European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0260DS00017.21F.0921.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und der Beschuldigte vom Vorwurf freigesprochen, er habe im Rahmen der Vertretung der * als beklagte Partei im Verfahren AZ * des * am 10. September 2018 versehentlich einen Schriftsatzentwurf auch direkt an den Kläger * versandt und diesen noch am selben Tag und darüber hinaus bis zum 17. September 2018 unter Umgehung der Rechtsfreunde des Klägers, der Rechtsanwaltskanzlei *, mehrmals per E-Mail direkt kontaktiert.
Mit seiner Berufung wird der Beschuldigte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschuldigte * des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt schuldig erkannt.
[2] Dem Spruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zufolge hat er im Rahmen der Vertretung der * als beklagte Partei gegen den Kläger * im Verfahren AZ * des * am 10. September 2018 versehentlich einen Schriftsatzentwurf auch direkt an den Kläger versandt und diesen noch am selben Tag bis zum 17. September 2018 unter Umgehung der Rechtsfreunde des Klägers, der Rechtsanwaltskanzlei *, mehrmals direkt per E‑Mail kontaktiert.
Rechtliche Beurteilung
[3] Aus Anlass der Berufung des Beschuldigten gegen dieses Erkenntnis überzeugte sich der Oberste Gerichtshof vom Vorliegen einer nicht geltend gemachten, dem Beschuldigten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit.
[4] Der in den Gründen (RIS‑Justiz RS0114639) des angefochtenen Erkenntnisses festgestellte Sachverhalt trägt den Schuldspruch nämlich nicht (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO).
[5] Demnach wurde der in Rede stehende Entwurf des Schriftsatzes „von der Kanzlei“ des Beschuldigten mit E‑Mail vom 10. September 2018 auch an den Prozessgegner und Anzeiger * geschickt (ES 4). Weiters heißt es in den Gründen (erkennbar die Rollen des Klägers und des Beklagten verwechselnd, worauf es aber hier nicht ankommt, weil klar ist, wer gemeint war): „Dem Kläger beziehungsweise seinem Sekretariat“ ist am 10. September 2018 „insofern ein äußerst unangenehmer Fehler unterlaufen, als ein durchaus brisanter Schriftsatzentwurf nicht nur an seine Mandantschaft, sondern auch an den Prozessgegner per E‑Mail versendet wurde“.
[6] Damit wurde aber kein Sachverhalt festgestellt, aus dem hervorginge, dass der Beschuldigte selbst die Absendung vorgenommen oder veranlasst hätte oder ihn ein diesbezügliches Organisationsverschulden in Ansehung seiner Kanzlei träfe.
[7] Die Feststellungen zur daraufhin folgenden E‑Mail Korrespondenz zwischen dem Beschuldigten und * lassen nicht erkennen, dass sich der Beschuldigte darin auf den Inhalt der Streitsache bezogen hätte. Vielmehr ging es dem Beschuldigten den Feststellungen zufolge darum, die Kenntnisnahme des Inhalts des Schriftsatzes und dessen Gebrauch durch den Genannten hintanzuhalten, dies auch unter Anführung sonst von * zu gewärtigender rechtlicher Folgen. Der Beschuldigte befand sich dabei in einer Situation, in der ihn keine Pflicht traf, das geschehene Missgeschick, dass ein Schriftsatzentwurf wie festgestellt aus dem Verschwiegenheitsbereich des Beschuldigten geraten war, durch diesbezügliche Kontaktierung auch des Rechtsanwalts des * zu vergrößern.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)