OGH 12Os78/22w

OGH12Os78/22w18.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. August 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Dr. Blecha in der Strafsache gegen * K* wegen Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und 3a Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 31. März 2022, GZ 84 Hv 147/21h‑60, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00078.22W.0818.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* der Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 und Abs 3a Z 1 StGB (I./A./), der Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (I./B./ und C./) sowie der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* und S*

„I./gegen Nachgenannte längere Zeit hindurch durch fortdauernde körperliche Misshandlungen, teilweise auch Körperverletzungen, wie z.B. Hämatome, Schwellungen und blutende Wunden, fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er sie in zahlreichen Angriffen mit der flachen Hand, Fäusten und diversen Gegenständen (Sessel, Geschirr und Besteck) schlug bzw bewarf, sie teilweise an den Haaren zog, sie mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedrohte und ihnen Fußtritte versetzte, und zwar

A./ gegen seine unmündigen Kinder, nämlich

1./ im Zeitraum von 16. 10. 2020 bis 09. 10. 2021 seinen am * geborenen Sohn Ar* K*, insbesondere indem er ihn in zahlreichen Angriffen schlug,

2./ im Zeitraum von 16. 10. 2020 bis 09. 10. 2021 seinen am * geborenen Sohn M* K*, insbesondere indem er ihn in zahlreichen Angriffen schlug,

3./ im Zeitraum von 16. 10. 2020 bis 9. 10. 2021 seine am * geborene Tochter A* K*, insbesondere indem er sie in zahlreichen Angriffen schlug, sie mit Gegenständen bewarf und sie wiederholt an den Haaren zog;

B./ gegen seine mündigen minderjährigen Kinder, nämlich

1./ im Zeitraum von 16. 10. 2020 bis 09. 10. 2021 seine am * geborene Tochter Al* K*, insbesondere indem er sie in zahlreichen Angriffen schlug, sie mit einem Stuhl an der Schulter verletzte, im Februar 2021 sie mit einem Stuhl auf Kopf und Rücken schlug, im Sommer 2021 eine Pfanne gegen sie schleuderte, wobei sie aber nicht getroffen wurde, und ihr zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2021 drohte, er werde ihre Haare verbrennen;

2./ im Zeitraum von 16. 10. 2020 bis 09. 10. 2021 seinen am * geborenen Sohn Ala* K*, insbesondere indem er ihn in zahlreichen Angriffen schlug und im Februar 2021 Ala* K* mit einem Stuhl auf die Schulter schlug, wodurch dieser Hämatome erlitt;

C./ [zu ergänzen: I./] im Zeitraum von 16. 10. 2020 bis 01. 11. 2021 gegen seine am * geborene Ehefrau * A*, insbesondere indem er sie in zahlreichen Angriffen, mehrmals wöchentlich schlug, er im Dezember 2020 ein Messer gegen sie schleuderte, wodurch diese blutende Wunden an Mund und Kinn erlitt, die genäht werden mussten, sowie zwischen 10. 10. und 31. 10. 2021 ua sie durch eine telefonische Mitteilung an Ah* K* und am 01. 11. 2021 durch die Ankündigung, er werde sie umbringen bzw mit einem Messer abstechen, mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

II./ Ah* K* mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

A./ Anfang Oktober 2021, indem er ein Messer zur Hand nahm und zu ihm sagte, er werde ihn 'stechen';

B./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen 10. 10. und 31. 10. 2021 durch die telefonische Mitteilung, er werde ua ihn umbringen;

C./ am 01. 11. 2021 durch die Äußerung gegenüber Ah* K*, er werde sie

umbringen bzw mit einem Messer abstechen.“

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

[4] Der gegen den Schuldspruch I./ gerichteten Mängelrüge (Z 5 dritter Fall) zuwider stehen die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 7) und die Feststellung, dass der Angeklagte Gewaltakte immer dann setzte, wenn er mit dem Verhalten seiner Kinder oder seiner Frau nicht einverstanden war (US 5) nicht im Widerspruch zueinander (vgl RIS-Justiz RS0119089).

[5] Die weitere Beschwerde (nominell Z 5 zweiter Fall, der Sache nach Z 9 lit a) macht nicht klar, weshalb § 107b Abs 2 StGB – über ein bloßes Einwirken physischer Kraft auf den Körper, die das körperliche Wohlbefinden des Betroffenen nicht ganz unerheblich beeinträchtigt (zum tatbildlichen Begriff der Misshandlung vgl RIS‑Justiz RS0092867; Schwaighofer in WK2 StGB § 107b Rz 14 ff; Winkler, SbgK § 107b Rz 34 ff), hinaus – erst solche Misshandlungen erfassen soll, mit denen ein Schmerzgefühl herbeigeführt wird, das über die unmittelbare Auswirkung auf den Körper des Betroffenen hinausgeht (vgl 15 Os 46/13y, wonach derartige Einwirkungen „jedenfalls“ § 107b Abs 2 StGB zu unterstellen sind).

[6] Die Beschwerdekritik, wonach das Werfen von Geschirr und Besteck gegen die Opfer keine von § 107b Abs 1 StGB erfasste Gewaltausübung darstelle, lässt die Relevanz für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage nicht erkennen (vgl RIS‑Justiz RS0127374; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.184).

[7] Entgegen der zu den Schuldsprüchen I./C./ sowie II./B./ und C./ erhobenen Mängelrüge (Z 5 erster Fall) haben die Tatrichter trotz der jeweils überflüssigen Verwendung der Worte „zumindest“ und „wenigstens“ (US 8 f) deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Drohungen des Angeklagten mit einer Körperverletzung ernst gemeint schienen und er diese Besorgniseignung ernstlich für möglich hielt.

Da der Angeklagte mit der per WhatsApp an Ah* K* versendeten Äußerung (Schuldspruch II./B./) auch diesen bedrohte (US 3, 8) und – nach der Beurteilung des Erstgerichts – durch diese Tat eine (einzige) strafbare Handlung begründet wird (vgl US 19 unten), spielt es – der weiteren Beschwerdeauffassung (Z 5 vierter Fall) zuwider – für die Tatbeurteilung nach § 107 Abs 1 StGB keine Rolle, ob Ah* K* die auch für dessen Mutter gedachte Textnachricht an diese weitergeleitet hat oder nicht.

Nach dem Vorgesagten ist die Tat mit der Kenntnisnahme der inkriminierten Äußerung durch Ah* K* vollendet (vgl Kienapfel/Schroll SB BT I4 § 107 Rz 16), womit der Einwand der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall), es komme für die Abgrenzung zur Versuchsstrafbarkeit darauf an, ob die Mutter die Nachricht erhalten hat, ins Leere geht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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