OGH 14Os76/22s

OGH14Os76/22s24.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. August 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Turner in der Strafsache gegen * L* und andere Angeklagte wegen Verbrechen nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * M* und * V* gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 12. Mai 2022, GZ 36 Hv 2/22x‑99, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00076.22S.0824.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten M* und V* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – * M* und * V* jeweils eines Verbrechens nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt (I/4).

[2] Danach haben sie sich in der Nacht vom 31. Dezember 2017 auf den 1. Jänner 2018 in W* auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem sie vor einem Porträt Adolf Hitlers mit der Parole, „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ für ein gemeinsames Foto posierten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen von den Angeklagten M* und V* aus Z 10a und Z 11 lit a, von Ersterer überdies aus Z 8, jeweils des § 345 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht im Recht.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten M*:

[4] Die Instruktionsrüge (Z 8) vernachlässigt mit der Kritik, die den Geschworenen erteilte Rechtsbelehrung enthalte weder eine „Darstellung des Tatbildes“, insbesondere dessen Merkmals „propagieren und aktualisieren“, noch eine „Erklärung was ein abstraktes Gefährdungsdelikt ist“ und dass es sich um „ein sog Äusserungsdelikt“ handle (vgl aber S 9 ff der Belehrung), die gebotene Bezugnahme auf deren gesamten Inhalt (RIS‑Justiz RS0100695). Indem das weitere Vorbringen aus dem Wahrspruch und der Niederschrift der Geschworenen (§ 331 Abs 3 StPO) spekulative Überlegungen zu einem fehlenden Verständnis der Geschworenen der einzelnen Tatbestandsmerkmale anstellt, verfehlt sie ein weiteres Mal den gesetzlichen Bezugspunkt (vgl RIS‑Justiz RS0100947).

[5] Auch die Tatsachenrüge (Z 10a) leitet ihre Bedenken gegen den Wahrspruch zunächst unzulässig aus der Niederschrift der Geschworenen ab (RIS‑Justiz RS0115549). Im Übrigen gelingt es ihr nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch zum Ausdruck kommenden Sachverhaltsannahmen zum Bedeutungsinhalt des von der Beschwerdeführerin gezeigten Verhaltens zu wecken (vgl RIS‑Justiz RS0110511; Lässig in WK2 VerbotsG § 3g Rz 17). Sie bekämpft diese vielmehr nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen (§ 344 iVm § 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.

[6] Indem die Rechtsrüge (Z 11 lit a) unrichtige Gesetzesanwendung behauptet, weil „eben hier keine Betätigung im Sinne des Tatbestandes des § 3g Verbotsgesetz von 1947“ vorliege, hält sie zum Einen prozessordnungswidrig nicht an den im Wahrspruch festgestellten Tatsachen (zum Bedeutungsinhalt des inkriminierten Verhaltens) fest (RIS‑Justiz RS0101403) und übersieht zudem, dass die Bejahung oder Verneinung der Sachverhaltsgrundlagen des normativen Tatbestandsmerkmals „nationalsozialistisch“ auf der Feststellungsebene angesiedelt und damit einer Anfechtung mit Rechtsrüge entzogen ist (RIS‑Justiz RS0119234).

[7] Weshalb der Tatbestand besondere Publizität voraussetze, legt die Beschwerdeführerin nicht dar. Dass das inkriminierte Verhalten für Dritte nicht wahrnehmbar gewesen sei, behauptet sie (zu Recht) nicht (vgl RIS‑Justiz RS0079829 [insbesondere T2]).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten V*:

[8] Indem die Tatsachenrüge (Z 10a) – zudem ohne konkrete Bezugnahme auf aktenkundige Beweisergebnisse (vgl RIS‑Justiz RS0117446) – bloß behauptet, die Beschwerdeführerin habe sich nur fotografieren lassen, „bei richtiger rechtlicher Beurteilung“ könne ein „bewusstes Posieren, um die Person Adolf Hitler zu glorifizieren“, nicht „abgeleitet werden“ sowie es habe „überhaupt keine Außenwirkung“ bestanden, weckt auch sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Sachverhaltsannahmen zum Bedeutungsinhalts des Verhaltens dieser Angeklagten.

[9] Mit dem Vorbringen der Rechtsrüge (Z 11 lit a), es liege (der Sache nach) keine Betätigung im nationalsozialistischen Sinne vor, kann die Beschwerdeführerin auf die Beantwortung der inhaltsgleichen Kritik der Mitangeklagten verwiesen werden (vgl erneut RIS‑Justiz RS0119234).

[10] Weshalb es – neben der Erfüllung des Tatbildes und dem Vorliegen eines auf dessen Merkmale gerichteten Vorsatzes – auf eine „nationalsozialistische Gesinnung“ oder einen bestimmten „ideologischen Hintergrund“ der Beschwerdeführerin ankomme, erklärt die weitere Rüge nicht (vgl RIS‑Justiz RS0110512).

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

[12] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen(§§ 285i, 344 StPO).

[13] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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