OGH 14Os75/22v

OGH14Os75/22v24.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. August 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Turner in der Strafsache gegen * S* und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten S* gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 9. November 2021, GZ 72 Hv 53/21f‑32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0140OS00075.22V.0824.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten S* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant, wurde mit dem angefochtenen Urteil * S* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 11. Jänner 2021 in V* mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an dessen Recht auf (gemeint): Ausschluss nicht betriebssicherer Fahrzeuge von der Teilnahme am öffentlichen Verkehr zu schädigen (US 10), den Mitangeklagten * M* durch die Aufforderung, für das Kraftfahrzeug V* mit der Fahrzeugidentifikationsnummer W* trotz schwerer Mängel und damit Nichtvorliegens der Verkehrs- und Betriebssicherheit desselben ein positives Prüfgutachten auszustellen, wissentlich bestimmt, als zur Vornahme wiederkehrender Begutachtungen nach § 57a KFG Ermächtigter (US 4 f), somit als Beamter, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

[4] Einen inneren Widerspruch erblickt die Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) im Umstand, dass das Erstgericht sowohl im Rahmen der Feststellungen (US 6) als auch bei der Beweiswürdigung (US 10) die Formulierung verwendete, dass der Beschwerdeführer den Angeklagten M* „konkludent drängte“, ein positives Gutachten auszustellen, weil eine konkludente Handlung ein – aktives Tun oder eine nachdrückliche Willenseinwirkung voraussetzendes – Drängen ausschließen würde. Damit zeigt sie Nichtigkeit iSd § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO nicht auf, steht doch der Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen nur dann mit sich selbst im Widerspruch, wenn zwischen Feststellungen und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch, zwischen zwei oder mehr Feststellungen, zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch besteht (RIS‑Justiz RS0119089). Warum im Übrigen jemand durch das Verhalten eines anderen nicht auch ohne ausdrückliche Aufforderung zu einer Handlung bewegt werden können soll, die er von sich aus nicht gesetzt hätte, wird durch die (bloße) grammatikalische Kritik nicht klar.

[5] Dem Einwand der weiteren Rüge (Z 5 vierter Fall) zuwider blieben die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer „im Rahmen seiner mehrjährigen Geschäftsbeziehung und mit der Vorgabe, die Begutachtung müsse sofort durchgeführt werden, da er den PKW gerade verkaufen wolle“, M* „zumindest konkludent“ zur Ausstellung eines positiven Gutachtens „drängte“ (US 6; vgl aber auch US 11 [„aufforderte“]), weder unbegründet noch offenbar unzureichend begründet. Denn diese Form der Bestimmung (vgl dazu RIS‑Justiz RS0089780) stützte das Erstgericht – wie von der Beschwerde ohnehin erkannt – einerseits darauf, dass der Angeklagte S* „den mit zahlreichen schweren Mängeln ausgestatteten PKW der Begutachtung des * M* unterziehen ließ, wobei beide Angeklagten aufgrund der langjährigen Verbindung wussten, dass * S* danach den PKW verkaufen werde“, andererseits die „Ausnützung dieser ständigen Geschäftsbeziehung“ und den Ausschluss der Tatrichter, dass „M* von sich aus, unbeeinflusst, im gegenständlichen Fall ein positives Gutachten trotz erkannter schwerer Mängel ausstellte“, es vielmehr „ein Entgegenkommen“ des Genannten gegenüber S* „und in dessen ausschließlichen Interesse“ war (US 10).

[6] Warum diese Begründung den Kriterien der Logik oder Empirie widersprechen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0118317 [T1]), wird mit dem Verweis auf die Bedeutung des Wortes „drängen“ nicht klar.

[7] Die vom Beschwerdeführer geforderte Begründung dafür, warum er M* „eine derartige Vorgabe“ zur sofortigen Begutachtung gemacht hat, konnte – mit Blick auf das Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – unterbleiben.

[8] Soweit die Beschwerde behauptet, es gebe kein Beweisergebnis, wonach beide Angeklagten wussten, dass der Angeklagte S* das Fahrzeug „danach“ verkaufen werde, bezieht sie sich nicht auf eine Feststellung zu entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0117499).

[9] Das Wissen um das Bestehen schwerer Mängel am Fahrzeug leitete das Schöffengericht deutlich genug aus dem Umstand ab, dass nach dem Gutachten des Sachverständigen aus dem Kraftfahrzeugbereich alle schweren Mängel am Fahrzeug am 11. Jänner 2021 erkennbar waren, während es die Verantwortung beider Angeklagten, die Mängel seien aufgrund des schlechten Wetters nicht erkennbar gewesen, für „nicht nachvollziehbar“ erachtete, zumal die einige Zeit erfordernde Begutachtung ohnehin in der Werkstatt erfolgte (US 9). Der bloße Einwand des Fehlens einer Begründung für die Konstatierung zur Wissentlichkeit ist daher nicht berechtigt.

[10] Soweit der Rechtsmittelwerber auf das Fehlen von Beweisergebnissen, insbesondere eines am 11. Jänner 2021 bereits vorhandenen weiteren Prüfgutachtens verweist, aus dem er Kenntnis von vorhandenen Mängeln erlangen hätte können, übt er in unzulässiger Form Beweiswürdigungskritik.

[11] Die Konstatierung, dass der Angeklagte S* das gegenständliche Fahrzeug selbst einige Monate vor dem 11. Jänner 2021 anlässlich des Ankaufs in seiner Werkstätte überprüft hat (US 6), ist weder für die Lösung der Schuldfrage noch für die Subsumtion relevant. Das Fehlen einer auf diese bezogenen Begründung ist daher nicht mit Nichtigkeit bedroht.

[12] Keine offenbar unzureichende Begründung wird unter Bezugnahme auf die Urteilserwägung, die Ausstellung des positiven Prüfgutachtens sei „ein Entgegenkommen des Zweitangeklagten gegenüber dem Erstangeklagten“ gewesen (US 10), mit der Behauptung aufgezeigt, es sei unklar, aus welchen Gründen M* zu einem derartigen Entgegenkommen bereit gewesen sein soll (vgl RIS‑Justiz RS0088761).

[13] Da die bereits zuvor wiedergegebene Feststellung der Überprüfung des Fahrzeugs durch den Beschwerdeführer anlässlich dessen Ankaufs keine entscheidende Tatsache betrifft, versagt der darauf bezogene Einwand von Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) schon aus diesem Grund. Im Übrigen liegt der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431). Ein solches Fehlzitat wird aber mit der Wiedergabe dreier Passagen aus der Verantwortung des Beschwerdeführers und der Behauptung, der festgestellte Umstand ergebe sich nicht aus den Beweisergebnissen, ohnehin nicht angesprochen.

[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[15] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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