OGH 1Nc20/22i

OGH1Nc20/22i27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der beim Landesgericht Klagenfurt anhängigen Rechtssache der klagenden Partei M* GmbH, *, vertreten durch Mag. Dr. Maria Lisa Aidin, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17–19, wegen 42.863,58 EUR sA, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010NC00020.22I.0927.000

 

Spruch:

1. Der Antrag auf Delegierung des Verfahrens wird zurückgewiesen.

2. Zur Verhandlung und Entscheidung über die Amtshaftungsklage wird das Landesgericht Salzburg als zuständig bestimmt.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin macht mit ihrer auf Amtshaftung gestützten Klage Schadenersatzansprüche gegen die Republik Österreich (Bund) geltend und berief sich zunächst unter anderem auf vermeintlich fehlerhafte Entscheidungen des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rechtsmittelgericht in vor dem Bezirksgericht Feldbach anhängig gewesenen Exekutionsverfahren, weswegen das Oberlandesgericht Graz gemäß § 9 Abs 4 AHG das Landesgericht Klagenfurt als zur Führung des Verfahrens zuständig bestimmte.

[2] Mit Schriftsatz vom 7. 9. 2022 brachte die Klägerin unter anderem vor, dass sie ihren Anspruch auch aus „grob schuldhaftem Handeln durch Unterlassen“ des (damaligen) Präsidenten des Oberlandesgerichts Graz ableite. Sie beantragte ausdrücklich die Delegierung der Rechtssache an ein Gericht außerhalb des Sprengels dieses Oberlandesgerichts.

[3] Das Landesgericht Klagenfurt legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung nach § 9 Abs 4 AHG vor.

Zu Punkt 1.:

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Fälle des § 9 Abs 4 AHG sind solche notwendiger und der Parteiendisposition entzogener Delegierung (Nachweise bei Schragel, AHG3 Rz 255). Ein Antragsrecht kommt der Partei insoweit nicht zu (RS0056449 [T27]). Der förmliche Delegierungsantrag der Klägerin ist insoweit als unzulässig zurückzuweisen (RS0056449 [T33]).

Zu Punkt 2.:

[5] Nach § 9 Abs 4 AHG ist vom übergeordneten Gericht ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung zu bestimmen, wenn der Ersatzanspruch aus der Verfügung des Präsidenten eines Landesgerichts oder eines Oberlandesgerichts oder aus einem kollegialen Beschluss eines dieser Gerichtshöfe abgeleitet wird, der unmittelbar oder im Instanzenzug zuständig wäre. Dadurch soll vermieden werden, dass auch nur der Anschein einer Befangenheit von Richtern entstehen kann. Dieser rechtspolitische Grund des § 9 Abs 4 AHG kommt auch dann zum Tragen, wenn der Anspruch aus einer, ein oder mehrere Verfahren betreffenden, konkreten Unterlassung einer an sich bestehenden Verpflichtung abgeleitet wird (vgl 1 Nc 6/05f). Der Delegierungstatbestand nach § 9 Abs 4 AHG ist daher auch dann erfüllt, wenn der Anspruch aus einer konkreten Unterlassung einer Handlungspflicht – wie etwa in Ausübung der gerichtlichen Dienstaufsicht – abgeleitet wird (vgl RS0056449 [T23]).

[6] Da die Klägerin ihren Anspruch nunmehr (auch) aus einem vermeintlich schuldhaften Unterlassen des (damaligen) Präsidenten des Oberlandesgerichts Graz ableitet, ist der Tatbestand des § 9 Abs 4 AHG erfüllt und ein Landesgericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz als zuständig zu bestimmen. Die Delegierung an das Landesgericht Salzburg erscheint dabei zweckmäßig.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte