OGH 12Os86/22x

OGH12Os86/22x18.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. August 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Dr. Blecha in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Jugendschöffengericht vom 6. April 2022, GZ 21 Hv 19/22w‑35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00086.22X.0818.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (I./) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

I./ am 15. März 2021 in M* in einverständlichem Zusammenwirken mit * Se* dem * B* eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) in Form eines Schlüsselbeinbruchs und einer Rissquetschwunde im Gesicht absichtlich zugefügt, indem ihm * Se* einen Faustschlag ins Gesicht versetzte und sowohl * S* als auch * Se* mit den Füßen auf ihn eintraten, während er am Boden lag;

II./ am 22. Oktober 2021 in L* * Be* vorsätzlich am Körper verletzt, indem er ihm einen Faustschlag und einen Kniestoß in den Gesichtsbereich versetzte, wodurch er eine blutende Wunde an der Wange und Schmerzen am Ellbogen erlitt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

[4] Mit den – nominell auf Z 5 und 5a gestützten – „allgemeinen Überlegungen“, wonach sich die Beweiswürdigung zum Schuldspruch I./ nicht an Art 6 MRK und Art 2 7. ZPMRK orientiere, unterlässt der Beschwerdeführer jegliche Bezugnahme auf die Anfechtungskriterien der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe.

[5] Gleiches gilt für die nicht näher konkretisierte Behauptung, die „pauschale Verneinung von Notwehr, Notwehrexzess oder Putativnotwehr“ sei unvertretbar, und für den Einwand „offensichtlicher Denkunmöglichkeit der Entscheidungsfindung“.

[6] Nach den wesentlichen Feststellungen (US 4) versetzte * Se* dem * B* einen Faustschlag ins Gesicht, der dadurch zu Boden ging. Nachdem dieser mit einer mitgeführten „Self‑Defence‑Waffe“ in Richtung des Angeklagten und des * Se* feuerte, traten die Genannten mehrfach und heftig auf das Opfer ein.

[7] Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit b), der Angeklagte habe sich in einer Notwehrsituation befunden, kann schon deshalb auf sich beruhen, weil das (kumulativ erforderliche) Vorliegen einer notwendigen Gegenwehr (zu den Voraussetzungen RIS-Justiz RS0088842; Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 3 Rz 7),nicht einmal behauptet wird.

[8] Soweit der Beschwerdeführer (der Sache nach aus Z 10) absichtliches Verhalten (§ 5 Abs 2 StGB) in Frage stellt, nimmt er prozessordnungswidrig nicht an den Urteilskonstatierungen Maß (vgl RIS‑Justiz RS0099810). Danach kam es dem Angeklagten bei seinen Tathandlungen darauf an, dem Opfer eine schwere Körperverletzung zuzufügen (US 5 f).

[9] Die gegen den Schuldspruch II./ gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit b) behauptet „mangelnde Strafwürdigkeit der Tat“ (offenbar gemeint: das Vorliegen der Voraussetzungen des § 191 Abs 1 StPO), weil nur unbedeutende Verletzungen eingetreten seien und der Angeklagte Schadensgutmachung geleistet habe. Indem sie jedoch die weiteren Voraussetzungen des in Anspruch genommenen Einstellungsgrundes (insb § 191 Z 2 StPO) ausblendet, bringt sie den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (zur vergleichbaren Situation bei der Diversionsrüge vgl RIS-Justiz RS0124801). Im Übrigen erklärt die Beschwerde nicht, weshalb der Störwert bei einem Faustschlag und einem Kniestoß, der eine blutende Wunde an der Wange und Schmerzen am Ellbogen zur Folge hatte (US 6), als gering anzusehen sein soll.

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (angemeldete) Berufung folgt (§ 285i StPO).

[11] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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