OGH 5Ob161/22w

OGH5Ob161/22w27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin S* GmbH, *, vertreten durch Dr. Peter Pulletz, Dr. Robert Gschwandtner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegnerin H* M*, vertreten durch Mag. Rudolf Siegel, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 16 MRG über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. August 2020, GZ 39 R 143/20y‑13, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00161.22W.0927.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Präklusion des Mietzinsüberprüfungsantrags der Antragstellerin mangels Rüge iSd § 16 Abs 1 Z 1 MRG.

[2] Die Vorinstanzen gingen übereinstimmend von einem Eintritt der Antragstellerin in die Hauptmietrechte der Vormieterin aufgrund des dieser eingeräumten beschränkten Weitergaberechts aus, die die Höhe des vereinbarten Hauptmietzinses nicht gerügt hatte, sodass der Mietzinsüberprüfungsantrag der Antragstellerin präkludiert und abzuweisen sei.

[3] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu, weil Fragen der Vertragsauslegung regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[5] 1. Dass die Antragsgegnerin der Vormieterin nicht nur ein Präsentationsrecht, sondern ein – beschränktes – Weitergaberecht eingeräumt hatte, somit das Recht, durch bloße Erklärung alle Rechte und Pflichten aus dem Bestandverhältnis auf einen Dritten mit der Wirkung zu übertragen, dass dieser an ihrer Stelle Bestandnehmer wird, ohne dass es einer weiteren Erklärung der Bestandnehmerin bedürfte (vgl RIS‑Justiz RS0105786), zieht die Revisionsrekurswerberin nicht in Zweifel. Auch wenn das Auswahlrecht des Mieters dadurch eingeschränkt wird, dass der Vermieter den Eintritt der namhaft gemachten Person ablehnen darf, wenn gegen diese als Mieter sachlich begründete Bedenken bestehen, also ein beschränktes Weitergaberecht vereinbart wurde, geht das Mietrecht nach der Rechtsprechung (RS0105786 [T1]) – wie beim unbeschränkten Weitergaberecht – durch bloße Erklärung des bisherigen Mieters über. Eine entsprechende Erklärung der Vormieterin stellte das Erstgericht auf Basis der Urkundenlage fest. Dass die Vorinstanzen von einer Ausübung des beschränkten Weitergaberechts durch die Vormieterin ausgingen, ist daher nicht zu beanstanden.

[6] 2. Die Frage, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, wirft im Regelfall nach ständiger Rechtsprechung (RS0042776) keine erhebliche Rechtsfrage auf. Nur im Fall einer unhaltbaren, durch die Missachtung fundamentaler Auslegungsregeln zustande gekommenen Entscheidung hätte der Oberste Gerichtshof korrigierend einzugreifen (RS0042776 [T22]). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

[7] 3. Die Beantwortung der Frage, ob durch den Abschluss der als „zweiter Nachtrag zum Mietvertrag vom 26. 5. 2010“ bezeichneten Zusatzvereinbarung allenfalls ein neuer Mietvertrag zwischen den Streitteilen selbst zustande gekommen ist, bedarf – im Gegensatz zur Auffassung der Revisionsrekurswerberin – jedenfalls der Vertragsauslegung. Der diesbezüglichen Argumentation der Revisionsrekurswerberin ist mit dem Rekursgericht schon der Wortlaut dieser Vereinbarung entgegenzuhalten, der eindeutig gegen eine solche Auslegung spricht. Abgeschlossen wurde dieser Nachtrag zum Mietvertrag zwischen den ursprünglichen Mietvertragsparteien, die Revisionsrekurswerberin „als in Aussicht genommene neue Mieterin nach Ausübung des vertraglich eingeräumten Weitergaberechts“ trat der Vereinbarung nur zur Bekundung ihres Einverständnisses bei. Der Nachtrag nahm auf den ursprünglichen Mietvertrag vom 26. 5. 2010 Bezug, der – abgesehen von einer als Gegenleistung für die Abgabe eines 10jährigen Kündigungsverzichts vereinbarten befristeten Mietzinsreduktion – ausdrücklich vollinhaltlich aufrechtbleiben sollte. Die übereinstimmende Auffassung der Vorinstanzen, in diesem Nachtrag zum Mietvertrag sei weder der Abschluss eines neuen Mietvertrags noch eine Novation des ursprünglichen Mietvertrags zu sehen (zu deren Voraussetzungen RS0032330), die der Revisionsrekurswerberin iSd § 16 Abs 1 Z 1 MRG allenfalls eine Rüge des neu vereinbarten Hauptmietzinses ermöglicht hätten, ist im Einzelfall daher nicht zu beanstanden.

[8] 4. Die Lösung von Rechtsfragen rein theoretischer Natur ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RS0111271). Die von der Revisionsrekurswerberin allgemein aufgeworfene Frage, welche Kriterien die Begründung eines Mietverhältnisses mit einem Nachmieter unter Einbindung sowohl des Vormieters als auch des Vermieters aufweisen müsse, damit dem neuen Mieter die Möglichkeit einer Rüge bei Überschreitung des gesetzlich zulässigen Hauptmietzinses zustehe, geht über die Lösung der hier angesprochenen Rechtsfrage hinaus und ist rein theoretischer Natur. Ihr fehlt daher die erhebliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG.

[9] 5. Der außerordentliche Revisionsrekurs war damit zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Stichworte