OGH 5Ob149/22f

OGH5Ob149/22f27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Mag. V*, vertreten durch Dr. Wolfgang Schöberl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin T*, vertreten durch Mag. Christian Weimann, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 6 MRG iVm § 9 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 15. Juni 2022, GZ 38 R 335/21b‑24, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00149.22F.0927.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragstellerin begehrte (soweit für das Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung) die Feststellung, dass die Herstellung von Mauerdurchbrüchen zwischen Küche und Vorzimmer (im Ausmaß von 100 x 235 cm bzw von 145 x 135 cm) und gleichzeitige Abtrennung in Glasbauweise mit Sicherheitsglas (mit einer Glastüre und im Übrigen mit einer Fixverglasung inklusive einer verschließbaren Durchreiche), in eventu, dass dieHerstellung nur eines Durchbruchs und dessen Abtrennung mit einer Glastüre (ca 100 x 235 cm) eine Änderung im Sinn des § 9 Abs 1 MRG sei, und die Zustimmung der Antragsgegnerin zu diesen Veränderungen zu ersetzen.

[2] Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Antragsgegnerin gegen die Entscheidung des Erstgerichts teilweise Folge und wies die Anträge insoweit ab. Die angestrebte Veränderung laufe letztlich darauf hinaus, dass eine Trennwand teilweise durch (öffenbare) Glaselemente (im Eventualantrag nur durch eine Glastür) ersetzt werden soll. Dabei handle es sich schon im Allgemeinen und insbesondere im Altbau um keine Maßnahme, die der Übung des Verkehrs entspreche. Tatsachenbehauptungen, aus welchen Gründen diese Veränderungen verkehrsüblich sein sollen, habe die Antragstellerin auch nicht vorgebracht, sondern insofern lediglich auf die mangelnde Bestreitung durch die Antragsgegnerin hingewiesen. Damit habe sie aber ihrer Behauptungslast nicht entsprochen.

Rechtliche Beurteilung

[3] In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs spricht die Antragstellerin keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG an:

[4] 1. Voraussetzung für die Genehmigung einer vom Mieter geplanten (hier in Form der Mauerdurchbrüche bereits hergestellten) wesentlichen Veränderung ist unter anderem, dass sie der Übung des Verkehrs entspricht und seinem wichtigen Interesse dient (§ 9 Abs 1 Z 2 MRG). Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass diese beiden Voraussetzungen kumulativ vorhanden sind, trifft nach der Rechtsprechung den Mieter (RIS‑Justiz RS0069551 [T2]; 5 Ob 10/21p mwN). Nur bei den nach § 9 Abs 2 Z 1 bis 5 MRG privilegierten Arbeiten wird das Vorliegen dieser Voraussetzungen unwiderlegbar vermutet.

[5] 2. Zur Übung des Verkehrs ist auf objektive Umstände abzustellen (RS0069695 [T1]), die vom dafür behauptungs- und beweispflichtigen Mieter durch konkrete Tatsachen darzulegen sind, wenn sich die Verkehrsüblichkeit nicht schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergibt (5 Ob 245/18t mwN). Dabei kommt es nicht auf die vom Mieter mit seinem Veränderungsbegehren angestrebte Ausstattung des Mietgegenstands im Allgemeinen an, sondern darauf, ob die konkret beabsichtigte Änderung in ihrer geplanten Ausgestaltung als solche verkehrsüblich ist (RS0126244). Ob die Voraussetzungen für die Duldungspflicht des Vermieters gemäß § 9 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 MRG gegeben sind, hängt damit von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet damit regelmäßig keine Rechtsfrage von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG (RS0113606).

[6] 3. Eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht kann die Antragstellerin mit ihrem Verweis, dass ein einheitlicher Wohn- und Essbereich als Ausdrucksform eines modernen Wohnprinzips allgemein verbreitet sei, und ihren Ausführungen zum „Familiengeschehen“, weil in einem solchen Fall die „Hausfrau“ nicht mehr isoliert das Essen zubereiten müsse, nicht aufzeigen. Es mag zutreffen, dass im modernen Wohnbau eine Integrierung des Ess- in den Wohnbereich vermehrt anzutreffen ist. Für den Altbau kann daraus aber keineswegs abgeleitet werden, dass die Herstellung von Mauerdurchbrüchen und das Einsetzen von (zum Teil öffenbaren) Glaselementen zur Herstellung eines solchen offenen Wohnbereichs allgemein üblich wäre, wie die Antragstellerin meint. Mit ihrem Hinweis auf die allgemeine Lebenserfahrung kann sie daher den für eine Bejahung der Verkehrsüblichkeit erforderlichen Tatsachenbeweis nicht ersetzen. Damit ist die Beurteilung des Rekursgerichts, die Antragstellerin habe den ihr obliegenden Beweis, dass die von ihr angestrebten Veränderungen der Übung des Verkehrs entsprechen, nicht erbracht, insgesamt nicht zu beanstanden.

[7] 4. Bei der Beurteilung der Verkehrsüblichkeit kommt es nicht auf die subjektiven Interessen des Mieters an, sodass der von der Antragstellerin ins Treffen geführte Wunsch nach mehr Licht und Transparenz nicht zu berücksichtigen ist (vgl RS0069695 [T2]).

[8] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Stichworte