OGH 1Ob134/22w

OGH1Ob134/22w14.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. P* A*, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 31 Cg 18/13i des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, hier wegen Ablehnung und Fristsetzung, über den „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs) der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 16. Mai 2022, AZ 14 R 34/22f, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00134.22W.0914.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, mit dem dieses die Wiederaufnahmsklage des Klägers (zu einem rechtskräftig abgeschlossenen Amtshaftungsverfahren) zurückgewiesen und seinen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (nach § 64 Abs 1 Z 1 und 2 ZPO) abgewiesen hatte, erhob der damals noch anwaltlich vertretene Kläger einen Rekurs und lehnte zugleich die Erstrichterin als befangen ab.

[2] Gegen den Beschluss des Ablehnungssenats des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, mit dem sein „Ablehnungsantrag“ zurückgewiesen worden war, erhob der Kläger einen nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehenen Rekurs.

[3] Nach Vorlage des Rekurses an das Oberlandesgericht Wien trug dieses dem Kläger mit Beschluss auf, seinen an das Oberlandesgericht gerichteten Fristsetzungsantrag vom 15. 3. 2022 fristgebunden durch die Unterschrift eines Rechtsanwalts zu verbessern.

[4] Den gegen diese Entscheidung erhobenen „Revisionsrekurs“ und den darin enthaltenen, nun an den Obersten Gerichtshof gerichteten Fristsetzungsantrag des Klägers wies das Oberlandesgericht Wien mit dem angefochtenen Beschluss zurück. Es ersuchte das Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien um Zustellung seiner Entscheidung an den Kläger, die am 13. 6. 2022 erfolgte. Dieser überreichte in der Folge am 22. 6. 2022 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien einen „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs), der am 30. 6. 2022 beim Oberlandesgericht Wien einlangte.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Rekurs des Klägers, der nicht von einem Rechtsanwalt unterfertigt ist, ist verspätet.

[6] 1. Gemäß § 520 Abs 1 ZPO wird der Rekurs durch Überreichung eines Schriftsatzes bei dem Gericht erhoben, dessen Beschluss angefochten wird, doch sind Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz beim Gericht erster Instanz zu überreichen.

[7] Der Rekurs ist demnach beim jeweiligen Erstgericht einzubringen. Der Begriff „beim Gerichte erster Instanz“ ist aus funktioneller Sicht zu verstehen. Deshalb muss das Erstgericht nicht jedenfalls ein solches nach den Kriterien der Gerichtsorganisation also ein Bezirksgericht oder ein Gerichtshof erster Instanz sein (Sloboda in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 520 ZPO Rz 1).

[8] So wird beispielsweise das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über einen Delegierungsantrag als Erstgericht tätig. Rekurse gegen solche Entscheidungen sind daher bei dem Oberlandesgericht einzubringen, das über den Antrag entschieden hat (RS0046243). Auch der Rekurs gegen einen Beschluss, mit dem über einen Ablehnungsantrag entschieden wurde, ist bei dem Gericht einzubringen, das in der Ablehnungssache entschieden hat (RS0109787). Entscheidet das Oberlandesgericht nach Rechtskraft der Berufungsentscheidung über deren Berichtigung, handelt es funktionell als Erstgericht, sodass der Rekurs gegen den Berichtigungsbeschluss beim Oberlandesgericht einzubringen ist (RS0128301).

[9] Entscheidet demnach das Oberlandesgericht nicht in Ausübung der Gerichtsbarkeit in Rechtsmittelverfahren, wird es funktionell als Erstgericht tätig. Das ist auch dann der Fall, wenn es – wie hier – den Rekurs gegen den von ihm erteilten Verbesserungsauftrag zu einem nicht anwaltlich unterfertigten, an das Oberlandesgericht gerichteten Fristsetzungsantrag und einen Fristsetzungsantrag, der eine Säumnis des Oberlandesgerichts Wien behauptet, zurückweist. Dass das Oberlandesgericht Wien in erster Instanz entschied, ergibt sich daraus, dass eine Partei gemäß § 91 Abs 1 GOG im Falle der Säumigkeit des zur Vornahme einer Verfahrenshandlung zuständigen Gerichts nur bei diesem (dem säumigen) Gericht einen an den übergeordneten Gerichtshof gerichteten Fristsetzungsantrag stellen kann. Das OberlandesgerichtWien hat zwar den bekämpften Beschluss „als Rekursgericht“ gefasst, dabei jedoch nicht über ein Rechtsmittel an die zweite Instanz entschieden und nicht die Gerichtsbarkeit im Rekursverfahren ausgeübt, sondern den Beschluss „im Rahmen“ des Rekursverfahrens, funktionell als Erstgericht, erlassen. Aus § 520 Abs 1 ZPO folgt daher, dass der dagegen erhobene Rekurs des Klägers beim Oberlandesgericht Wien einzubringen war.

[10] 2. Nach § 521 Abs 1 ZPO beträgt die Rekursfrist 14 Tage. Wenn das Rechtsmittel beim unzuständigen Gericht eingebracht und erst von diesem dem zuständigen Gericht übersendet wird, ist die Zeit dieser Übersendung in die Rechtsmittelfrist einzurechnen (RS0041584).

[11] Der angefochtene Beschluss wurde dem Kläger am 13. 6. 2022 zugestellt. Sein dagegen gerichteter Rekurs langte am 22. 6. 2022 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien und erst (nach Ablauf der 14-tägigen Rekursfrist) am 30. 6. 2022 beim Oberlandesgericht Wien ein. Der Rekurs ist daher verspätet und zurückzuweisen.

[12] 3. Das Rekursverfahren in Ablehnungssachen und auch die Frage, ob für die Erhebung eines Rechtsmittels Vertretungszwang besteht, richtet sich nach den Vorschriften, die für das Hauptverfahren maßgeblich sind (RS0006000; RS0035708). Da im Hauptverfahren – Wiederaufnahme des Amtshaftungsverfahrens – absolute Anwaltspflicht besteht (§ 27 Abs 1 ZPO), müssen schriftliche Rekurse mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein. Auch ein Fristsetzungsantrag gemäß § 91 GOG bedarf bei Anwaltspflicht stets der Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt (RS0118184). Infolge Verspätung des Rechtsmittels erübrigt sich aber die Durchführung eines Verbesserungsverfahrens durch Beibringung der Unterschrift eines Rechtsanwalts (RS0005946 [T4, T14]).

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