143/22a27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der C*, geboren am *, über den „außerordentlichen Revisionsrekurs“ der Betroffenen, vertreten durch Mag. Martin Semrau, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. April 2022, GZ 45 R 115/22b‑72, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00143.22A.0927.000

 

Spruch:

Der Akt wird dem Rekursgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

[1] Für die Betroffene ist seit September 2021 eine Rechtsanwältin zum Rechtsbeistand und zur einstweiligen Erwachsenenvertreterin unter anderem zur Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten sowie zur Vertretung gegenüber privaten Vertragspartnern bei über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehenden Rechtsgeschäften bestellt. Die Betroffene ist im Grundbuch eingetragene Eigentümerin einer Wohnung in Wien 11.

[2] Das Erstgericht ermächtigte die einstweilige Erwachsenenvertreterin, diese Wohnung durch einen Schlosser öffnen und das darin befindliche Inventar durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen schätzen zu lassen sowie einen in der Wohnung bestehenden Übelstand zu beseitigen.

[3] Das Rekursgericht gab einem dagegen gerichteten Rekurs der Betroffenen nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit unter 30.000 EUR und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

[4] Das dagegen von der Betroffenen erhobene, als „außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnete Rechtsmittel legte das Erstgericht dem Rekursgericht mit dem Bemerken vor, dass es sich um einen ordentlichen Revisionsrekurs verbunden mit dem Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs handle.

[5] Das Rekursgericht leitete den Akt dem Obersten Gerichtshof mit dem Bemerken weiter, dass die von ihm vorgenommene Bewertung des Entscheidungsgegenstands bei näherer Betrachtung zu unterlassen gewesen wäre, weil die Ermächtigung in das Hausrecht der Betroffenen eingreife und daher kein Fall einer Zulassungsvorstellung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

[6] Diese Vorgangsweise entspricht nicht dem Gesetz.

[7] 1. Hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ausgesprochen, dass der (ordentliche) Revisionsrekurs nicht nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist, so kann gemäß § 62 Abs 5 AußStrG dennoch ein Revisionsrekurs erhoben werden, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder soweit er nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (außerordentlicher Revisionsrekurs).

[8] 2. Ob ein Anspruch vermögensrechtlicher Natur ist, ergibt sich aus seinem materiell-rechtlichen Inhalt. Als vermögensrechtliche Ansprüche können jene Ansprüche angesehen werden, die vererblich oder veräußerbar sind; Personenrechte und Familienrechte fallen hingegen nicht unter die Vermögensrechte (RS0007110). Nach der Rechtsprechung sind unter anderem Entscheidungen, die die Bewilligung der Realisierung von Vermögen eines Schutzbefohlenen zum Gegenstand haben, als rein vermögensrechtlich zu qualifizieren (RS0007110 [T45, T51, T52]; 3 Ob 239/15s). Nichts anderes kann für die mit dem hier angefochtenen Beschluss angeordnete Öffnung einer Wohnung durch einen Schlosser, die Schätzung des darin befindlichen Inventars und die Ermächtigung zur Beseitigung eines „Übelstands“ gelten, betreffen doch sämtliche dieser Handlungen ausschließlich die vermögensrechtliche Sphäre der Betroffenen, nicht aber deren Personenrechte.

[9] 3. Da der Entscheidungsgegenstand damit rein vermögensrechtlicher Natur war und das Rekursgericht diesen mit unter 30.000 EUR bewertet hat, kann die Betroffene gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG nur einen – mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbindenden – Antrag an das Rekursgericht stellen, den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde (Zulassungsvorstellung).

[10] 4. Da das Erstgericht durch sein Vorgehen bereits zu erkennen gegeben hat, dass es die Eingabe der Betroffenen als eine (mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundene) Zulassungsvorstellung an das Rekursgericht (§ 63 AußStrG) und damit nicht als verbesserungsbedürftig ansieht (vgl RS0109505), war der Akt ausnahmsweise sogleich dem Rekursgericht zurückzustellen.

Stichworte